Beflügelnde Begegnung

Ein Jahr lang sind wir in dieselbe Schule gegangen, ich in die fünfte und er in die zehnte Klasse. Als „Frischling“ habe ich die Großen damals nur aus schüchterner Distanz bestaunt. Kennengelernt haben wir uns nun 39 Jahre später, als Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm am Samstag mit uns Gottesdienst feierte. Und das fand wieder in einer Schule statt.

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Den Talar ließ der Bischof im Koffer, zwei Bewegungslieder machten ihm keine Mühe und bei den Fürbitte-Gebeten in kleinen Gruppen saß er, ehe ich mich versah, mit drei Jugendlichen ganz vertieft auf dem Fußboden – keine Spur von Distanz oder Herablassung, die sogar bei einfachen Amtsträgern gelegentlich vorkommt. Da war ich dann einen heiligen Moment lang wirklich sprachlos.

In seiner Predigt über das Jesuswort vom alten Wein in der alten Schläuchen und dem neuen Wein in den neuen warb er für ein gutes Miteinander ohne Abwertung und Konkurrenz, und sprach auch die Probleme an, die entstehen, wenn alt und neu zusammentreffen. Da konnte ich gut mit, es deckt sich mit meinen Erfahrungen. Und es passt wunderbar zum Konzept der Mixed Economy, das die Anglikaner und ihre Partner bei den Fresh Expressions betonen (in Norddeutschland ist daraus ein Mischwald geworden). Darüber haben wir im Anschluss auch noch kurz gesprochen, im strukturkonservativen Bayern stecken solche Überlegungen bislang in den Kinderschuhen.

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Denn wenn wir heute nicht darüber nachdenken, wie wir den neuen Wein lesen und lagern (gestern bin ich durch Iphofen geradelt, da ist der neue Wein gerade in aller Munde und bringt Menschen ziemlich in Bewegung), dann haben wir irgendwann keinen reifen, alten Wein mehr (und – auch wenn Jesus es nicht ausdrücklich erwähnt, es steckt ja im Bild –manchmal liegt auch ein reifer Wein schon länger im Keller, als ihm gut tut).

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Drei Themen haben mich aus dieser Begegnung mit dem Landesbischof besonders bewegt: Er redet erstens mit Begeisterung. Der Geist Gottes spielt für ihn eine wichtige Rolle – im Leben der einzelnen und der Gemeinden. Wir haben auch kurz darüber gesprochen, welchen Stellenwert der Heilige Geist in der aktuellen ökumenischen Missionstheologie spielt. Unsere Jugendlichen schließlich fragten nach seinem Lieblingsvers aus der Bibel und er antwortete mit 2.Kor 3,17: Der Herr aber ist der Geist, und wo der Geist des Herrn wirkt, da ist Freiheit.

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Aus dieser Freiheit des Geistes wächst der – im besten Sinne „missionarische“ – Impuls, auf andere zuzugehen, mit ihnen die Schätze des Glaubens zu teilen, für das Leben mit den menschenfreundlichen Gott zu werben. Aus Freude, und nicht etwa aus Höllenangst und Pflichtgefühl, oder wie es Fulbert Steffensky einmal sagte: „Mission heißt zeigen, was man liebt.“ In der Predigt vom Samstag kam das schön zum Ausdruck und mischt sich mit dem dritten Impuls, Menschen mit weitem Herzen zu verbinden und das Denken in kleinen Karos, Konkurrenz und Konfrontation zu überwinden:

Es ist egal, ob ihr alte Schläuche nehmt oder neue Schläuche nehmt, aber lasst den Wein des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung durchfließen! Lasst ihn überfließen, dass alle davon kosten können! Lasst die Kleinen und die Großen davon kosten! Lasst die Armen und die Reichen davon schmecken! Lasst die Traurigen und die Frohen sich daran laben! Schickt niemanden weg, auch wenn er keine Ahnung hat, wie man den Schlauch anfasst! Und: bleibt beieinander! Gönnt euch einander! Wachst über euch hinaus und geht in die Welt und seid Salz der Erde!

Alle Rückmeldungen, die ich in den letzten Tagen bekommen habe, zeugen davon, dass diese Botschaft große Zustimmung findet, und dass diese Vision einer Kirche, die Gott und der Welt aktiv zugewandt ist, für ganz viele anschlussfähig ist.

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2 Antworten auf „Beflügelnde Begegnung“

  1. Ganz zurecht wird ja Herr Bedford-Strohm als aussichtsreicher Kandidat für den EKD-Ratspräsidenten gehandelt. Leider hat er sich ja als Mitautor der EKD-Denkschrift »Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive« aus dem Jahre 2008 den Vorwurf eingehandelt sich für eine neoliberalen Wende der EKD auszusprechen und sich »der mächtigsten Klasse des herrschenden Systems« anzubiedern.
    Auch wenn die Kritik – es gibt darüber ein ganzes Buch – in manchen Punkte überzogen sein mag, wäre eine kritischere Haltung zu den herrschenden neoliberalen Marktsystem wünschenswert und auch möglich gewesen.
    Da sind die klaren Stellungnahmen des neuen Katholischen Oberhauptes „Diese Wirtschaft tötet“ wesentlich hilfreicher.

    1. Vielleicht hat sich in den 6 Jahren seither ja auch in der EKD noch etwas bewegt. Wäre zumindest schön, und mit so viel Rückenwind aus Rom auch nicht so schwierig…

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