Im LebensArt Team hatten wir eine interessante Diskussion über Freiheit. Jemand sagte, dass man durch eine Entscheidung wie zum Beispiel Heiraten seine Freiheit einschränkt. Mich hat an dem Gedanken etwas gestört, und dann begriff ich, dass es in Wahrheit umgekehrt ist: Durch eine Entscheidung nutze und betätige ich meine Freiheit, selbst wenn ich mich festlege. Sie wird dadurch nicht geringer, sondern wirklicher.
Sich alles offen zu halten (was Bruder Paulus als “flächendeckende Suche” beschreibt) ist nur die Illusion von Freiheit, nach dem Motto “Ich könnte jederzeit…” Echte Freiheit hat dagegen immer mit Mut und Verantwortung zu tun. Mut, sich zu entscheiden und bestimmte Dinge mit ganzer Hingabe zu tun. Verantwortung, weil ich zu meinen Entscheidungen samt deren (oft unabsehbaren) Folgen für mich und andere stehe: Partnerschaft, Berufswahl, mein spiritueller Weg.
In aller äußeren Wahlfreiheit (die schnell in Wahlzwänge umschlägt) zeigen sich erst die Menschen als wirklich frei, die nicht immer Angst haben, etwas zu verpassen, die sich nicht als Opfer fühlen und anderen die Schuld am eigenen Unglück geben, die keine Risiken scheuen, wenn es darum geht das Gute zu tun, die sich nicht ständig rechtfertigen müssen und ihre (mal mehr, mal weniger großen) Spielräume tatsächlich nutzen. Keine Entscheidung ist auch eine Entscheidung, sagen wir manchmal.
Wer seine Freiheit nutzt, vergrößert sie am Ende. Wer sie ungenutzt lässt, verliert sie, und wenn es wirklich darauf ankommt, fehlt die Kraft, das entschlossen umzusetzen, was man eigentlich irgendwie “möchte”. Man kann das spüren, wenn man eine Entscheidung trifft, die man lange vor sich hergeschoben hat. Ich fühle mich dann oft richtig befreit.
Absolut (“losgebunden”, un-bedingt) frei ist nur Gott, und selbst er bindet sich aus freien Stücken, ohne sich dabei einsperren zu lassen. “Absolute Freiheit” ist auf Menschen bezogen eine Illusion – wir schöpfen nicht aus dem Nichts und sind “bedingt” in allem, was wir tun. Menschliche Freiheit ist vielleicht die Kunst, die richtigen Bindungen zu finden, mit denen wir in die Tiefe wachsen, und die falschen zu vermeiden, die uns an der Oberfläche halten – auf der Flucht vor unseren Ängsten, Schmerz, Konfrontationen, schmerzhaften Wahrheiten, dem Versagen oder dem Tod.
Wir haben gestern einen symbolischen Durchzug durchs Meer angeboten: Der Weg in die Freiheit führt mitten durch all das Chaos hindurch. Und danach gib es kein Zurück mehr. Die Freiheit liegt vor uns. Wir sind noch dabei, sie zu finden und zu lernen.
Zum Thema Freiheit hat sich auch schon Imanuel Kant Gedanken gemacht.
Auf meinem Blog ist ein Link zu 5 kleinen Video über den Kathegorischen Imperativ vom Bayern 3
Gruß Michael
sehr coole gedanken.
dachte gerade, bei diesem eintrag und deinen sehr coolen zitaten die tage, dass es mal nett wäre einfach so bei einer tasse kaffee ein kleines theologisches-kränzchen zu haben…
Das sind sehr gute Gedanken. Ich habe das mit der Einschränkung der Freiheit auch das ein oder andere Mal glaube ich gegenüber anderen so gesagt und werde in Zukunft eher aus dem Blickwinkel „Verantwortung, Mut, Wahlfreiheit, Erweiterung der Freiheit“ darüber denken. Vielen Dank!