In einer der Parkanlagen, die sich entlang der Isar erstrecken, stand ich letzte Woche vor einem Baum, an dem mehrere Nistkästen angebracht waren. Das besondere war, dass sie alle aussahen, wie alpenländische Holzhäuser (oder waren sie in einem früheren Leben Kuckucksuhren?) – jedenfalls war bei allen Häuschen ein Gartenzaun aufgemalt.
Nun stellt ein Zaun für Vögel kein Hindernis dar, die Bemalung war im Blick auf die Bewohner dieser Häuser völlig sinnlos. Doch offenbar konnte sich der Mensch, der sie hergestellt hatte, eine Welt ohne Zäune nicht vorstellen. Man muss sein Territorium doch gegen Eindringlinge schützen, also verschließt man nicht nur die Haustür, sondern man errichtet schon an der Grundstücksgrenze eine Barriere.
Wir Menschen sind schon seltsame Wesen, dass wir dieses Bedürfnis, Zäune und Mauern zu errichten, auch noch auf Vögel projizieren, statt uns von ihnen den Wunsch nach einer Welt abzugucken, die ohne solche Barrieren auskommt. Sind nicht wir die wahren „Zaunkönige“?
In diesen Tagen erinnert sich Deutschland an den Mauerfall. Wladimir Kaminer schreibt dazu heute:
Wenn ich auf mein Leben zurückblicke, war es ein ständiges Suchen nach einem Loch im Zaun oder nach einem Türchen in einer Mauer. Das möchte ich meinen Kindern ersparen, sie sollen in einer Welt ohne Mauer und Zäune leben.
Die Mauer in Berlin ist weg, aber an so vielen anderen Orten wurden und werden seither neue Mauern gebaut. Jedes ernsthafte Gedenken des Mauerfalls muss sich die Frage stellen, ob wir das einfach so hinnehmen dürfen, und was ein Leben ohne Mauern uns an schmerzhafter Konfrontation mit uns selbst und anderen zumutet. Oder anders gefragt: Was können wir von den Vögeln am Himmel lernen, die uns Jesus ja schon in der Bergpredigt als geistliche Begleiter an die Seite gestellt hat?