Irische Impressionen (1): Jugend und Abenteuer

Gestern kam ich von einem kurzen Trip nach Irland zurück. Das Wetter dort war offenbar deutlich besser als hier. Ich bin immer noch dabei, die Eindrücke zu sortieren. Dies hier ist der Beginn, Fotos kommen auch noch.

Gegen Irland wirken wir wie ein großes Seniorenheim. 50% der Leute dort sind unter 30, sagte mir jemand. Und genau so wirkt es, wenn man sich auf der Straße bewegt und die Leute ansieht. Ganz zu schweigen von Dublins “Temple Bar” mit den vielen abgefahrenen Szenekneipen. Aber selbst in der Provinz fühlt es sich anders an.

Straßenverkehr mag ein Indiz dafür sein, dass das Leben mehr als Abenteuer verstanden wird. Selbst als geübter Linksfahrer steht man ständig vor Herausforderungen oder wird zum Selberdenken gezwungen – etwa durch frei laufende Schafe und Hunde, dehnbare Angaben auf Verkehrsschildern wie “Slow” und verschärft “Very Slow”, oder “Dangerous Bridge” und “Acute Bend”. Wer durchkommt, hat es richtig gemacht, wer nicht, ist selber schuld. Wozu Stoßdämpfer da sind, versteht man auch erst richtig nach ein paar Tagen auf den Landsträßchen dort.

Die Iren denken positiv. Der Wetterbericht nannte die zähe Bewölkung, die gelegentlich einzelne Strahlen erahnen ließ, als “hazy sunshine”. Einfach liebenswert und sehr wohltuend für teutonische Grübler. 🙂

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Evangelikal UND Intellektuell?

Im aktuellen Aufatmen-Heft schreibt Markus Spieker unter dem Titel “Tiefgang und Testosteron” (bitte – geht es denn hier nur um Männer?) unter anderem davon, dass der deutsche Evangelikalismus durch eine geistige (nicht geistliche) Enge bei christlichen Intellektuellen für lange Gesichter sorgt und am Glauben interessierte (noch-nicht-christliche) Intellektuelle kaum noch erreicht. Da hat er wohl Recht.

Noch nachdenklicher hat mich gemacht, dass etwas später eine Liste geistig-geistlicher Vordenker und Vorbilder folgt (Pascal, Kierkegaard, C.S. Lewis, Bonhoeffer), von denen auch noch extra vermerkt wird, dass sie keine Evangelikalen seien. Was zu der Frage verleitet, ob intellektuelle Impotenz (ah, deswegen “Testosteron”?) schon in der Genetik der Bewegung verankert liegt.
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Erleichterung

Ich war wohl schon lange nicht mehr so nervös wie die Tage vor unserem “LebensAIR” am Entlas-Keller auf dem Erlanger Bergkirchweihgelände. Es war das erste Mal Open Air für LebensART, der Wirt kannte uns noch nicht und umgekehrt. Zwei Tage zuvor war nur wenige Kilometer entfernt an einem Forchheimer Bierkeller ein Mann im Unwetter von einem Ast erschlagen worden.

Und dann passte doch so ziemlich alles. Das Wetter hätte nicht besser sein können: Trocken, sonnig und nicht zu heiß. Die Entscheidung unserer Techniker und Band, auf die Bühne neben dem Keller auszuweichen, war goldrichtig, ebenso wie die, das mühsam geprobte Theaterstück zugunsten von Arnos Luftballons und Mr. Bombastic zu tauschen. Es war eine sehr fröhliche und lockere Atmosphäre.

Thema war “die unerklärliche Leichtigkeit des Seins”. Da hat es auch einen Bezug zum Inhalt, mit technischen Pannen gelassen umzugehen (Kompliment an die Band!). Ohne Beamer und daher ohne Videos und Keynote-Präsentationen (sozusagen “unplugged”) zu sprechen war auch eine nette Herausforderung.

Viele Biergartengäste blieben sitzen und hörten zu und es kam freundliches Feedback, nicht zuletzt auch vom Hausherrn selbst, was uns Mitwirkende alle ganz besonders gefreut hat. Es war den Aufwand und die Anspannung wert. Denkbar also, dass wir es im nächsten Sommer wieder wagen.

Fotos gibts übrigens hier.

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Denk-Würdig

Und daher ohne Kommentar dieses Zitat von Milan Kundera:

Wer glaubt, die kommunistischen Regimes in Mitteleuropa seien ausschließlich das Werk von Verbrechern, dem entgeht eine grundlegende Wahrheit: die Verbrecherregime wurden nicht von Verbrechern, sondern von Fanatikern geschaffen, die überzeugt waren, den einzigen Weg zum Paradies gefunden zu haben. Diesen verteidigten sie vehement und brachten dafür viele Menschen um. Später stellte sich dann heraus, dass es kein Paradies gab und die Fanatiker folglich Mörder waren.

