Perry Noble hat einen anstößigen Post bei Out of Ur geschrieben, in dem er für Gottesdienst als multimediales Erlebnis plädiert und sich über die Faulheit vieler Kollegen und Gemeinden beklagt, die dann fromm als “Raum für den Geist” verbrämt wird. Ein Schlüsselsatz darin ist der:
One of the things I have realized from reading Scripture is that Jesus was far from boring. He created experiences for His followers—experiences that they never forgot, and the church should be doing the same.
Ich habe noch eine ganze Weile darüber nachgedacht. In unserer Erlebnisgesellschaft, deren größte Furcht die Langweile ist (und da schließe ich mich ein), klingt das zwiespältig: Verlockend, weil es so einfach klingt, und beunruhigend, weil die Therapie das Problem vielleicht verstärkt. Selbst aufwändig gemachte Promiseland-Kindergottesdienste haben meine Jungs schon als “langweilig” bezeichnet, weil sie nicht mit ihren Lieblingsserien im Fernsehen oder Actionspielen auf dem Computer mithalten können – und es auch gar nicht müssen, weil es dort nämlich nicht um Unterhaltung geht, und das müssen sie lernen.
Das ist kein Plädoyer für einfallslose Monotonie. Nur scheint mir, dass hier eine falsche Logik droht: Jesus ist nicht jeden Morgen aufgestanden um wie ein Theaterpädagoge zu überlegen, wie er diesen Tag zum unvergesslichen Erlebnis für seine gelangweilten Jünger machen könnte. Es ging ihm darum, dass Gottes Wille geschieht, dass Israel seine destruktiven Wege verlässt und auf den Weg des Friedens findet, statt Unrecht mit Unrecht und Gewalt mit Gewalt zu bekämpfen und nach Innen alle möglichen Formen von Unterdrückung zuzulassen. Daraus ergaben sich dann erstaunliche Ereignisse.
Technorati Tags: Gottesdienst, Kunst, Langeweile, Medien, Unterhaltung
Ich frage mich manchmal, ob unsere Gottesdienste nicht von selbst viel spannender würden, wenn wir alle zusammen sechs Tage in der Woche leidenschaftlich für Gerechtigkeit und Versöhnung kämpfen würden. Es gäbe immer etwas zu erzählen. Klar, auch das will gut erzählt werden, aber man muss sich schon weniger aus den kreativen Fingern saugen.
Steve Taylor hat in seinen Gedanken zu spirituellen Touristen eine Progression ausgemalt: recreational – experiential – experimental – existential. Vom oberflächlichen und primär selbstbezogenen “Mitnehmen” einer Erfahrung bis hin zum sich wirklich auf Gott einlassen, das Veränderung schafft. Von daher (!) bekommt dann auch das “Hineinschmecken” seinen Sinn.
Vielleicht verwechseln gerade Amerikaner auch immer wieder Kunst und Unterhaltung. Perry Noble bezieht sich nicht von Ungefähr auf Hollywood, das uns unterhält und daran gut verdient. Kunst dagegen will nicht wie Unterhaltung konsumiert werden, sondern sie verlangt uns mehr Engagement ab beim Zuhören, Hinsehen, Widersprechen und Mitdenken. Echte Kunstwerke (egal welcher Gattung) sprechen auch noch auf den zweiten und dritten Blick. Manchmal beginnt es dann erst richtig. Bei Unterhaltung ist das undenkbar, sie muss beim ersten Kontakt “zünden” und ist dann aber meistens auch schon verpufft.
Von daher ist es eben auch eine Aufgabe, Gottesdienste so konzentriert und “reizarm” zu gestalten, dass wir solche Begegnungen mit Gott fördern, der sich eben nicht in der Gewalt von Sturm und Erdbeben, sondern im stillen Säuseln offenbart. Und statt auf Unterhaltung zu setzen, sollten wir über Kunst nachdenken, der wir uns auch einmal ein paar Monate am Stück aussetzen können, ohne dass sie aufhört, uns anzusprechen, herauszufordern, zu verändern. Denn das eigentliche Drama zwischen Gott und dieser Welt, in dem wir mehr sind als nur Zuschauer, ist genau von dieser Qualität. Je öfter wir hinsehen, desto größer die Faszination.
an deinen gedanken zum ›gottesdienst‹ gefällt mir vor allem die verbindung zum alltäglichen leben. in meiner erinnerung habe ich gerade nicht, ob steve taylor da auch ausführlicher drüber spricht einige gute gedanken in die richtung habe ich jedoch bei mike frost gelesen. mike verwendet das bild eines eisbergs, dessen spitze [ein öffentlicher gottesdienst] sichtbar wird, unter der sich jedoch eine menge [an leben] verbirgt.
dazu wäre es sicher auch noch interessant nachzudenken was das im bezug auf kindergottesdienste bedeuten kann.
Ein Thema, das mich momentan auch sehr bewegt. Bin in einer gemeinde, die Willow Creek umsetzt und „seeker-friendly“ Gottesdienste abhält. Mir fehlt ehrlichgesagt sehr oft aufgrund des multimedialen Bombardements die Möglichkeit, Gott im Stillen tief zu erleben. Vielleicht liegt es an der Implementierung? Wenn ich es richtig verstanden habe, besteht „richtiges“ Willow Creek aus „Modulen“, die je nach Inspiration/Eingebung der am Gottesdienst Beteiligten verschoben/gewechselt werden können.
Von der anderen Seite, der Kunst und dem Medium Film her gedacht, fällt mir spontan das Zitat von Andrei Tarkovski ein: „The allotted function of art is not, as is often assumed, to put across ideas [..] The aim of art is to prepare a person for death, to plough and harrow his soul, rendering it capable of turning to good.“ Eine sehr existentialistische Erfahrung also.