In den USA hat das republikanische Wunderkind Jonathan Krohn verlauten lassen, er werde vermutlich für Obama stimmen. Der Junge ist 17 und hat im zarten Alter von 13 durch sein Buch Defining Conservatism auf sich aufmerksam gemacht. Die SZ berichtet Erstaunliches über die Hintergründe. Hier geht es, wie die SZ berichtet, nicht etwa um konservative Peinlichkeiten wie Mitt Romneys unversteuertes Auslandsvermögen in dreistelliger Millionenhöhe, sondern
Schuld am Sinneswandel des 17-Jährigen sind laut Krohn deutsche Philosophen wie Nietzsche, Wittgenstein und Kant, nach deren Lektüre er dem Konservatismus den Rücken kehrte.
Mit Bildung und deutschen Denkern aus der Krise, das lässt den schaurigen Rechtsruck der US-Konservativen in einem ganz anderen Licht erscheinen. Ob die Köpfe der Teaparty ausgebuffte Zyniker sind oder echte Ignoranten, spielt vielleicht eine nebensächliche Rolle. Punkten können sie nur, weil viel zu viele Menschen viel zu wenig nachdenken und das auch nie richtig gelernt haben. Kein Wunder, dass diese Politiker gar kein Interesse daran haben, Bildung zu verbessern: Die Einschaltquoten von Fox News könnten leiden.
Also, Leute, holt den Kant wieder aus dem Regal. Das Sapere Aude hat auch im 21. Jahrhundert nichts von seiner Aktualität eingebüßt.
Danke für den Hinweis. Ich bin jetzt neugierig darauf geworden, wie er vorher Konservativismus definiert hat.
Ich frage mich ja manchmal, ob Kants „Sapere aude“ nicht auf Epheser 4, 14 zurückgeht, wo es heißt, der Leib Christi soll erbaut werden „bis wir alle hingelangen zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zum vollendeten Mann, zum vollen Maß der Fülle Christi, damit wir nicht mehr unmündig seien und uns von jedem Wind einer Lehre bewegen und umhertreiben lassen durch trügerisches Spiel der Menschen, mit dem sie uns arglistig verführen.“ Ich muss da immer an Kant denken, der seine Wurzeln ja auch im Pietismus hat.
Ich bin eigentlich auch eher konservativ geprägt, wundere mich aber manchmal schon, wie kritiklos viele Christen konservative und neoliberale Scheinwahrheiten ohne Hinterfragen nachplappern. Denn gerade jetzt ist die Zeit für Fragen.
Wenn wir schon bei einem Loblied auf die Philosophie sind: Wenn ich mich nicht irre, dann war es der Philosoph Richard Rorty, der schrieb, dass die heutige Gesellschaft nur scheinbar toleranter sei als früher. Während unsere Vorfahren einander z.B. als „rassisch minderwertig“ bezeichneten – was wir natürlich verurteilen -, verurteilen wir heute Menschen einer anderen Position als „unvernünftig“. Der Effekt ist nach Rorty der selbe: Dem Gegner wird ein vermeintlich wichtiger Teil seines Menschseins abgesprochen, um zu rechtfertigen, dass man ihn und seine Wünsche und seine Meinung nicht berücksichtigen muss.
In diesem Sinne finde ich es ausdrücklich daneben, dass du einer ganzen politischen Richtung vorwirfst, nicht richtig denken zu können. Natürlich gibt es bei den Konservativen merkwürdige Auswüchse. Die gibt es doch aber genauso bei den Liberalen, den Sozialisten, den Grünen usw.
Ich verstehe auch, dass man im Eifer des Gefechts mal unbedachte Kommentare abgibt. Darum bitte ich dich, mal in dich zu gehen, ob du dieses pauschale Urteil wirklich so gemeint hast – und wenn ja, ob du das wirklich so aufrecht erhalten willst.
@Joltawan: Ich halte die US-Republikaner seit dem Auftreten der Tea Party Bewegung für eine zunehmend populistische Partei, die von Bildungsdefiziten ihres Wählerklientels profitiert und daher auch kein Interesse daran haben kann. Ich sage nicht, dass das dumm ist. Ich halte es aber für ziemlich skrupellos. Am besten, Du liest hier kurz weiter: http://www.washingtonpost.com/opinions/lets-just-say-it-the-republicans-are-the-problem/2012/04/27/gIQAxCVUlT_story.html
Und bei vielen Exponenten der letzten Jahre musste man sich ja wirklich die Augen reiben und sich fragen, ob die das tatsächlich ernst meinen, was sie gerade sagen.
Um meinen Post nochmal aufzunehmen: Wozu braucht man eigentlich Kant, wenn man die Bibel hat? Versteht den überhaupt irgendjemand? Außer Wunderkindern?
@Jordanus: Das mit der Bibel und dass da ja alles drin steht, was man zum Leben braucht, klingt für mich nach einer (rhetorischen) Killerfrage: Man kann jedes Buch gegen die Bibel ausspielen und am Ende führt das zu einem bildungsfeindlichen Christentum und ins soziokulturelle Abseits. Zum Glück haben die Kirchenväter diesen Weg nicht beschritten, also sollten wir heute nicht damit anfangen, indem wir so fragen.
Und niemand sagt, Kant sei einfach zu lesen. Dann fang eben mit Nietzsche an oder Wittgenstein, die kamen ja auch vor. Denn auch für Bibelleser stellt sich die Frage, auf welchem Reflexionsniveau man Bibellektüre betreibt.
Das ein 13 Jähriger erst philosophioscher Maßstab für die Konservativen und nun als 17 Jähriger für die Liberalen ist, ist auch nur in Amerika möglich, oder? Mal ehrlich, was ändert sich eigentlich nicht in dieser Lebensphase? Das ein 13 Jähriger den Konservativismus (!!!) definiert ist ja schon ein Witz an sich.
Bei aller Ehre, da bin ich doch recht dankbar, dass wir un Europa einen Habermas oder einen Vattimo haben. 😉
Es lebe die Philosophie? Naja, im Himmel werden diese Vernünfteleien wohl kaum ein Ehrenplatz bekommen.
Wer hat denn hier vom Himmel geredet? Aber gut, wenn einer von uns schon weiß, wie dort die Ehrenplätze vergeben werden… 🙂