Aufklärung, wie sie gerade auch die deutsche Philosophie gelehrt hat, würde heißen, die eigene Weltanschauung zu relativieren und also im eigenen Handeln und Reden immer in Rechnung zu stellen, dass andere die Welt ganz anders sehen: Ich mag an keinen Gott glauben, aber ich nehme Rücksicht darauf, dass andere es tun; uns fehlen die Möglichkeiten, letztgültig zu beurteilen, wer im Recht ist. Aufklärung ist nicht nur die Herrschaft der Vernunft, sondern zugleich das Einsehen in deren Begrenztheit.
31 Antworten auf „Weisheit der Woche: Aufklärung und Vernunft“
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Jep!
Hier irrt Kermani. Als gläubiger (wenn auch secularer) Moslem, kann er „Aufklärung“ ja nur in den religiösen Kontext setzen und muss zwangsläufig „über die Vernunft hinaus“ argumentieren.
Die allgemein anerkannte Definition der Aufklärung lieferte Immanuel Kant im Aufsatz „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“ mit:
„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Muth, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“
Die Diskussion „wer im Recht sei“ (Gläubige der Religion X oder Y oder Z oder die Nichtgläubigen) ist ohnehin müßig, weil die Axiome unvereinbar sind.
Nichtgläubige sind Rationalisten, die Beweis, Wahrscheinlichkeitsrechnung und Logik fordern. Gläubige können da nicht mithalten und weichen dann meist ins philosophische aus. Das ist alles meist recht langweilig.
Interessant und wichtig wird es nur, wenn sich die Frage der Rolle der Religion in der Gesellschaft stellt: Trennung von Staat und Kirche, Blasphemie, Beschneidung etc.
Frank, ich staune immer wieder über das gewaltige … Selbstbewusstsein, das da aus Deinen Zeilen spricht – hier das Reklamieren der Rationalität für die „Nichtgläubigen“, so dass religiöse Menschen da „nicht mithalten“ können. Dabei gehen Dir schon die Begriffe für Kermani heillos durcheinander. Ist der nun säkular (dann teil er ja „Deine“ Form der Rationalität) oder religiös? Unter der Hand misst Du eben doch alle anderen an der Elle Deines Weltbildes, das für Dich ganz selbstverständlich die einzig geltende Norm ist. Wieso sollte philosophische Kritik am Reduktionismus und Positivismus „langweilig“ sein? Sie kommt ja keineswegs nur von religiösen Menschen.
Statt auf Kant würde Kermani wohl auf Lessing rekurrieren, bei dem er dieses Moment der Achtung vor dem Glauben des Anderen, das er anmahnt (und das ich bei Dir je länger je mehr vermisse), zu Recht findet. Es ist ja nicht nur das mitleidige Abwarten, bis der seine naiven Illusionen ablegt. Das ist noch lange keine Toleranz.
Kermani ist secularer Moslem, fast schon Laizist. Aber trotzdem gläubig. Die französischen Christen sind ja auch säkulare resp. laizistische Gläubige. Viele Freikirchen ja auch.
Selbstverständlich messe ich an der Elle meines Weltbildes, woran sonst? Ich sage nicht, dass die philosophische Kritik langweilig ist, sondern nur, dass ein Rationalist und ein Philosoph aneinander vorbeidiskutieren, wenn es um Religion oder Gottesbeweise geht.
Das ist dann langweilig, weil es zu keinem Ergebnis führt. Wenn man darüber redet, sollten halt die Diskurs-Ebenen gleich sein. Du kannst schlecht mit Kreationismus kommen, wenn ich den Eckhart von Hochheim oder Franziskus heranziehe 😉
Ich habe in der Tat wenig Achtung vor Weltanschauungen oder Religionen, mir kommt es nur darauf an, was der Mensch daraus macht. Ob nun Gläubig oder nichtgläubig. Ich schätze Christen, Juden, Muslime, Hindus, Buddhisten oder Atheisten gleich, wenn sie Humanisten sind. Es gibt andereseits auch genügend atheistische Ar***löcher 😉
Ansonsten profitiere ich ja auch von befreundeten Gläubigen wie dir, deren ethische Reflexionen durchaus bedenkenswert sind. Und einiges kann ich in mein Weltbild integrieren, weil ich es für richtig erkenne.