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Predigt-Dia(B)log

Am vergangenen Sonntag hatte ich das Vergnügen (das war es wirklich), mit Michael Schalles aus der FeG Erlangen beim gemeinsamen Open Air Gottesdienst über eine der abgefahrensten Geschichten zu predigen, die ich in der Bibel kenne. Das Beste an der ganzen Predigt waren aber unsere Gespräche in der Vorbereitung. So viele spannende Details fanden ihren Weg gar nicht in die Predigt, die sich naturgemäß auf wenige griffige Punkte beschränken musste. Also werden wir hier das Gespräch noch einmal neu führen. Hier nun erst mal der Text („Einheiz-übersetzung“ ;-)) für alle, die es interessiert, geht es dann in dem Kommentaren weiter:

Als Elischa von der Krankheit befallen wurde, an der er sterben sollte, ging Joasch, der König von Israel, zu ihm hinab. Er weinte vor ihm und rief: Mein Vater, mein Vater! Wagen Israels und sein Lenker! Doch Elischa befahl ihm: Hol einen Bogen und Pfeile! Er holte sie herbei. Dann sagte Elischa zum König von Israel: Leg deine Hand auf den Bogen! Da legte er die Hand auf den Bogen, Elischa aber legte seine Hände auf die Hände des Königs. Hierauf sagte er: Öffne das Fenster nach Osten! Der König öffnete es und Elischa forderte ihn auf zu schießen. Als er abschoss, rief Elischa: Ein Siegespfeil vom Herrn, ein Siegespfeil gegen Aram. Du wirst Aram bei Afek vernichtend schlagen.
Weiter sagte er: Nimm die Pfeile! Als der König von Israel sie genommen hatte, befahl ihm Elischa, auf den Boden zu schlagen. Der König tat drei Schläge und hielt dann inne. Da wurde der Gottesmann unwillig über ihn und sagte: Du hättest fünf- oder sechsmal schlagen sollen; dann hättest du die Aramäer vernichtend geschlagen. Jetzt aber wirst du sie nur dreimal schlagen. (1. Kön 13,14-19)

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Störende Propheten

In The Shaping Of Things to Come haben Alan Hirsch und Michael Frost sich Epheser 4,11f vorgenommen und erfrischend neue Begriffe für die Funktionen erfunden, die sonst allzu schnell als Titel mit steilem Anspruch daherkämen. Der Prophet wird bei ihnen zum “questioner” und “disturber” (der Lehrer dagegen zum “systematizer” und “philosopher”).

Wenn man das im Kontext von Walter Brueggemanns These sieht, dass die Aufgabe des Propheten – nicht nur im alten Testament – darin besteht, einen befreienden Bewusstseinswandel zu schaffen, im Namen der Freiheit Gottes Systeme und Gedankengebäude zu untergraben, die sich selbst dienen (es also mit Betriebsblindheit und festgefahrenem Denken in “Sachzwängen” aufzunehmen), dann wird noch deutlicher, dass die beiden tatsächlich dem Nagel auf den Kopf getroffen haben.
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Leben mit der Bombe?

Johann Christoph Arnold vom Bruderhof hat in the ooze einen lesenswerten Artikel über die wachsende Angst nach den Bombenanschlägen in London (und inzwischen auch Sharm el Sheik) geschrieben.

Ein Kernsatz lautet: “Die biblische Geschichte zeigt, dass immer dann, wenn wir denken, wir hätten die Antworten, und versuchen, die Ereignisse der Welt in die Hand zu nehmen, sich Gott von uns zurückzieht.” Das ist erfrischend anders als die brisante Mischung aus Patriotismus und Religion, die bei ähnlich tragischen Anlässen auch schon bemüht wurde.

Im Übrigen beeindruckt mich die ruhige Gelassenheit (oder der Friede und die Zuversicht), die Arnolds Zeilen ausdrücken, mehr als das brüchig-trotzige “jetzt erst recht” mancher Leute, das die Medien in letzter Zeit transportiert haben. Hier hat einer tatsächlich keine Angst vor dem Tod und daher keine Angst vor dem Terror. Die Trotz-Partys haben doch irgendwie auch ein Moment von Verdrängung, scheint mir.

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Christlicher Relativismus?

