Gefährliche Jesusbilder

Es ist gefährlich, sich zu dem „versöhnenden“ Christus zu bekennen, ohne sich die zentrale Bedeutung Jesu aus Nazareth zu beachten; es ist gefährlich, einen „friedliebenden“ Jesus ohne seine prophetische Anklage dazustellen; es ist gefährlich, einen Jesus der Seligpreisungen der Armen (welche zudem noch nicht einmal als wirklich Arme verstanden wurden) ohne seine Verwünschung der Reichen zu verkünden; es ist gefährlich, einen Jesus zu preisen, der alle liebt, ohne die verschiedenen Formen zu betonen, in denen sich diese Liebe ausgedrückt hat, nämlich in der Verteidigung der Armen und der Umkehrforderung an die Adresse der Unterdrücker.

Jon Sobrino, Christologie der Befreiung, S. 34

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5 Antworten auf „Gefährliche Jesusbilder“

  1. Ach ja, wie einfach können wir doch die Welt in Unterdrückte und Unterdrücker aufteilen und uns selber für die Armen einsetzen (oder auch nicht) im Bewußtsein unseres – vermeintlichen theologischen oder sonstigen Reichtums. Dabei wird leicht übersehen, was ich nur für mein eigenes Leben formulieren kann: ich selbst bin der Arme, arm an Glauben, an Hoffnung, an Liebe. Ich werde von meinen schlechten Eigenschaften unterdrückt und unterdrücke selber. Das brauche ich jemand, der mich „heilmacht“, den Heiland, der mir nachgeht als „König, Priester und Prophet“ wie es in einem alten Gospel heißt. Und dann kann ich in Seiner Kraft aufstehen und das tun, was er mir aufträgt.

    1. Hach ja, und es gab eine Menge Unterdrücker, die sich auch irgendwie arm fühlten oder diesen Habitus pflegten. Es sind die Unterdrücker, die die Welt aufteilen… Von theologischem Reichtum war hier gar nicht die Rede. Sobrino schreibt das als Lateinamerikaner. Für ihn und seine Landsleute ist das keine romantische Theorie.

  2. Abgesehen von der Formulierung: ‚Verwünschung der Reichen‘ – würde ich das genauso unterschreiben.
    @Thomas Kreitschmann: ‚Dass wir uns selbst oft in dem wiederfinden, was Jesus anklagt, enthebt uns nicht der Aufgabe es laut als FALSCH zu bekennen!‘ Und wenn z.B. Machtsinhaber, egal welcher Art (erstrecht, aber nicht nur religiöse) ihrem Amt nicht gerecht werden, es aufs übelste missbrauchen, dann hat Gottes Geist von jeher, nicht nur seine Propheten dazu gebraucht ihre Stimme zu erheben und es anzuklagen. Gott liebt uns bedingungslos, aber es gibt ihn nicht bedingungslos. Ich würde nicht ausschließen, dass Jon Sobrino dazu berufen wurde genau diese Botschaft zu verkünden (um es jetzt mal fromm zu formulieren). Mit welchem Recht sollte er sich dann verweigern? Weil er nicht würdig ist? Dann könnten wir uns alle bereits ins Grab legen.

  3. @home: „Verwünschung“ ist sicher eine schlechte Übersetzung, keine Ahnung, was da im Spanischen stand, aber die Weheworte bei Lukas liegen natürlich nah an einem „Fluch“.

  4. @Peter: Richtig! Nahe an einem Fluch – aber dennoch nicht etwas dass Jesus uns ‚wünscht‘. Das ‚wünschen‘ in dem Wort, störte mich, ich glaube wie du, dass das ein Übersetzungsfehler ist. Jesus wünscht sich die Umkehr von dem was „Gott verflucht“, aber lässt auch keinen Zweifel an den Konsequenzen, wenn diese nicht stattfindet, glaube ich.

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