Ich glaube, hier macht der Ton bzw. die Sprache die Musik, Frank. Wenn ich lese, was Du so schreibst, dann erscheint Deine Sicht der Dinge als objektives Faktum (das „ist“ so), die der anderen als Meinung, und sehr oft als – für mein Empfinden schon verächtliche – Karikatur, zumindest aber als Konjunktiv. Weil Du ja weißt und beweist, andere aber „nur“ glauben und dabei den Verstand herunterdimmen. Mag sein, dass das eine zwangsläufige Folge des (wie Du es nanntest) „Rationalismus“ ist, die eigenen Gedanken für universal evident zu halten.
Zumal Du darauf beharrst, dass Deine Wahrheit die öffentliche sein sollte (wie viele konservative Katholiken oder ein paar Rechtsevangelikale und auch manche islamischen Richtungen), vor der sich andere zu rechtfertigen haben. Das steht hinter der manchmal recht groben Religionskritik, die einem (das Facebook-Bild mit der Klorolle neulich sprach Bände) hin und wieder die Sprache verschlagen kann. Da gibt es dann freilich kein Gespräch mehr.
Andere in dem Maß anzuerkennen, wie sie Deine Sicht teilen, ist doch kein Kunststück. Spannend wird es da, wo sie es nicht mehr tun. Anders gesagt: Du achtest mich so weit, wie Du dich selbst in mir siehst. Da, wo ich anfange, ich selbst zu sein und nicht mehr Du (in dem Fall meine Identifikation mit Jesus und dem Christentum), ist dann auch schon Schluss, denn Du stellst ja sehr hartnäckig immer die negativen Aspekte von Religion heraus – ich bin also zumindest ein potenzieller Taliban in Deiner Welt. Mein „Humanismus“ wächst für mich auf der Grundlage meines Christseins und nicht ihm zum Trotz.
„Säkular“ heißt ja „weltlich“ in dem Sinne, dass für diese Denkweise Religion keine Rolle spielt. Für den Staat ist das ok und sinnvoll, hier neutral zu sein, für die Bürger bedeutete das seit der Aufklärung Religionsfreiheit im Sinne der Freiheit für die (und nicht von der) Religion. Ein „säkularer Muslim“ wäre einer, der einen theoretischen oder praktischen Atheismus pflegt, für Muslime also ein Ungläubiger, analog gilt das für Christen und Juden auch, dann reduziert sich Religion eben auf Kultur und Brauchtum. Auch freikirchliche Christen würden sich nie als „säkular“ bezeichnen, selbst wenn sie den säkularen (oder besser: weltanschaulich pluralistischen) Staat begrüßen, dessen autoritäre Vorläufer ihren Vorvätern noch mit Verfolgung drohte.
Kermani hat m.E. insofern Recht, als er sagt, dass sich die Wirklichkeit eines glaubenden Menschen nie auf den rational-materialistisch-säkularen Ansatz reduzieren lässt und dass diese Reduktion auch in einem modernen Staat nicht das Maß aller Dinge sein kann. Erst wenn alle eingestehen, dass sie „glauben“, dass jeder notgedrungen bestimmte Vorannahmen trifft, die nicht begründbar und beweisbar sind, dann weiß jeder, dass er sich irren könnte, und dann entsteht der Raum für die Suche nach Wegen zu einem friedlichen Miteinander.
Da liegt die Problematik des Gerichtsurteils, dass sie eine ganz bestimmte, historisch gewachsene und damit kontingente und relative Deutung des Aktes der Beschneidung zur einzig maßgeblichen erklärt, der sich alle zu fügen haben; und jeder, der das anders sieht und lebt, wird zum Feind des Rechts(staates) gestempelt – ganz unabhängig davon, welche Motive er dabei hat (und die „Schäden“ sind ja sehr überschaubar, da leisten sich andere Eltern völlig legal ganz andere Klöpse, wenn man sich mal die vielen adipösen Kinder anschaut).
