Verspielt

Vor ein paar Monaten hörte ich eine Stimme neben mir sagen: „Nanu, eben hatte ich doch noch ein Leben.“ Die Worte stammten vom meinem Sohn und bezogen sich auf ein Computerspiel, da hat man in der Regel mehr als ein Leben. Ich hingegen habe mich damals gefragt, wie viele Leute das auf ihre persönliche Biografie auch so sagen würden.

Einen kennen wir nun: BP-Chef Tony Hayward will „sein Leben zurück„. Da gibt es außer ihm natürlich ein paar Menschen mehr im Zusammenhang mit der beispiellosen Ölkatastrophe im Golf von Mexiko. Und nachdem viele deutlich schlimmer betroffen sind als Hayward, wird ihm sein Wunsch nach einem sorgen- und stressfreien Leben mit entspannten Runden auf dem Golfplatz zu Recht verübelt. Man muss sich die Dimensionen des hässlichen Flecks immer wieder mal klar machen.

Hayward hat den Unfall nicht verursacht, aber er ist für die Folgen selbstverständlich verantwortlich und wird dafür ja sehr gut bezahlt. Er darf sich seinen geregelten Alltag gern zurückwünschen, wenn zuvor auch alle Fischer wieder gut schlafen, weil der letzte Dreck beseitigt ist und das Ökosystem sich wieder erholen kann. Erst wenn der letzte Helfer, der von den ölzersetzenden Chemikalien geschädigt wurde, wieder gesund ist. Und ein paar Leute werden ihr Leben nie wieder zurück bekommen. Es ist eben kein Computerspiel.

Das Verrückte daran ist ja: der Anspruch, dass alles so bleiben soll, wie es ist, führt geradewegs in die diversen Katastrophen. Wir werden unser Leben nie wieder zurück bekommen. Je länger wir daran festhalten, desto größer der Schock, wenn die Veränderungen über uns – dann unvorbereitet – hereinbrechen. Obama fordert die Energiewende, ob er sie durchsetzen kann, muss sich erst zeigen. Umso unverständlicher, dass Deutschland die überfällige Wende in der Verkehrspolitik wieder versäumt und dass fast unbemerkt von der Öffentlichkeit auch die Folgeverhandlungen zum Kopenhagener Klimagipfel gefloppt sind.

Was wäre wohl gewesen, wenn Jesus im Garten Gethsemane gesagt hätte, dass er sein Leben zurück will, und eine Kompanie Engel angefordert hätte, die ihn gerade noch rechtzeitig mit großem Zapfenstreich verabschieden? Hayward bekommt sein Leben übrigens gerade wieder zurück. Besser so für BP und die Welt. Walter Mixa arbeitet noch daran – seine Kollegen sind jedoch weniger kooperativ als der Aufsichtsrat von BP. Für den Rest gilt: Umkehr ist das Gebot der Stunde. Johann Baptist Metz hat es im Blick auf die Kirche so zugespitzt:

Kehren wir Christen in diesem Lande um, oder glauben wir lediglich an die Umkehr und bleiben unter dem Deckmantel der geglaubten Umkehr die alten? Folgen wir nach, oder glauben wir nur an die Nachfolge und gehen dann unter dem Deckmantel der nur geglaubten Nachfolge die alten, immer gleichen Wege? Lieben wir, oder glauben wir an die Liebe und bleiben unter dem Deckmantel der geglaubten Liebe die alten Egoisten und Konformisten? Leiden wir mit oder glauben wir nur an das Mitleiden und bleiben unter dem Deckmantel der geglaubten “Sympathie” allemal die Apathischen?

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Der Gipfel der Enttäuschung?

Der Klimagipfel steht offenbar vor dem endgültigen Scheitern und man mag sich gar nicht ausmalen, was das für die Ärmsten der Welt bedeutet – geschweige denn für die Artenvielfalt, die Ausbreitung von Krankheitserregern und Parasiten, lokale Konflikte um Wasser, Flüchtlingsströme und was sonst noch alles als Folge eines globalen Temperaturanstiegs droht, besonders wenn bestimmte Schwellen überschritten und Kipp-Punkte erreicht werden.

