Emergent-Nachlese (4): Die zwei Listen

Ein Schlüsselerlebnis, von dem Brian letzte Woche mehrfach berichtet hat, war eine Freizeit mit Jugendlichen vor gut zwanzig Jahren. Zuerst fragte er die Gruppe nach den Problemen, über die man sich in der Kirche Gedanken macht. All diese Themen schrieb er auf ein Flipchart und hängte es an die Wand: Musikstil im Gottesdienst, Umgang mit bestimmten Geistesgaben, dürfen Frauen predigen, und so weiter.

Dann fragte er nach den Themen, die unsere Gesellschaft beschäftigen: Hunger, Bevölkerungsexplosion, Krieg, ABC-Waffen und einiges mehr. Er hängte diese Liste an die gegenüber liegende Wand. Sie hatte mit der ersten Liste nichts gemeinsam. Die Frage war und ist seither: für welche Liste setzen wir unsere Zeit, Kraft und Talente ein?

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12 Antworten auf „Emergent-Nachlese (4): Die zwei Listen“

  1. Ja und nein.
    Ich war in Marburg dabei und fand diese Geschichte von Brian McLaren bemerkenswert. Getreu dem Motto „Jesus ist die Antwort – was war noch mal die Frage?“ Ob wir den Kampf gegen den Klimawandel nun als originär christlichen Auftrag sehen oder nicht, als Christen müssen wir uns den Schlüsselfragen stellen, die unsere Gesellschaft bewegen.
    Andererseits sollten wir uns aber weiter nicht scheuen, auch über Fragen zu sprechen, die „die Welt“ für irrelevant hält. Die Frage, wo sie die Ewigkeit verbringen, bezeichnen viele Zeitgenossen als für sie uninteressant – daraus ziehe ich Schlüsse darauf, worüber ich wann rede, aber nicht, welche Themen überhaupt dran sind. Eine Kirche, die *nur* Fragen behandelt, mit denen sich unsere Gesellschaft sowieso schon beschäftigt, verheiratet sich mit dem Zeitgeist und verliert ihre prophetische Kraft.

  2. War für mich auch eine Story, die mir im Kopf geblieben ist. Hab ich sofort ein paar Jugendmitarbeitern erzählt und will es evt. auch in meiner Jugend mal ausprobieren. Gucken, was die so schreiben und denken 😉

  3. @ Alex:
    Ich stimme dir teils zu. Das sich die Kirche „nur“ mit solchen Fragen auseinandersetzen soll, ist wohl nicht der richtige Weg. Jedoch sehe ich es so, dass die meisten Gemeinden sich „überhaupt nicht“ diesen Herausforderungen stellen und sehr in sich gekehrt leben und reden. Daher wünsche ich mir eine gewisse Offenheit und einen weiteren Blick über die Kirchentür hinaus.

  4. Wenn Du Deine Kinder einkaufen schickst, freust Du Dich dann mehr, wenn sie einkaufen, was sie gerade für sinnvoll und wichtig halten oder wenn sie sich an die Liste halten, die Du ihnen gegeben hast? Was den Kindern als wichtig und einsichtig erscheint, ist leider nicht immer die wichtigste Liste! Ich jedenfalls muss Deine Frage beantworten mit: für die Liste Gottes!

  5. Auch wenn du das wahrscheinlich (ziemlich sicher) anders siehst, geht es bei der Auseinandersetzung um die „Liste Gottes“. Vielleicht zeigt das Bild ja gerade, dass wir Christen über zu lange Zeit die „Liste Gottes“ pervertiert haben und seine Hinwendung an seine Welt durch unsere Gemeinde und Kirchenbefindlichkeiten ersetzt haben. Kommt der Gedanke bei dir an?

  6. Vielleicht liegt es am Alter meiner Kinder, aber es kommt eine Zeit, wo ich nicht unbedingt darauf bestehe, dass meine Liste die einzig denkbare ist.

    Guter Trick mit der Liste Gottes, auf jeden Fall die absolut korrekte Antwort, nur: Wie weiß jemand eigentlich, was auf Gottes Liste steht? Die Versionen, die momentan im Umlauf sind, haben nicht immer viel gemeinsam.

