Der Ruf nach dem Stacheldraht

In meinem Stadtteil sollen in Kürze Flüchtlinge eintreffen, die in einem leerstehenden Containerkomplex untergebracht werden. Während sich viele Menschen in der Stadt Gedanken machen, wie man sich gemeinsam um die Neuankömmlinge kümmern kann und was sie in ihrer (alles andere als komfortablen) Wohnsituation brauchen, nachdem sie ihre Heimat verloren haben, macht mindestens ein Anonymer richtig übel Stimmung in einer Sprache, die vor pauschalen Diskriminierungen nur so trieft und Hass auch gegen die verbreitet, die auf die Flüchtlinge zugehen wollen.

Tragisch ist, dass die Denkstrukturen von Angstmache und Ausgrenzung längst in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen sind, selbst wenn man diese Gedanken dort zurückhaltender formuliert. Der Europawahlkampf steht vor der Tür, und man kann in Deutschland beim Thema Zuwanderung – ob das nun Flüchtlinge sind oder Menschen aus anderen EU-Staaten – nur mit Härte punkten, indem man also die Fremden generell zum Problem erklärt, vor dem die Mehrheitsgesellschaft geschützt werden müsse.

Beim Abendessen diese Woche kommentierte mein Sohn das alles mit dem Hinweis, Jesus sei ja auch ein Flüchtling gewesen. Passt nicht nur ins Kirchenjahr, sondern in unsere Zeit überhaupt. Der Flugblattautor übrigens rief Gleichgesinnte zum Kirchenaustritt auf. Diesen Zusammenhang hat er dann doch ganz richtig verstanden.

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2 Antworten auf „Der Ruf nach dem Stacheldraht“

  1. Hier würde ich fragen, ob „die Denkstrukturen von Angstmache und Ausgrenzung“ jemals aus der Mitte der Gesellschaft verschwunden waren ?

    So recht ich Dir mit den Flüchtlingen gebe finde ich es wichtig, beim Thema Zuwanderung allgemein noch mal zu differenzieren. Hier ist es m.E. schon notwendig, sich zu überlegen, wie Zuwanderung – insb. aus nicht-EU-Staaten – aussehen soll und wie sie so strukturiert werden kann, dass am Ende das „Gemeinwesen“ profitiert und gestärkt wird. Das tun eigentlich alle klassischen Einwanderungsländer – auch ganz liberale Staaten.

    1. Das waren sie freilich nicht, in der CSU etwa hatten sie immer großzügig Unterschlupf gefunden. Die hat ja auch Initiativen für ein modernes Einwanderungsgesetz immer abgeschmettert. Da gibt es, wie Du anmerkst, noch viel zu tun, aber momentan dreht sich ja noch alles darum, möglichst hohe Hürden zu errichten, und das ganze Thema Zuwanderung wird nur unter den Aspekten „Kosten“ und „Probleme“ verhandelt.

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