Ein reisender Schauspieler

Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun.

… im Gegenteil,
du weißt nicht, was du getan hast.

Die Bühne der Geschichte
wurde errichtet, betreten und erprobt
lange vor deinem kurzen
Ausflug aus der Kulisse

Das Drama der Erlösung
– du wirst das verstehen,
du bist ja religiös –
wird regelmäßig aufgeführt
gehört zum Repertoire
und man findet es in der Regel
erfreulich…
Und zwar ohne einen Erlöser
nur Gott und das System.

Aber du
Emporkömmling von außen
warst entschlossen, das Stück umzuschreiben
die Handlung auf den Kopf zu stellen
das Absolute persönlich zu machen
und, mit dem Publikum improvisierend,
anzudeuten, dass diese Travestie
wahr sei.
Wer bist Du?

Du weißt nicht, was du getan hast.

Aber es ist nicht irreparabel.

Zwei, vielleicht drei Tage
und dein Gesicht wird vergessen sein,
so wie der Schauspieler,
der abends den Clown gespielt hat
und sich ungeschminkt
am Morgen wie ein Narr vorkommt.

Deine Zuhörer werden aufhören, von dir zu reden;
deine Nachfolger werden aufhören, zu folgen
Religion wird wieder die alte sein –
solche Sekten gab es früher schon –
und dein Rundtheater
wird seine unsichtbaren Türen schließen
endgültig
wenn der Held stirbt
und alle gehen ab.

Text by John L. Bell, copyright © WGRG, Iona Community, Glasgow G2 3DH, Scotland.
http://www.wgrg.co.uk/. Reproduced by permission.

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9 Antworten auf „Ein reisender Schauspieler“

  1. Das ewig Licht geht da herein, gibt der Welt ein’ neuen Schein; es leucht wohl mitten in der Nacht und uns des Lichtes Kinder macht.
    Martin Luther
    -Zitat des Tages Jesus.de-

    Gelobt sei Jesus Christus in Ewigkeit.
    Amen

    Mit eigenen Worten könnte ich meine Gedanken zu diesem Gedicht nicht besser ausdrücken.

  2. In welchem Kontext steht dieser Text? Gehört das zu einem Zyklus und beschreibt lediglich die Seite der Pharisäer?

    Das der Text von der Iona-Community stammt, bringt den Verdacht dass diese Community sich schon derart in der Esoterik verliert, dass die Christus nicht mehr erkennt. Aber ist dem so? Nachdem ich mal dort war, weiß ich zumindest, dass diese Community nur sehr sehr bedingt eine christliche genannt werden kann.
    Und warum hast du den Text hier veröffentlicht?

  3. @ Charly: Ich kann beim besten Willen nicht erkennen, dass die Iona Community sich vom christlichen Glauben abgewandt hätte. Und dieses Gedicht hat nun so gar nichts Esoterisches an sich…
    Den Kontext findest Du hier

  4. Hallo Peter,
    warst du mal dort? Als ich dort war, hätte ich mich in deren Bookstore reichlich mit allem Möglichen aus dem esoterischen Sektor ausstatten können. Christliches fand sich dort nur marginal. Das was ich dort an „christlichen“ fand, war ebenfalls stark esoterisch durchzogen. Daher komme ich darauf.

    Ich frage mich, was dieses Gedicht denn christliches an sich hat? Und was sind diene Beweggründe, diesen Text hier zu veröffentlichen?

  5. @ Charly: Vielleicht darf man Leute nicht nach ihrem Buchladen beurteilen. Dazu kommt: wir definieren die Grenzen von „christlich“ ja offenbar recht unterschiedlich. Ich finde diese Meditation gut und mag mich gar nicht vor Dir rechtfertigen dafür.

    Vielleicht ist Dir ja auch nur die Ironie in dem Text entgangen – an dem Punkt waren wir beide ja auch schon einmal, oder?

  6. Ja, ich finde die Meditation ebenfalls interessant.
    Folgende Strophe klingt für mich allerdings fast zynisch:

    Aber du
    Emporkömmling von außen
    warst entschlossen, das Stück umzuschreiben
    die Handlung auf den Kopf zu stellen
    das Absolute persönlich zu machen
    und, mit dem Publikum improvisierend,
    anzudeuten, dass diese Travestie
    wahr sei.
    Wer bist Du?

    Wer ist er? Der Schwache? Der Schwache in dem Gott mächtig ist?
    Der Mächtige?
    Der Auferstandene würde ich antworten.

  7. @Peter: Nicht nur aber auch. Ich habe mich auch weiter für die Iona-Community interessiert und gefunden, dass die „Außenstellen“ wohl deutlich mehr durch die konkreten Menschen geprägt sind, die daran teilnehmen. Wie so oft eben. Es lohnt nicht auf den Punkt hier weiter einzugehen – es kann sich Jeder ein eigenes Bild machen.

    Ironie, die nicht zu erkennen ist, ist eben kontraproduktiv – stimmt, da waren wir schon mal.

    Dieser Text kann auch genauso gut aus einem Zyklus stammen, in dem die ganz unterschiedlichen Wahrnehmung des Todes Jesu am Kreuz von den Beteiligten und Betroffenen dargestellt wird. Für einen Pharisäer würde ich diese Gedanken zu diesem Zeitpunkt am Kreuz passend finden. Was würde eben dieser Pharisäer wohl gedacht haben, als Christus wieder auferstand?
    Ähnliche Texte, zB aus der Sicht des Soldaten der ihn gekreuzigt hat, habe ich auch schon gefunden. Auf meinem Blog habe ich sogar jüngst ein sehr interessantes Hörspiel verlinkt, dass diesen Aspekt mit einbezieht. Oder in dem Roman: „Das Buch von Gott“ von Wangerin finden sich auch solche Texte. Stark finde ich dort zB die Gedanken von Judas beim Einzug in Jerusalem oder vom Soldatenhauptmann bei der Kreuzigung.

  8. Einen lyrischen Text zu kommentieren ist fast so, wie wenn man einen Witz „erklären“ muss:

    Natürlich wird hier das Jesuswort (Vater, vergib ihnen) aus der Sicht seiner Gegner kommentiert. Gleichzeitig wird in diesem (keine Frage: zynischen) Kommentar schon erkennbar, dass die Rechnung nicht aufgehen wird.

    Die Ironie ist also eine doppelte: Erst wird also Jesu Wort auf den Kopf gestellt, nur um sich selbst wieder auf die Füße zu stellen, indem sich die Haltlosigkeit dieser Kritik entlarvt. Die Botschaft ist: Gott hat das Stück umgeschrieben. Jesus war im Recht. Der Tod des Helden war nicht das Ende. Daher muss das am Schluss auch nicht mehr ausdrücklich gesagt werden…

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