Die christliche Kirche hat ihren tiefsten Sinn, der sie von der jüdischen Gemeinde u n d dem kommenden Reiche abhebt, eben darin, dass in ihr die Gaben des Reiches schon da sind, ohne dass das Reich selbst, die verwandelte Erde und die Herrschaft Gottes auf ihr, schon da wären. Die Geistbegabung ist also die Vorwegnahme eines endzeitlichen Ereignisses … und weist so immerzu auf das Reich hin!
[…] Es ist an Ostern und Pfingsten eine Wende vollzogen, die schon vor der letzten Ankunft Christi Entscheidendes erkennbar werden lässt. Die Gemeinde Jesu ist nicht in dem Sinne die Fortsetzung der jüdischen Gemeinde, dass auch sie nur in der Enderwartung stünde, nur gestärkt durch einen neuen Zeugen, nur erneuert im alten Glauben. Sie ist „neue“, das heißt aber schon mit einem Fuß auf Reichsboden stehende Gemeinde dadurch, dass sie die Gabe des neuen Aeons, den Geist, besitzt.
Ernst Gaugler, Der Brief an die Römer, Band I, Zürich 1958, 255ff.