Vielleicht ist es ja besser, wenn gar kein Ergebnis herauskommt, als eine maue Absichtserklärung, die die globale Rat- und Tatenlosigkeit nur vertuscht. Dann bleibt die Hoffnung, dass der Druck ausreicht, um bald einen neuen Anlauf zu nehmen.

Ich kann die Wut der Aktivisten verstehen auf den halbherzigen Einsatz vieler Politiker, auf unverbindliche Angebote und Sonntagsreden (auch unter der Woche) und vieles mehr. Sie erinnern mich an die Propheten des Alten Testaments, die den faulen Frieden und das kurzsichtige, größenwahnsinnige Handeln ihrer Könige beklagten, die verdeckten Motive ans Licht zerrten und auf die bitteren Folgen hinwiesen.

Klar kann jeder selbst kleine Schritte gehen und seinen persönlichen Beitrag leisten. Aber vielleicht bleibt uns darüber hinaus nicht viel anderes übrig, als die demonstrative Klage und Trauer im Namen der Opfer, die dieses Versagen fordern wird.

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Gebet für Kopenhagen

Der Gipfel rückt näher, nicht in allen Gemeinden ist das ein Thema. Sollte es aber doch wohl sein. Advent ist immer auch eine Zeit der Umkehr und Selbstprüfung, nicht nur des ausufernden Konsums.
Hier ein schönes, ausführliches Gebet von Brian McLaren zum Mitbeten – wer will, darf es auch gern besser machen:

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Keine Rechnung stimmt mehr…

Eben war ich bei der Grundsteinlegung unseres neuen Stadtteilhauses. Die großen Krisen unserer Zeit kamen alle vor: Würde heute über den Bau entschieden, gäbe es kein Geld mehr für das Projekt. Und der Architekt sagte zu meinem Erstaunen, in der Bauplanung rechne man damit, dass es keinen Winter gebe, der den Baufortschritt hemmt. Ob Kämmerer oder Bauleute: Keiner kalkuliert mehr wie früher.

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Falsch gerechnet

Zum Beginn der IAA und zum Ende der Abwrackprämie heute der passende Kommentar aus einem Interview, das Zeit Online mit Wolfgang Lohrbeck von Greenpeace geführt hat. Status hin oder her – ich fahre nun guten Gewissens den alten (aber sauberen) Peugeot weiter, bis alle Kinder den Führerschein und genug Praxis haben. Und wirklich saubere Autos auf dem Markt sind.

Die Abwrackprämie war eine Katastrophe. Unter dem Strich hat sie keine CO2-Entlastung gebracht. Bei der Produktion eines Autos fällt so viel CO2 an, dass der Neuwagen nur zwei bis drei Liter verbrauchen dürfte, um im Schnitt sauberer als ein Gebrauchter zu sein. Das ist nicht der Fall. Und es geht ja auch nicht nur um CO2. Für die Produktion eines neuen Autos werden zum Beispiel mehrere 100.000 Liter Wasser verbraucht.

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Nachdenklich ins Wochenende

Toleranz war und ist ja in den verschiedensten Zusammenhängen ein heißes Eisen. Ich bereite mich auf einen Abend heute in Pforzheim zu dem Thema vor und bin dabei über diesen Beitrag von Hilal Sezgin in der taz gestolpert, der das Verhältnis des Islam zur Homosexualität beleuchtet. Sezgin bezeichnet sich selbst als postmodern, feministisch und liberal. Auch wenn die Gedanken alle nicht neu sind, ist doch die Haltung angenehm unpolemisch und -dogmatisch. Wenn das Schule machen könnte, wären wir alle einen Schritt weiter.

