Erst auspowern, dann auftanken?

Work hard, play hard – erst auspowern und dann auftanken – ist ein verbreitetes Mantra der Leistungs- und Konsumgesellschaft. Wer reichlich Erfolg und dafür hart gearbeitet hat, hat auch genug Geld, um sich nötige Wellness zuzukaufen, von der lila Pause oder dem Ayurvedatee bis zum von hilfreichen Geistern umschwärmten Aufenthalt in einem Luxusresort. Die Aufgabe der Regeneration wird also zunehmend delegiert, und es finden sich bereitwillig Anbieter, die uns das dafür nötige Denken und Planen professionell abnehmen. Beruflich oder in der Familie stresst uns die Verantwortung ja schon genug. Zum umsichtigen Durchatmen bleibt da nicht mehr so viel eigene Energie.

Da wir – nicht ganz zu Unrecht, aber vielleicht zu ausschließlich – das geistliche Leben mit Regeneration verbinden, bieten alle möglichen christlichen Institutionen nun „Verwöhntage“ und Ähnliches an, selbst jene, die eine Anpassung an den Zeitgeist sonst strikt ablehnen. Mag sein, dass es die alte Anknüpfungsstrategie ist, mit der man Glauben wieder praktisch relevant zu machen versucht. Und freilich gibt es „aus biblischer Sicht“ einiges Aufmunternde zu sagen über müde Seelen (und wenn sie schon mal für ein Wochenende da sind, kann man sie physisch und psychisch auch kurz wohlig durchkneten). Entsprechend reden viele (durchaus dankbar, aber leider in einem Bild, das Passivität suggeriert) vom „Aufatmen“, „Auftanken“ oder „Akkus Aufladen“.

Kann es trotzdem sein, dass allein der Rahmen, in den wir Dinge wie die Beschäftigung mit Gott und dem eigenen Innenleben einordnen, ihnen die eigentliche Spitze nimmt? Deklarieren wir sie unter der Hand um zur Freizeitbeschäftigung, ein „nice-to-have“, wie es neudeutsch heißt, eine Art mentalen Energieriegel oder ein Maskottchen für unseren Weg auf der imaginären Siegerstraße? Und ist es so betrachtet vielleicht auch kein Wunder, dass wir dem praktischen Dualismus von Leistung und Konsum, Selbstausbeutung und Fremdverwöhnung, Aktionismus und Passivität, durchökonomisierter „Welt“ und apolitischer, eskapistischer Spiritualität oft so wenig entgegenzusetzen haben?

Die wirkliche Relevanz des Glaubens besteht darin, dass er uns helfen kann, eben diese Schizophrenie zu überwinden. Dann aber dürfen wir ihn nicht in die Wellness-Schublade stecken, nicht als weitere Freizeitaktivität (miss)verstehen, sondern als den bewussten Schritt über die alten Gegensätze hinaus an einen Ort, wo uns weder die Ansprüche von außen noch die eigenen Bedürfnisse so besetzen können, dass wir ihrer Eigendynamik ausgeliefert sind. Funktionieren wird das aber nur, wenn wir Gott als den Urgrund der inneren wie der äußeren Welt nicht nur als ein gedankliches Konzept behandeln, sondern als ein nahes, lebendiges Gegenüber erfahren.

Hier zerbricht der oben skizzierte Gegensatz schon deshalb, weil diese Erfahrung einerseits nicht machbar ist, Gott sich andererseits aber von denen finden lässt (oder die findet), die ihn suchen. Mit einem lahmen „melde dich doch bei Gelegenheit“, das dem anderen die Initiative überlässt, ist es im geistlichen Leben daher nicht getan. Es ist die eine Sache, wo wir mit ganzem Herzen, ganzer Seele und all unserer Kraft gefordert sind. Franz Jalicz sagt es in seinem jüngst erschienenen Buch über geistliche Begleitung

Die Hektik der Welt hat auf uns ihren ausschließlichen Anspruch verloren. Wir schauen mehr auf das Ewige als darauf, was auf Erden geschieht, und doch bewirken wir durch Jesus mehr auf Erden also vorher.

Mit der Ewigkeit ist nicht ein „später“ gemeint (das „Leben nach dem Tod“), sondern die Dimension Gottes, die wir im allzu „irdischen“ Alltag oft aus dem Blick verlieren. Wenn sie durchbricht, dann verändert sie nicht nur unser Inneres, sondern auch unsere Umgebung.

(Ein paar Impulse zur praktischen Umsetzung habe ich aktuell hier gepostet)

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2 Antworten auf „Erst auspowern, dann auftanken?“

  1. Danke für die Aufklärung. Ich bin eigentlich davon ausgegangen, daß „Verwöhntage“ ein Angebot sind, um Nichtchristen anzusprechen. Dass man damit auch Christen erreichen will, war mir nicht klar.

    Ich dachte für Christen sind dann die Wüstentage, Oasentage etc. Oder werden manche Begriffe (Oasentage – Verwöhntage) synonym verwendet? Und auch Pilgern, Visionssuche (vision quest) scheinen immer mehr Zulauf zu bekommen.

    Und so wichtig Orten und Zeiten des Rückzugs sind, so wäre für mich auch die Frage interessant, was diese ausgelagerten Angebote über Mangel an alltäglicher und alltagstauglicher Spiritualität aussagen.

    Mal zugespitzt: Was finden engagierte Gemeindemitglieder bei einem „Oasen-Verwöhnwochenende“, was bei einer Wochenendfreizeit am Plöner See oder einer anderen schönen Landschaft, nicht auch „reinzuholen“ wäre?

    Entschuldigung für die möglicherweise unbeholfene Ausdrucksweise, aber mein Blickwinkel ist eben von außen.

  2. Gute Fragen. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wer tatsächlich zu den Verwöhntagen kommt, weil ich selbst noch bei keinem war. Oasen-Metaphern würde ich ähnlich einstufen. Aber der Kontrast zu den Wüstentagen ist sehr stimmig!

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