Augen auf im “Lobpreis”

Mag sein, dass ich der letzte bin, bei dem dieser Groschen fällt. Gestern habe ich mir Gedanken gemacht über unsere Art von “Lobpreis”. In den letzten Wochen haben ganz verschiedene Leute ihre Unzufriedenheit ausgedrückt: Den einen ist es nicht begeisternd genug, die anderen stöhnen über die Passivität (oder Konsumhaltung?) vieler Gottesdienstbesucher. Ich frage mich, ob wir aus dem alten Kittel herausgewachsen sind und noch keinen passenden neuen haben.

Es fängt schon mit dem Wort an, das nicht zu passen scheint, weil es in unserer “normalen” Sprache nicht vorkommt. Ich finde es interessant, wie sich unsere Moderatoren und Lowpricelighter plagen, das Konzept in verständliche Sätze zu packen. Vielleicht liegt es nicht an ihrem fehlenden Sprachvermögen, sondern an der Sache? Dass wir nicht genau sagen können, was wir da machen, weil wir es selbst nicht wissen?

Vielleicht brauchen wir uns gar nicht zu wundern. Wir können Woche für Woche über Gottes Wirken im Alltag predigen, aber wenn unser “Lobpreis” immer nur auf Gottes Gegenwart im Gottesdienst abhebt und den Alltag dabei ausdrücklich ausblendet, spricht das eine noch deutlichere Sprache darüber, was wir wirklich glauben. Die eigentliche Aufgabe eines Gottesdienstes wäre also, die Gemeinde für Gottes Nähe und Wirken im ganzen Leben zu sensiblisieren, dann auf einmal sehen wir es auch im Gottesdienst. Umgekehrt wird es nicht funktionieren. Wir erzeugen bestenfalls eine flüchtige Illusion, die am Montag morgen schon wieder futsch ist.

Das Schließen der Augen (durchaus sinnvoll in mancher Hinsicht) versinnbildlicht das Dilemma: Wir konzentrieren uns frei nach Augustinus auf “Gott und die Seele”. Dabei übersehen wir, dass wir in einem Geflecht von Beziehungen leben und darin Gott mindestens so sehr erfahren, wie wir es (wenn es denn geschieht) “direkt” tun. Die meisten Gemeinden brauchen Sehhilfen, keine geschlossenen Augen. Auf Gott zu schauen bedeutet nicht unbedingt, von allem anderen abzusehen, sondern vielleicht einfach besser hinzusehen.

Von daher müssen wir die Frage nach den geeigneten Mitteln stellen. Viele Lieder transportieren unterschwellig die alte Trennung geistlich/weltlich. Sie beschreiben mit etwas Glück noch Gottes Gegenwart in der Schöpfung, aber nicht mehr im Alltag – der uns zugegebenermaßen überwältigen und jedes Gespür für Gott ersticken kann. Kann, aber nicht muss…

Aber wir brauchen nicht nur passende Lieder und Musik. Die Bezüge können auch anders hergestellt werden. Neulich haben wir “History Maker” von Delirious mit Bildern vom Rathaus, Siemens etc. unterlegt und auf einmal war es eine ganz andere Sache, die vertrauten Worte zu singen. Wie wären Collagen aus Zeitungs- und Bibeltexten? Im “alten Denken” unterbrechen sie nur die Andacht. Wie können wir das alte, oft auch mal peinliche “Zeugnisgeben” (“ich habe für einen Parkplatz gebetet und habe ihn bekommen”) so anpassen, dass es neue Horizonte öffnet?

Wer von Euch bis hierher durchgehalten hat beim Lesen (Glückwunsch!): Was fällt Euch dazu ein? Lasst uns mal Ideen sammeln und ausprobieren. Es kann auf lange Sicht nur besser werden, selbst wenn wir in der Zwischenzeit etliche Sackgassen erkunden und viel versprechende Neuerungen wieder verwerfen sollten.

