Freiheit (2)

Wir haben gestern Abend gemeinsam im Galaterbrief gelesen, wo Paulus sich leidenschaftlich ins Zeug legt, um den Galatern die Freiheit (die richtige) schmackhaft zu machen. Freiheit ist immer etwas Relatives: Als ich meinen Arm gebrochen hatte, sicherte der Gips (bei allen Einschränkungen, die er brachte) mir die Freiheit, ohne Schmerzen und mit guten Aussichten auf Heilung über die runden zu kommen. Jetzt ist er ab, die neue Freiheit ist noch ungewohnt und ich fühle mich sehr verletzlich, aber es wäre absurd, wieder zurück zu wollen. Mit geheiltem Knochen heißt Freiheit etwas anderes.

Gar nicht so anders argumentiert Paulus gegenüber den Galatern: Das Gesetz hat das angeschlagene Israel für eine Weile fixiert, aber in Christus hat Gott die entscheidende Heilung vollbracht. Und selbst wenn das freie Gehen nun ungewohnt ist und Angst macht, die alten Krücken bleiben in der Ecke stehen. Für einen gesunden – bei Paulus geht es dann um einen Volljährigen im Gegensatz zum Minderjährigen – ist Freiheit etwas anderes als für einen Kranken. Was vorher die Freiheit gesichert hat, weil es auf sie vorbereitete, wird nun zum Hindernis. Freiheit hat einen unverrückbar neuen Bezugspunkt. Das hatten all jene nicht begriffen, die die Heidenchristen zur Beschneidung überreden wollten.

Denn hier meint Paulus mit „Gesetz“ die jüdischen Tabus, Regeln und Reinheitsvorschriften, nicht etwa Gebote wie nicht lügen oder töten. Dieses Gesetz hatte Juden und Heiden kategorisch getrennt und Gottes Plan für die ganze Welt wäre fast daran gescheitert, dass Israel den Bund gebrochen hatte und statt dem Segen des Gesetzes nun das negative Urteil des Gesetzes erlebte, folglich auch kein Segen für die Welt mehr sein konnte.

Es gibt jedoch ein „Gesetz Christi“, das für das Leben aus dem Geist gilt und uns sehr konkret zur Liebe anhält. Auch hier heißt Freiheit also nicht, einfach alles tun und lassen zu können, was man gerade will. Um auf die Analogie mit dem Arm zurückzukommen: Wenn ich die Regeln des Straßenverkehrs oder der Schwerkraft missachte, oder mich auf Handgreiflichkeiten einlasse, kurz: mit mit selbst und anderen nicht achtsam und verantwortlich umgehe, dann ist die neue Freiheit auch schnell wieder in Gefahr.

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