Ausgerechnet in Köln könnten sie sich an den Kulturkampf im 19. Jahrhundert erinnern und wissen, dass solche Manöver nur zu einer Vergiftung der öffentlichen Debatte und des Verhältnisses der betroffenen Religionsgemeinschaften unserem Staat gegenüber führen. Und da würde ich mir von Dir als Mandatsträger auch etwas differenziertere Töne wünschen. Mein Eindruck ist, dass Du vor ein paar Jahren noch mehr stehen lassen konntest als heute.
Vieln Dank für die lange Antwort. In der Tat macht der Ton ab und zu die Musik. Kommt es aber nur auf den Ton an, oder sollte man nicht auch auf die Lyrics hören? Und bitte erinnere dich: Jeder monotheistische Glaube erhebt Ausschließlichkeitsanspruch 😉
Die Wissenschaft zwar auch, aber die muss tagtäglich beweisen, dass ihre Theorien über die Welt und die Menschen stimmen. Jeder Patient der Uniklinik ist ein Beweis für die Stimmigkeit der (evolutions)biologischen, physiologischen und pharmakologischen Theorien der Wissenschaft. Jeder Blitzableiter einer Kirche ist ein Misstrauensvotum gegen Gott.
Ja, ich stelle evidenzbasiertes Wissen und die Vernunft als Werkzeug über das, was ich nur glaube zu wissen. Und was du glaubst, oder nicht glaubst ist allein deine Sache. Wenn du sagst, ich würde dich nur insoweit achten, wie es dem Nicht-Christentum- Anteil bei dir entspricht und du Posts oder Karrikaturen heranziehst, dann frage ich dich mal: Aus dieser Sicht müssten alle deine positv bezugnehmenden religionsphilosophischen Schriften und Bilder etc. von dir auf mich genau so provozierend und/oder beleidigend wirken. Tun sie aber nicht. Ich lese alles mit Interesse (auch die englischsprachigen), weil mich das Thema interessiert.
Und was meine zunehmende Bestimmtheit im öffentlichen Auftreten angeht: Ich bin überzeugt, wir laufen immer stärker in einen Clash of Cultures hinein. Die Frage ist: Wieviel tatsächlich Macht geben wir den Religionen im Gesellschaftssystem noch? Müssen sich Religionen nicht in all ihren Ausformungen der Zivilgesellschaft unterwerfen?
Niemand, auch nicht die schärfsten Beschneidungsgegner, hat vor, religiöse Beschneidungen zu verbieten. Sie soll lediglich auf ein Alter verschoben werden, in dem der Betroffene in der Lage ist, sich eine eigene Meinung über Religion und die Auswirkungen einer Beschneidung zu bilden und selbstständig zu entscheiden, ob er sich diesem Eingriff für seinen Glauben unterziehen will. Kinder darf man nicht schlagen, so wurde es vor ein paar Jahren erst gesetzlich geregelt. Aber Körperteile entfernen soll legal sein, nur weil die Religionen es so wollen? Das geht mir in der Tat gewaltig gegen den Strich.
Und du hast auch Recht, wenn du sagst dass „säkulare“ Gläubige eigentlich nur Kulturgläubige sind. Und da danke ich dafür! Stell dir vor, wir hätten in der Mehrheit der Gläubigen Piusbrüder, Evangelikale, Haredim oder Salafisten. Das sind Gläubige im wahrsten Sinne! Die hegen nur Verachtung für euch, das weisst du ja auch.
Beim Vortrag von Cahit Kaya (exMuslime) machte er das nochmal ganz deutlich: Liberale Muslime wie Kermani oder Kaddor oder Abdel-Samad werden fast noch mehr gehasst als Atheisten! Weil sie darstellen, man kann auch als sekularer Muslim in einer Gesellschaft (ohne Sharia) leben, ohne dass Allah eingreift und lauter Böses sendet. Damit wird die Grundlage das orthodoxen politischen Islams in Frage gestellt!