  7. Aha, da hat also der gute alte epistemologische Skeptizismus (oder Solipsismus?) wieder zugeschlagen: wer weiß schon, was Gott will, sagt, fordert,… Da ist man dann ja in bester Gesellschaft mit der Schlange aus dem Paradies, die auch meinte, man könne sich niemals sicher sein, was Gott gefordert habe.

    Übrigens, dass Gott seine eigene Liste haben sollte, wo er durchaus darauf besteht, dass es „die einzig denkbare ist“, ist keineswegs ein „Trick“, sondern sollte m.E. selbstverständlich sein für alle, für die die Souveränität und Hoheit Gottes nicht nur ein Lippenbekenntnis ist.

    Im Übrigen halte ich es für unverantwortlich und keineswegs gesamtheitlich biblisch gedacht, wenn jemand so wie Du oben
    gemeindeinterne theologische Auseinandersetzungen gegen weltpolitische und gesellschaftliche Probleme ausspielst. Vielleicht gibt es gar keine zwei Listen, zwischen denen wir wählen müssen (dürfen)? Ich halte mich da nach wie vor an die Liste Gottes, die für Gemeinde und Welt gleichermaßen gilt.

    (Nebenbei: schon lustig wie es sich für Dich anscheinend nicht lohnt, meinen kritischen Anfragen oder Anmerkungen eine ehrliche Auseinandersetzung zu gönnen. Kontrahenten müde belächeln und ihgre Kritik ins Lächerliche ziehen („Guter Trick…“) war schon immer die Strategie derer, für die ihre eigene Ansicht kanonisch ist. Da sag‘ noch mal jemand was von der epistemologischen Selbsterkenntnis und Kritikfähigkeit der „emergent folks“… Die lässt anscheinend nur „in house“ Kritik anderer „emergent folks“ zu.)

  8. Das war durchaus eine ehrliche Auseinandersetzung, auch wenn Ironie drin vorkam (ist nicht jedermanns Sache, klar). Aber es ist doch interessant, dass wenn ich Deinen (!) Standpunkt relativiere, ich sofort mit dem Teufel verglichen werde…

    Wahrscheinlich sind Hoheit und Souveränität Begriffe, die in meiner Beschreibung Gottes an anderer Stelle rangieren als bei Dir. Das hatten wir ja schon. Ich kann mir übrigens gut vorstellen, dass „Gottes Liste“ zu verschiedenen Zeiten verschiedene Dinge umfasst.

    Im Übrigen ging es nicht darum, Dinge gegen einander auszuspielen, sondern die Diskrepanz sichtbar zu machen und daraus dann die richtigen Fragen zu stellen. Meinetwegen die nach Gottes Liste. Dass die Kirchen sich um Nebensächliches streiten, das kam in den letzten 2000 Jahren ja ab und zu vor. Man merkt es aber dann vielleicht schneller, wenn man solche Experimente macht.

  9. @Depone: doch, der Gedanke kommt bei mir durchaus an! Ich denke auch, dass die Gefahr besteht, dass sich die Gemeinde in ihrem Ghetto ihre eigene Lieblingsliste ausdenkt und dabei vergisst, dass auch „die Welt da draußen“ zur Liste Gottes gehört. (Soll ab und zu schon mal vorgekommen sein…!) Das war ja gerade mein Punkt! Ich bin davon überzeugt, dass SOWOHL gemeindeinterne theologische Auseinandersetzungen ALS AUCH die sozialen, politischen, wirtschaftlichen Probleme der Welt mit Gott zu tun haben – ergo, auf seiner Liste stehen. Deshalb war mir ja Peters bzw. Brians Zwei-Listen-Dualismus zu simpel, um nicht zu sagen simplizistisch.

  10. Also ich habe diese Diskussion jetzt ein wenig verfolgt – ohne behaupten zu wollen, dass ich alles verstanden habe, frage ich: wo ist das Problem? Beide Listen sind gleich wichtig. Nur eine möglichst „intakte“ (bitte traktiert jetzt diese Eigenschaft nicht *g*) Gemeinde kann „Salz und Licht“ sein. Aber eine Gemeinde, die nicht mehr „Salz und Licht“ ist, ist keine Gemeinde.
    Man darf das eine nicht ohne das andere tun und lassen.

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