Die Klimaprognosen verdüstern sich zusehends. Die Nachricht ging zwischen Iran, Air France und Autodämmerung fast unter. Die Implikationen dagegen sind gravierend. Zum Jahrhundertende drohen bis zu vier Grad höhere Durchschnittstemperaturen. Die Bundesregierung war indes merkwürdig still…

Ach ja, es gibt ein Jesus-Phone, und es kommt von Apple. Sagt die FAZ

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Propheten des 21. Jahrhunderts

Die Zeit interwiewt den Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber aus Potsdam. Manches davon liest sich wie ein Gespräch mit dem Propheten Jeremia, nur dass der Feind nicht die Babylonier sind. Denn er sieht, wie seine Zeitgenossen auf eine Katastrophe zusteuern (und sitzt selbst mit im Boot, zumal als Vater eines kleinen Jungen, der gut noch das Jahr 2100 erleben könnte). Er warnt und mahnt, aber das ist alles, was er tun kann. Er beobachtet, wie Menschen die Krise mit Symptomkosmetik behandeln wollen oder komplett ignorieren, wie (von den Mächtigen gut bezahlte) falsche Propheten die Leute beruhigen wollen und zusätzlich Verwirrung stiften. Er weiß, dass sich die Tür für einen Ausstieg aus der Klima-Apokalypse bald schließen wird, und mitten in dem allen hofft er fast schon verzweifelt immer noch selbst darauf, dass er sich täuscht – dass er irgend etwas übersehen hat und es doch nicht so schlimm kommt, wie er jetzt mit guten Grund annimmt.

Ich wollte hier eigentlich ein paar Zitate einfügen, aber es steckt derart viel Sprengstoff in diesem Text, den muss man ganz lesen und sich davon beunruhigen lassen. Der Titel „Manchmal könnte ich schreien“ sagt eigentlich alles.

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Heilige Kühe, äh, Karren

Sind wir Deutschen bald die schlechteren Amerikaner? Die Bundesregierung scheint, von allen guten Geistern verlassen, ernsthaft zu erwägen, Spritfresser steuerlich zu begünstigen:

Internen Berechnungen der Bundesregierung zufolge (…) wären für eine Luxuslimousine vom Typ Audi A8 – mit 4,1-Liter-Maschine und einem Kohlendioxidausstoß von 249 Gramm je Kilometer – vom 1. Juli an nicht mehr 648 Euro Steuern fällig, sondern nur noch 558 Euro. Das Ziel der Steuerreform wäre damit ins Gegenteil verkehrt.

Unter den 10 größten automobilen Klimakillern rangieren die extravaganten Produkte deutscher Konzerne auf den Plätzen 1-3 und 7-10, aber weder Franzosen noch Japaner sind in dieser Liga zu finden. Gleichzeitig kommen neue, beunruhigende Daten von der Klimafront herein und die obskuren Legenden der Klimaverschwörung brechen in sich zusammen, aber vor lauter Sorge um unsere Autobauer nimmt das in Berlin kaum ein Regierender noch zur Kenntnis. Man fragt sich, wie viele Bundestagsabgeordnete einen A8 oder ähnliches fahren…

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Zu kurz gedacht?

Ob man als Landwirtschaftsminister auch Milchmädchenrechnungen lernt? Unser SuperSeehofer setzt sich, wie heute zu lesen war, in einem Brief an die Kanzlerin dafür ein, den Klimaschutz zurückzustellen, um nur ja keine Arbeitsplätze in der Autoindustrie zu gefährden. Klimaschutz ja, aber bitte zum Nulltarif.

Die leidet jedoch nicht unter den Klimaschutzvorgaben, sondern unter der Kreditkrise. Aber die Folgekosten der Klimaveränderung übersteigen die Kosten der Wirtschaftskrise bei weitem. Nur sind sie noch nicht spürbar. In Zukunft werden auch wir Europäer weniger und kleinere Autos fahren. Und klar werden Arbeitsplätze dabei verloren gehen. Die Frage ist nur: wie viele – und wer kümmert sich heute darum, dass an anderer Stelle neue geschaffen werden?