Ken Wilber hat zum Stichwort “Boomeritis” herausgestellt, wie leicht sich narzisstisches, egozentrisches Verhalten hinter (postmoderner?) Relativierung absoluter Normen und Autoritäten verschanzt. Dabei werden diese Normen und Autoritäten unter den (ja eben nicht immer ganz unbegründeten) Verdacht gestellt, sie festigten die herrschenden Machtverhältnisse und nutzten den Eliten, die den Rest der Gesellschaft unterdrücken.

Erschwerend kommt hinzu: Wenn tatsächlich alles total relativ wäre (so denken allerdings doch die Wenigsten), dann bleibt tatsächlich nur die fühlbare Konstante der eigenen Wünsche, Bedürfnisse und Antriebe. Ich glaube, dass deshalb die Relativierung des eigenen Ego nicht zu trennen ist von der Relativierung der herrschenden Mächte in der Gesellschaft.
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Fromme Feigenblätter

Vor einiger Zeit war ich bei einer größeren Festivität eingeladen. Es war ein würdiger Rahmen (leider kein Sekt, das blaue Kreuz war mit von der Partie). Viele wichtige Leute hielten gewichtige Reden, streckenweise auch interessant. Leider alles Männer.

Aber dann kam der Moment, als eine gigantische Torte angeschnitten wurde und einer der Verantwortlichen die Gelegenheit beim Schopf ergriff, die Frauenquote über 0% zu heben und sich die Gattin eines der wichtigen Redners zum Anschneiden der Torte heraussuchte. Ich war sprachlos.

Ich bin sicher, der Schritt war spontan und in diesem Sinne unüberlegt. Ich bin sicher, beim nächsten größeren Anlass werden die Frauen Reden halten und ein Mann muss (Pardon: darf) die Torte anschneiden.

Ich bin kein Fan von Quoten und Proporz. Aber manche Feigenblätter machen die Blöße, die wir uns geben, erst so richtig offensichtlich…

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Gurus, Mentoren und transformatorisches Lernen

Nächsten Samstag wirke ich bei einem Seminar zum Thema “Mentoring” mit und bin mitten in den Vorbereitungen. Dabei bin ich auf einen Artikel von Elizabeth Debold zur Zukunft der Schüler-Lehrer-Beziehung gestoßen. Vielleicht ist er um so interessanter, als ihm der christliche Hintergrund völlig fehlt. Sie setzt sich engagiert und detailliert mit dem Buch “Do you need a Guru?” von Mariana Caplan auseinander. Caplan beschäftigt sich ihrerseits mit der Autoritätskrise östlicher Spiritualität nach den Guru- und Sektenexzessen des 20. Jahrhunderts (zu denen es wenigstens weitläufige Parallelen in verschiedenen christlichen Strömungen gab).

Die Lehrer-Schüler Beziehung als der wichtigste Kontext für echte Transformation – also ein Lernen, das die Person verändert und nicht nur ihren Kenntnisstand – hat im letzten Jahrhundert durch den beispiellosen Vertrauensschwund in so gut wie alle Autoritäten (beziehungsweise deren Integritätsverlust) schwer gelitten. Bezold meint “wir sind zu aufgeklärt, um die Rolle des Abhängigen in einer autoritären Beziehung anzunehmen. und nur allzu oft ist der Wunsch nach einem Lehrer tatsächlich mit all unseren anderen Motivationen vermischt, welche mehr mit Bequemlichkeit und Trost zu tun haben als mit echter Transformation.”
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Orale “Potenz”?

Neulich kam eine der verbreiteten Viagra-Spams mit der netten Formulierung “oral potency pill”. Das wäre eine wesentlich interessantere Variante des Präparats. Zu klären wäre, ob orale Impotenz darin besteht, dass man nichts zu sagen hat oder es nicht in (die richtigen) Worte fassen kann?

Jedenfalls gäbe es einen Markt für die Pillen: “In 30 Minuten zum Power-Prediger”. “Reden Sie Stunden ohne dass ihre Zuhörer einschlafen oder wegbleiben.” Nicht nur Prediger, auch Wahlkämpfer würden sich damit dopen. Wenn keine Kontrollen eingeführt werden! Was, wenn Oskar Lafontaine oder Guido Westerwelle positiv getestet würden? Folgt dann die Disqualifikation bei positiver B-Probe?

Bei Gregor Gysi glaubt niemand, dass er das nötig hätte. Er muss auf seine Gesundheit achten und es könnte mit den Nebenwirkungen Probleme geben. Über die zu spekulieren wäre auch noch spannend.

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Nichts zu verschenken?