Vieleicht ein Missverständnis auszuräumen: Für Nichtgläubige ist nicht der Gläubige der Gegner, sondern der Glauben. Man will quasi den anderen überzeugen, „Vernunft“ anzunehmen. 😉
Besser wäre es allerdings, wir hätten mal wieder Zeit für ein Guinness. Solche Themen lassen sich besser bereden als beschreiben.
PS, mit welcher Macht und welchem politischen Einfluss die Religionsvertreter in der Politik (noch) ausgestattet sind, ist bsp. an der verhinderten Gründung des Bundesarbeitskreises „LaizistInnen in der SPD“ mit Ablehnung des Bundesvorstandes zu sehen. Siehe http://hpd.de/node/11565
Und das, obwohl es BAKs der Christen, Muslime und Juden gibt, die finanziell und organisatorisch unterstützt werden. Das macht viele Konfessionslose wütend, schließlich vertreten wir ja knapp 28 Millionnen Menschen in Deutschland!
Gruss Frank
Erschütternd der Bericht eines Irakers:
„Ich weiß nicht, welche Auswirkung das Urteil des Kölners Gerichts haben wird, aber ich weiß, dass die Religionen mit Klauen und Zähnen kämpfen werden, um weiter ihre Grausamkeiten an den Menschen auszuüben. Es geht für sie um ihre Macht. Letztendlich ist es ihnen egal, welche Verstümmlung sie in den Seelen von Millionen von Menschen hinterlassen, und es spielt keine Rolle, ob die Menschen dies freiwillig über sich ergehen lassen oder nicht. Die Macht der Religionen wird weiter regieren.“
http://taz.de/Religioese-Riten-in-der-Praxis/!96617/
Ich muss in Etappen antworten – späteres Guinness nicht ausgeschlossen.
1. Zu dem zitierten Iraker: Dass jemand mit einer bestimmten Richtung einer bestimmten Religion ganz böse Erfahrungen gemacht hat, ist eine traurige Realität. Das Urteil „grausam“ dann auf „die Religionen“ pauschal auszuweiten, mag unter dem Eindruck traumatischer Erlebnisse nachvollziehbar sein, ist aber genauso ungerecht wie andere Pauschalisierenden, etwa „die Türken“ oder „die Tschetschenen“. Oder „die Linken“, „die Homosexuellen“ und was nicht alles an Stereotypen herumgeistert. Im Namen der Nation und im Namen der Ideologien ist ähnlich viel Blut geflossen, vielleicht sogar noch viel mehr im letzten Jahrhundert.
2. Die Diskussion in der SPD habe ich nicht verfolgt, meine Rückfrage wäre nur, ob der Anspruch atheistischer Verbände, 28 Millionen Leute zu vertreten, denn von denen in irgendeiner Form legitimiert ist. Die Kirchen können immerhin auf formelle Mitgliedschaften verweisen, selbst wenn die inhaltliche Zustimmung bei einer großen Anzahl dieser Kirchenmitglieder oft sehr diffus ausfällt.
3. Ich fand das jetzt interessant, dass Du Dich ausdrücklich als dezidiert religionsfeindlich „outest“. Oder habe ich das schon wieder missverstanden?
4. Ich widerspreche der Ansicht ganz entschieden, dass die „wahren“ Gläubigen die Militanten und Extremisten sind. Ich denke, die Mehrheit der Christen, Juden und Muslime würde mir hier zustimmen, und schon allein deshalb halte ich so eine These für unverantwortlich. Einerseits bestärkt sie diese Usurpation des Glaubens durch den Totalitarismus und andererseits vergiftet sie die gesellschaftliche Diskussion durch diese (jetzt sind wir wieder bei Punkt 1.) Verzerrungen.
5. Wenn wir Frieden haben wollen – hier in Deutschland oder sonst irgendwo auf der Welt – dann wird das nur über die Einbeziehung der friedlichen Mehrheit in allen Religionen erreichbar sein. Und gerade die stoßen solche Argumentationsmuster, wie Du sie vertrittst, konsequent vor den Kopf. Die Extremisten haben ihre ähnlich stereotypen Feindbilder ja längst betoniert, bei denen richtet diese Kritik nichts aus, es spornt sie nur zu neuen Untaten an. Wenn es also um den Frieden geht und nicht ums Rechthaben, dann hilft Polemik und Pauschales nicht weiter. Zum Beispiel das dämliche Blitzableiter-Argument, das wieder zeigt, dass Du (bei allem Interesse) wie beim Klopapier-Bild den Glaubenden Vorstellungen von Gott unterjubelst, die niemand teilt. Gott ist weder meine Feuerversicherung noch mein Lakai.
