Falscher Fehler

In der Tageszeitung stand heute ein Leserbrief, in dem jemand die Nachricht über eine grausame Steinigung eines vergewaltigten Mädchens in Somalia zum Anlass nahm, die Menschheit als „größten Fehler der Evolution“ zu bezeichnen.

Aber die Evolution kann gar keine „Fehler“ machen: Sie ist ein Prozess, der nach einer immanenten Logik (etwa der Auslese der schwachen oder nicht optimal angepassten Lebewesen) abläuft und bestimmte „Grausamkeiten“ selbstverständlich einschließt. Nächstenliebe und die Würde des Menschen gehören nicht in ihr Programm. Sie ist amoralisch und lässt sich nicht romantisch verklären; aus der Biologie lässt sich eben keine allgemein gültige Ethik ableiten.

Einem persönlichen Schöpfer (wobei Schöpfung durchaus evolutionär beschrieben werden kann) kann man andererseits Fehler vorhalten. Dann muss man aber auch damit leben, dass Gott den Spieß umdreht und uns Menschen – einzeln und allen zusammen – dieselbe Frage stellt. Wenn das alles ein Fehler der Evolution war, dann sind die Männer, die dieses empörende Unrecht begangen haben, damit quasi entschuldigt.

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