Friendly Fire

Heute fahre ich auf den Kongress nach Braunschweig und habe aus Neugier einmal “Willow Creek” und “Verführung” in Google eingetippt. Tröstlich allenfalls, dass erstaunlich viele Treffer in der Schweiz zu finden waren, nicht in Deutschland. Traurig bis ärgerlich die Inhalte, egal woher. Das hat mich an ein Ereignis vor 60 Jahren erinnert:

In den letzten Kriegstagen 1945 wurde der Erlanger Stadtkommandant der Wehrmacht von den “eigenen” Leuten getötet, weil er die Stadt kampflos den US-Truppen übergab. Sie hatten bis zuletzt nicht begriffen, wo der Feind wirklich zu suchen war (nicht die Amerikaner, sondern Hitler) und ihren Chef als Verräter betrachtet. Die Stadt war glücklicherweise trotzdem gerettet.
Manche Diskussion mit selbsternannten Wächtern reiner Leere (äh, Lehre…) spiegelt eine ähnliche Verwechslung wider:

Da werden Christen als Verführer und Verräter an der gemeinsamen Sache abgestempelt, die das einzig richtige tun: Sie kapitulieren nicht etwa, sondern sie stellen sich einer veränderten Realität und legen alte Illusionen und überholte Feindbilder ab, in die sich die Christenheit oder bestimmte Flügel davon verrannt haben.

Neu ist das ja nicht: Jesus hat genau dasselbe mitgemacht. Er wurde als Verräter an der jüdischen Sache betrachtet, weil man den Feind an anderer Stelle vermutete. Stattdessen machte Jesus deutlich, wie sehr sich die Verirrung in die eigenen Reihen hineingefressen hatte. N.T. Wright hat das großartig herausgestellt. Ironischerweise treffen ihn auch gelegentliche Querschläger der frommen Artillerie – damit muss man wohl leben und sich eher wundern, wenn es nicht passiert. Ausgerechnet die, die überall Verrat wittern, verursachen den Kollateralschaden (da passt das Wort ausnahmsweise einmal richtig gut hin). Tragisch.

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2 Antworten auf „Friendly Fire“

  1. Ich finde die Beobachtung absolut zutreffend. Obwohl ich sonst militärische Begriffe nicht mag, ist „friendly fire“ in diesem Zusammenhang so passend.

    In der Wikipedia (http://en.wikipedia.org/wiki/Friendly_fire) steht als ein Beispiel von friendly fire „incorrectly identifying the target as the enemy“. Der Begriff zeigt die Tragik so gut, insbesondere wenn der Getroffene „zurückschießt“. Aber egal, ob der „Beschossene“ sich wehrt oder versucht den Irrtum aufzuklären, in beiden Fällen können die beiden Parteien sich nicht mit dem befassen, was sie ursprünglich vor hatten. Vermutlich dürfte es die beste Lösung sein, die andere Wange auch noch hin zu halten und sich den wirklich wichtigen Dinge zuzuwenden?

  2. Ja – der amerikanische Militärjargon hat seine ungewollt ironischen Seiten, zumindest in unseren Ohren. Manchmal schon zynisch. War nicht „Kollateralschaden“ kürzlich Unwort des Jahres, oder nur ein heißer Kandidat?

    Aufklären dauert oft zu lange und ist nicht erwünscht, weil das Selbstverständnis der Heckenschützen zu sehr an den Irrtümern und Feindbildern hängt. Ignorieren ist die beste Lösung – so lange es irgendwie geht. Ein bißchen schwarzer Humor ist auch nicht schlecht 😉

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