6. Den Clash of Cultures kann man auch herbeireden, und Du bist m.E. auf dem besten Weg dahin mit den religionsfeindlichen Polarisierungen. Ich nehme die jetzt nicht persönlich, aber nachdem ich mich nicht als rundumsäkularisierten Kulturchristen betrachte, der seinen praktischen Atheismus mit ein paar andächtigen Gesten und Riten aufpeppt, stehe ich, wenn ich Dich hier richtig verstehe, unter dem Generalverdacht, demnächst einen totalitären Gottesstaat aufzurichten. Dass ich nicht zur Gewalt und Zwang greife, liegt für Dich nur daran, dass ich meinen eigenen Glauben nicht richtig verstehe. Du beanspruchst also die Deutungshoheit über meine wahren inneren Motive. Nicht nur abstrakt, sondern ganz konkret. Und das sehe ich umgekehrt – von Christen gegenüber Atheisten – eher selten.
6. Diese Beobachtung aus unserer Konversation ist für mich in der Hinsicht alarmierend, als es mir fast unvermeidlich erscheint, dass eben dieses Denken (das Selbstaussagen des anderen nur insofern gelten lässt, als sie dem eigenen Vorurteil entsprechen) notwendigerweise zu Repressionen führt.
zu 1; Ja. und deswegen sollten Nationen möglichst aufgelöst (zB. in Regionalverbände wie EU transformiert werden) und Ideologien werden am besten durch Demokratie in Schach gehalten. Demokratische Staaten führen keinen Krieg gegeneinander.
zu 2; die „formellen Mitgleidschaften“ der Kirchen bestehen darin, dass entscheidungsunfähige Kinder automatisiert via Taufe hineingeschrieben werden können. Bei den Humanistischen Verbänden könnte man theoretisch auch seine Kinder anmelden, allerdings macht das kaum jemand, weil wir diese Mitgliedschaftsentscheidung lieber den Kindern selber überlassen wollen. Und diese rerflektive Entscheidung ist erst so ab dem 13/14 Lebensjahr möglich.
zu3; wenn damit Repression, Sexismus und antidemokratisches Verhalten verbunden ist, dann schon. Zen, Sufismus oder liberales Quäkertum bsp. fiinde ich attraktiv und unterstützenswert.
zu 4; aber diese strenggläubigen sehen sich selber so. Deswegen heissen sie ja auch „Strenggläubige“ oder Orthodoxe oder so. Für die ist der liberale Teil „Abweichler“.
zu 5; es wäre schön, wenn es friedlich ginge. Manchmal geht es aber nicht, dann ist ein Machtwort des Rechtsstaates gefordert, der die Zivilregeln mit Hilfe der Exekutive umsetzt. BGB, StGB, GG gelten für alle! Da haben sich auch Extremisten daran zu halten oder müssen halt die Konsequenzen einer wehrhaften Zivilgesellschaft tragen. Ein gutes Beispiel ist die Beschneidung: Die Islamverbände könnten sich jetzt sogar ale besonders fortschrittlich darstellen, wenn sie ihren Mitgleidern empfehlen, die Jungen bis zum 14. LJ (Religionsmündigkeit) unbeschnitten zu lassen. Es ist ohnehin keine koranische Forderung. Schlecht sieht es in der Tat für gläubige Juden aus, weil die Bibel da eine klare Forderung stellt. Aber dafür hat man schließlich Theologen, die diese Dilemmata auflösen. Bei den Christen hat es auch Paulus geschafft, die Beschneidung für unerheblich durchzusetzen!