Wenn jetzt die Regierung den Druck von den Autoherstellern nimmt, die zwar noch auf die bankrotten US-Autobauer herabsehen, selbst aber sträflich versäumt haben, den Spritverbrauch ihrer Flotte zu senken, dann werden am Ende Audi und BMW (um mal nur die Bayern zu nennen) wie die Monsterbauer aus Detroit auch nicht mehr zu retten sein. Denn wenn die mal weg sind, baut Deutschland die dicksten Schlitten…

Blog-Tipp zum Thema: Klima der Gerechtigkeit

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Es geht auch anders

Während unsere Po(pu)litiker streiten, ob der stetig steigende Ölpreis mit staatlichen Subventionen abgefedert werden sollte, haben Wissenschaftler schon ganz andere, faszinierende Lösungen für die Energiekrise parat, mit einfacher Technik und Sonnenenergie. Nebenbei könnte, so Spiegel Online, mit Desertec auch das Wasserproblem in Nordafrika und dem nahem Osten damit gelöst werden.

Das Verrückte daran ist: Dass die längst bekannte Solarthermie nicht mehr genutzt wurde, lag schlicht daran, dass Öl zu billig war und es zumindest in den arabischen Staaten immer noch ist.

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Erstens kommt es schlimmer…

Nasse Füße könnte man relativ bald in Küstennähe bekommen, und zwar dauerhaft. Neueste Untersuchungen zeigen, dass an beiden (!) Polen das Eis deutlich schneller schmilzt als die meisten Forscher bisher angenommen hatten.

Grönland-Forscher rechnen mit einem Anstieg des Meeresspiegels, der doppelt so hoch ausfallen könnte wie vom Weltklimarat prognostiziert, bis zu 118 cm im Jahr 2100. Und in der Antarktis hat sich nach aktuellsten Studien nun auch der Gletscherschwund drastisch beschleunigt. Das war in dieser Rechnung wohl noch gar nicht enthalten.

Gut, dass wenigstens die spritfressenden Luxusautos immer mehr in Rechtfertigungsnöte geraten. Wie wäre es eigentlich, wenn sich unsere Zeitungen weigern würden, noch Artikel über Luxusschlitten und Supersportwagen zu publizieren? Dann müssten sich die Konzerne andere Flaggschiffe suchen, mit denen sie imagetechnisch punkten in der Öffentlichkeit, wie die SZ zu berichten weiß:

“Die neuen CO2-Steuern in Spanien und Schweden führen zu einer dramatischen Verschiebung des Käuferverhaltens. Dort entscheiden sich jetzt fünfmal so viel Kunden für einen Kleinwagen”, sagt Alain Visser, “mit den angedrohten CO2-Sanktionen der Europäischen Union wird sich dieser Trend in den nächsten Jahren noch verstärken.”

Ich bin stolz, Europäer zu sein – stolzer, als ich es in dieser Sache auf Deutschland bin…

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Turn or Burn

In Bezug auf das Klima ist dieser Satz ja einigermaßen angebracht. Die Uhr tickt: Wenn in den nächsten acht Jahren keine globale Trendwende kommt, dann wird sich der Temperaturanstieg wohl nicht auf 2 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit begrenzen lassen. Die Konsequenzen könnten verheerend sein, selbst in unseren gemäßigten Breiten. Die letzte Hitzewelle 2003 forderte 35.000 Todesopfer in Europa.

Etwas erschüttert hat mich unsere Video-Umfrage vom Samstag. Leider kann ich sie nicht online stellen (vielleicht geht es wenigstens mit der Tonspur). Viele Leute haben kaum eine Ahnung von den Zusammenhängen und erst Recht keinen Plan, was zu tun ist. Und das trotz der ausführlichen Berichterstattung in den Medien. Kein Wunder, dass unsere Politiker zaudern, wenn das Volk nicht weiß, was es will…

Der Podcast von gestern abend ist hier schon online. Ein Lehrer aus der Region schrieb heute morgen, er wohne zwar 30km weit weg, “aber wenn meine Schüler zu Deinem Gottesdienst führen, würde ich den CO2-Ausstoß sogar befürworten”. Das wäre auch mal eine Studie wert – wieviel CO2 produzieren Christen jede Woche auf dem Weg zu irgendwelchen Treffen?

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