In der Geschichte vom Turmbau zu Babel zeigt sich, wie Gott auf totalitäre Tendenzen imperialer Massenkultur reagiert, indem er eine Vielzahl von Sprachen und Kulturen entstehen lässt. Menschen wollen sich zu übermenschlicher Größe aufschwingen und drohen darüber zu Unmenschen zu werden.
Gott antwortet auf diese Gefährdung der Menschlichkeit, indem er eine unauflösliche Vielfalt schafft. Dass diese Vielfalt gottgewollt ist und kein Produkt bloßer Verlegenheit, zeigt schon die Tatsache, dass der Erzählung vom Turmbau die „Völkertafel“ vorgeschaltet ist, die diese Vielfalt für die damals bekannte Welt beschreibt und erläutert und die unterschiedlichen Sprachen, Kulturen, Länder und Völker in einen Verwandtschaftszusammenhang stellt.
Die gern gebrauchte Differenzierung Pluralität (= gut) und Pluralismus (= schlecht, weil „-ismus“) geht hier also nicht so richtig auf, denn Gott scheint die Vielstimmigkeit und Fragmentierung offenbar nicht einfach nur hinzunehmen, er wollte es tatsächlich so. Gott ist so gesehen ein bewusster Pluralist und widersetzt sich allen Tendenzen zur Uniformierung, Assimilierung und Homogenisierung menschlicher Gesellschaften.
Wenn das stimmt, warum haben eigentlich so viele Leute Angst vor dem Pluralismus, der ja in unserer heutigen Situation als eine Reaktion auf die totalitären Systeme und Ideologien des 20. Jahrhunderts entstand, also wieder der Begrenzung menschlichen Gewaltpotenzials dient? Dass er gewisse Schwierigkeiten mit sich bringt und unsere komplexe Welt noch unübersichtlicher macht, liegt ja auf der Hand. Dass er möglicherweise weit größere Schwierigkeiten abwendet, daran erinnert uns Genesis 11.