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3 Antworten auf „Augen auf im “Lobpreis”“

  1. Hi Peter,
    ein starker Beitrag mit einem starken Satz: „Die meisten Gemeinden brauchen Sehhilfen, keine geschlossenen Augen.“

    Die Tatsache, dass wir meinen, wir müssten die sichtbare Welt ausschließen (und sei es nur optisch durch den Augenschluss), um Gott zu begegnen, zeigt, dass wir oft den Gott preisen, den wir uns wünschen, nicht den, den wir schon wirklich ergriffen haben. Den Gott, den man wirklich hat, verliert man nicht im Alltag.

    Einige meiner intensivsten Momente mit Gott habe ich in öffentlichen Nahverkehrsmitteln. (Gelegentlich fahre ich einfach nur so in meiner Stadt rum, weil ich ihr nahe sein möchte.) Manchmal ergreift mich das Glück, mitten in unserer Welt Gott kennen und mit ihm unterwegs sein zu können.

    Oder ich schau mir Leute an, mit der inneren Erwartung, dass Gott mich etwas von dem spüren lässt, was er für diese Menschen empfindet. Das kann wie eine Offenbarung sein, wenn ich einen Eindruck davon bekomme, was aus diesen Menschen werden könnte, wenn sie nur in Gottes Bestimmung fänden. Ich sehe nicht mehr kaputte oder gestresste oder oberflächliche Typen, sondern Anbeter, Propheten, Evangelisten, kreative Leute oder Kämpfer für Gerechtigkeit in spe.

    So habe ich manchmal den Eindruck, draußen der Liebe Gottes näher zu sein als drin.

    Augen auf,
    Haso

  2. Hallo Peter,

    du hast geschrieben:
    „Die eigentliche Aufgabe eines Gottesdienstes wäre also, die Gemeinde für Gottes Nähe und Wirken im ganzen Leben zu sensiblisieren, dann auf einmal sehen wir es auch im Gottesdienst.“ Das stimmt meiner Meinung nach absolut und es ist interessant, dass wir im Moment bei uns im Jugend-Rat auf einer ganz ähnlichen Spur sind. Auch bei uns gibt es mehr und mehr das Problem, dass man sich wieder in die eigenen „heiligen“ Hallen zurückzieht und die Augen schließt (das kann die Kirche oder man selbst sein). Und ohne Bezug zum Alltag wird der Lobpreis irgendwie leer bzw. auch aufgesetzt. Ein kleiner Lichtblick war nur das Adventssingen meiner Jugendlichen im Altenheim -> auf einmal war vielen wieder klar, was Gott meint, wenn er sagt, … das was Ihr einem dieser geringsten getan habt, das habt ihr mir getan. Und auf so etwas kann man dann auch wunderbar im Gottesdienst / Andacht wieder Bezug nehmen. Ich glaube, ein Teil der Lösung des Problems „Alltagsbezug des Glaubens“ ist so einfach, dass es uns fast schon wieder Angst macht. Is nur so eine Idee, aber das diakonische Handeln war schon immer ein gutes Mittel, um Gott real und nachhaltig zu begegnen. Und Menschen, die Hilfe brauchen, gibt es ja auch in Erlangen genug :-)!

    Liebe Grüße von Stephan

  3. Hi zusammen,

    danke für die guten Gedanken!

    Heute nachmittag habe ich wieder ein Kapitel bei Gibbs/Bolger gelesen. Sie zitieren Paul Roberts aus Bristol: „Im charismatischen Lobpreis wird Gott außerhalb des Natürlichen (physical domain) lokalisiert. Daher konzentriert sich charismatischer Lobpreis so auf das ekstatische Erleben. Im Unterschied dazu lokalisiert „alternative worship“ Gott wieder im Natürlichen, so dass Gott erleben bedeutet, ihm in und durch die geschaffenen Dinge um uns her zu begegnen – in Symbolen, Bildern und Sakramenten.“

    Und Simon Hall aus Leeds sagt, es sei ihre Aufgabe, „die charismatische Flucht aus der Wirklichkeit“ zu verhindern – Leute über ihr Leben singen zu lassen, statt zu erlauben oder zu erwarten, dass sie es verdrängen.

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