Letzten Sonntag habe ich eine sehr inspirierende Predigt über Jesaja 56 gehört, zum Thema Barmherzigkeit. Am Ende stand mir wie aus dem Nichts der Satz vor Augen “Wir haben hier nichts zu verschenken”. Hier treffen sich das Judentum des 5. Jahrhunderts vor und Deutschland im 21. Jahrhundert nach Christus: Man muss nur die Zeitung aufschlagen oder die Nachrichten anschalten. Ganz zu schweigen vom gewaltigen Appell der Live8 Konzerte (auch wenn offenbar nicht jeder den Akteuren oder dem Publikum uneingeschränkte Ernsthaftigkeit unterstellen möchte und Alibi-Aktionen oder Trittbrettfahrer vermutet). Dabei geht es für uns nicht alleine um Geld und Status (die Verengung ist schon Teil des Problems), sondern auch um Anteilnahme, Zeit zum Zuhören, Geduld, Privilegien und vieles andere.
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Keine Kinder für Babylon?

Irgendwie werde ich das Thema nicht los und fange wohl erst langsam an zu verstehen, warum das so ist. Walter Brueggemann hat eine spannende Beobachtung zu den Ursachen unserer krassen demographischen Entwicklung gemacht. Für ihn hat es mit der Abstumpfung und der Hoffnungslosigkeit zu tun, die Wohlstand und Konsumgesellschaft in unserem Bewusstsein hinterlassen. Im Umkehrschluss bedeutet das, es braucht mehr als magere finanzielle Anreize, sondern eine durchschlagende Vision und Botschaft der Hoffnung, wenn sich etwas ändern soll:

Der Begriff der Unfruchtbarkeit kann als Zustand der Verzweiflung in unserer Gesellschaft verstanden werden. So wird beispielsweise “Eunuchen” beiderlei Geschlechts ihr Mannsein und Frausein genommen durch den Druck und die Forderungen der Firma, der Akademie oder der Gemeinde. Tatsächlich wird deutlich, dass Professoren und Pfarrern ihre Energie und Familienleben ebenso effektiv genommen wird, wie denen in der Wirtschaft. Sie haben keine ausreichende Energie um schwanger zu werden oder zu zeugen, und wer will schon neue Kinder für Babylon gebären? Unsere geschichte beginnt immer mit der Unfruchtbaren, mit Sara (Gen 11,30), mit Rebekka (Gen 25,21), mit Rahel (Gen 29,31), mit Hanna (1. Sam 1,2) und mit Elisabeth (Luk 1,7). Ihnen, immer so gut wie tot (Hebr 11,12), wird das wunderbare Geschenk zuteil.

Das Unvermögen ein Kind zur Welt zu bringen ist eine merkwürdige Sache und wir wissen, dass bei all unserer Wissenschaft die Gründe meistens historische, symbolische und zwischenmenschliche sind. Es ist oft eine Nachricht – gute Nachricht, Doxologie – die die neue Zukunft in Kraft setzt und die neue Energie um zu gebären.

(The Prophetic Imagination, S. 75)

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Galaktischer Film

Aus einem Kultbuch könnte ein Kultfilm werden: Gestern habe ich Douglas Adams‘ “Per Anhalter durch die Galaxis” gesehen. Eine wunderbar schräge Geschichte genial in Bilder umgesetzt, auch dank Aliens aus Muppet-Vater Jim Hensons Werkstatt.

Ganz nebenbei zeigt sie, dass etliches, was heute unter Postmoderne diskutiert wird, schon über 25 Jahre alt ist: Beißender Spott über die Industriegesellschaft (und ihre Umgehungsstraßen), über technischen Fortschritt (Roboter Marvin, der menschliche Psyche simuliert und depressiv wird), über die eine letzte Antwort auf alle Rätsel der Welt, die zwar existiert (typisch modern-reduktionistisch gedacht: eine Zahl), aber niemand kennt die entsprechende Frage dazu. Verkündet wird sie von einer Mischung aus Computer und Buddha-Statue. Weltformel ade.

Kleine theologische Fußnote: Dan Kimball zitiert in “The Emerging Church” Dan Allenders Aussage auf einem Willow Creek (!) Leadership Summit: “Wir sind an Prinzipien orientierte, linear und in Vereinfachungen denkende Menschen, denen Antworten wichtiger sind als Jesus Christus selbst.”

Bingo, Douglas!

Am Ende kehrt Arthur Dent zurück in “sein” Haus, alles sieht aus wie vorher und ist es doch nicht. Die Realität ist nur eine dünne, brüchige Oberfläche. Was wirklich zählt, sind Freunde. Hinterher kann man noch stundenlang nachdenken und darüber reden, was diese oder jene Szene vielleicht alles andeuten wollte. Wirklich sehenswert. Oder gleich das Buch? Die englische Hörbuchvariante, gelesen von Steve Fry, ist auch eine schöne Alternative.

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