Erstaunliche Wende

Ich beschäftige mich gerade mit der Frage nach dem Gericht Gottes. Im Allgemeinen scheint es ja heute so zu sein, dass die Landeskirchler die sanfte und Freikirchen die harte Linie vertreten. Die einen reden fast gar nicht vom Gericht Gottes und neigen zur Allversöhnung, die anderen recht oft und ziehen mit eher harten Urteilen den Kreis der Erlösten enger und exklusiver.

Um so überraschender, dass es auch mal anders war: Die Lutheraner sprachen im Augsburger Bekenntnis sehr „knackig“ vom Gericht über die Gottlosen und verurteilen die sanfte Linie der Täufer, die sich vorstellen können, dass am Ende auch noch der Teufel gerettet wird. In CA XVII heißt es:

Auch wird gelehrt, dass unser Herr Jesus Christus am jüngsten Tage kommen wird zu richten, und alle Toten auferwecken, den Gläubigen und Auserwählten ewiges Leben und ewige Freude zu geben, die gottlosen Menschen aber und die Teufel in die Hölle und ewige Strafe zu verdammen. Deshalb werden die Wiedertäufer verworfen, die lehren, dass die Teufel und verdammte Menschen nicht ewige Pein noch Qual haben werden.

Ebenfalls interessant ist, dass die Erwähnung der Täufer in der Fassung von CA XVII fehlt, die auf der Website der EKD zu finden ist. Ob man damit wohl ein Zeichen der Ökumene setzen möchte oder nur eine Peinlichkeit übergehen?

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8 Antworten auf „Erstaunliche Wende“

  1. Ich sehe das in der Tradition des „neuen“ Gesangbuchs. Bei den Psalmen wurden ja auch die Verse selektiert. Alles was zumindest „erklärungsbedürftig“ ist oder heute nicht mehr vermittlungsfähig erscheint, wurde ausgeklammert. Die Tendenz bloß keinem weh zu tun ist leider nichts neues mehr in unseren „alle glauben – egal was sie glauben“-Landeskirchen. Manchmal macht es keinen Spaß einer der Evangelischen zu sein…

    Sehr oft aber doch 😉

  2. Ich verstehe diese Diskussion machmal nicht. Nach meinem Verständnis obliegt das Gericht ausschließlich Gott allein und sein „Urteil“ wird so gerecht sein (darauf vertraue ich), dass keiner sagen kann, dass ihm Unrecht widerfahren ist. Ich erlebe es also als sehr befreiend, dass ich mich voll Vertrauen diesem gerechten Gott unterstellen kann, der als einziger sowohl das Urteilsvermögen als auch das Recht dazu hat, über Menschen eine Entscheidung zu fällen. Und dieser Gott hat sich immer wieder auch das „Recht“ herausgenommen, völlig anders zu entscheiden, als wir Menschgerlein es so gern hätten :-).
    Wenn ich auf Jesus schaue und lese, was er gesagt hat, dann ist das oft vielmehr ein Hinweis darauf, wie man eben gerettet werden kann, als wie man verdammt wird.
    Wie so oft nehme ich mir das also auch als Vorbild und versuche erst gar nicht, zu sagen, wer und wann und warum wohin „kommt“. Eines ist für mich eben klar: „Das Evangelium ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die daran glauben.“ Mir reicht das 🙂 Und ja, ich will tatsächlich niemandem weh tun, was hätte ich denn davon???

  3. @Peter: Übersetzungen sind so ’ne Sache. Schau mal in den lateinischen Text von CA IX was da über die Taufe steht und wie das „necessarius ad salutem“ hin und wieder übersetzt wird….wenn es denn überhaupt übersetzt wird.
    Die EKD-Seite ist nicht immer der Hit, was das Zitieren anderer Veröffentlichungen/Texte betrifft.

    @Stephan: Im Grunde verstehe ich Dich voll und ganz und teile deine Meinung. Du schreibst:

    „Wenn ich auf Jesus schaue und lese, was er gesagt hat, dann ist das oft vielmehr Hinweis darauf, wie man eben gerettet werden kann, als wie man verdammt wird.“

    Gerettet – wovor?

    Grüße,
    Dave

  4. Das ist schon ein Kreuz mit unseren Bekenntnisschriften. Ich habe mich mal in einer Seminararbeit damit beschäftigt, welche Verbindlichkeit der Wortlaut hat.
    Nun liegt auf der Hand, dass wir nicht die Bibel historisch-kritisch zersägen müssen (?!), aber die Worte Luthers&Co für bare Münze nehmen. Es bleibt auch hier viel dem freien Spiel der Interpretationskräfte überlassen. Und mindestens im Falle der Verdammungsästze ist das auch gut so.
    Uns fehlt heute eine Instanz, die die Bekenntnisse mal revidiert. Allerdings – so wie ich die „Kirche“ kenne – ist das auch gut, denn sonst würde viele theologische Wahrheiten verwässert.

  5. bin froh (zumindest für den moment) nicht in der situation zu sein, mich auf die bekenntnisschriften verpflichten zu lassen. fand es damals beim lateinlernen sehr krass die CA zu übersetzen und mit den anderen studenten darüber zu reden.

    meiner ansicht nach kann das interpretieren hier keine lösung sein. zumindest ist sie für mich nicht befriedigend. natürlich wurde die CA auch in eine bestimmte situation geschrieben, für eine kirche die angibt die bibel mehr als die bekenntnisse zu achten (stichwort: sola scriptura), sollte eine „reformation“ der bekenntnisse drin sein, oder?

    freue mich noch mehr von dir, peter, zu der allgemeinen fragestellung des posts zu lesen.

  6. Offiziell sind die Bekenntnisse ja nur zweitrangig gegenüber der Bedeutung der Bibel. Damit muss man sie auch nicht unbedingt reformieren, man kann sie fortschreiben und historische Irrtümer stehen lassen – sofern man sie als solche benennt.

    Wie das allerdings aussehen würde angesichts der Vielfalt der Meinungen, das ist eine spannende Frage. Wer wäre denn autorisiert, so etwas zu unternehmen: der Lutherische Weltbund? Und müssen die Mitgliedskirchen das ratifizieren? In dem Moment, wo man sich tatsächlich auf eine Position festlegt, schließt man andere auch aus.

    Wie so etwas läuft, kann man an jüngeren Streitfragen ohne Bekenntnischarakter ablesen, z.B. der Ordination von Frauen. Ein zähes Ringen ist das Mindeste. Aber vielleicht ist die Zeit solcher „Bekenntnisse“ auch vorbei. Sie entstehen ja meist in historischen Konfrontationen (mit dem Papst oder den Nazis, wenn man mal an Barmen denkt).

  7. @Dave: Jaja, das kenn ich schon ;-). „Gerettet wovor?“ Ich glaube, in erster Linie vor mir selbst zu meiner Lebenszeit und vor dem Tod als meinem absolutem Ende. Davor, dass mein Leben nur etwas für die Müllhalde (wie war da noch gleich das griechische Wort dafür?) war. Reicht das ;-)?

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