zu 6; dieses Missverständnis sollten wir lieber bereden 🙂
Was ich gestern schrieb (mit der Aufgabe der Theologen, die Religion humanistisch zu interpretieren) finde ich heute in einem sehr!!! lesenswertem Artikel:
„Der Islam ist abhängig von der Interpretation, so wie jede Religion abhängig von der jeweiligen Interpretation ist. Und die Interpretierenden sind diejenigen, die darüber entscheiden, in welcher Weise diese Religion interpretiert werden soll, mit welchem Ziel, mit welcher Methode. Wenn die Interpretierenden gut ausgebildete Menschen sind, die Freiheit, Demokratie und Menschenrechte wollen, dann werden sie die Religion auch in dieser Weise interpretieren.“
http://de.qantara.de/Warum-Islam-und-Demokratie-zusammen-passen/19414c20589i0p83/index.html
Und sein erfreulicher Ausblick: „Die Bedeutung und der Sinn von Religiosität verändern sich. Religion und Religiosität werden bei vielen Menschen mehr zur Privatsache.“
Man muss bedenken, dass ist ein hochrangiger iranischer Theologe, der mehr Mut zur Veränderung hat als viele Bischöfe und Kardinäle hier in Europa!
@Frank: Ganz so rückständig sind nur sehr wenige Kardinäle.
Im Übrigen fand ich Martenstein mal wieder klasse zu unserem Thema:
http://www.zeit.de/2012/28/Martenstein
@Peter,
Martenstein versucht, mit ein paar albernen Witzchen über die grundsätzliche Frage des Primates von Religion oder Menschenrechten in einer säkularen Gesellschaft hinwegzudiskutieren. Das las man aber schon besser. Ausserdem, wie ich oben schon schrieb: Niemand will „Beschneidung verbieten“, wie es immer (bewusst?) kolportiert wird, sondern lediglich die Entscheidung dazu auf zumindest religionsmündige Bürger übertragen.
Auch Broder wirkt seltsam unpositioniert in dieser Debatte. Er, der sonst so polemisiert, schreibt ja von sowohl als auch…
Lesetip Rede:
„Ob Kruzifix-Urteil oder Beschneidungsverbot: Lässt sich Gottlosigkeit per Gerichtsbeschluss verordnen? Die EKD-Kulturbeauftragte Petra Bahr warnt vor einem intoleranten Atheismus, der Religionsfreiheit als Freiheit von Religion versteht“
http://www.christundwelt.de/detail/artikel/die-laizistische-versuchung/
Gegenrede:
„Lasst mich mit eurem Glauben in Ruhe, fordert Arik Platzek. Es ist das gute Recht der Atheisten sich auch vor Gericht gegen Religion im öffentlichen Raum zu wehren“
http://www.christundwelt.de/detail/artikel/wider-die-alten-mythen/
Was sagst du denn eigentlich zu meiner These, das Theologen dafür verantwortlich sind, religiöse Riten und Gebote immer wieder neu in gesellschaftlichen Zusammenhängen zu interpretieren? Stimmst du Mohammad Mojtahed Shabestari ebenfalls zu?
@Frank: „alberne Witzchen“, soso… Was mich stört – auch bei Platzek wieder – ist das ständige Abqualifizieren Andersdenkender, hier eben unter dem Stichwort „alte Mythen“, und da denke ich, wie schon mehrfach erwähnt, dass tatsächlich die Saat der Intoleranz drinsteckt. Und ich denke mit Kermani, Martenstein und Bahr, dass der Laizismus in der Form, wie Du ihn forderst (der für Dich ja kein Verlust wäre, sondern nur für andere), zu einer kulturellen Verarmung der Gesellschaft führen würde.
Dass die Interpretation „religiöser Riten und Gebote“ zu den Aufgaben von Theologie gehört, ist doch nun wirklich keine neue These, sondern so alt wie die Religion selbst. Deshalb fand ich es auch nicht nötig, das zu kommentieren. Es ist einfach selbstverständlich. Aber schön, dass der Gedanke bei Dir angekommen ist. 🙂
Ja, ich lachte schon mal mehr 🙂
Wenn es die selbstverständliche Aufgabe der Theologen ist, warum hört man unisono lediglich harsche Kritik und Weltuntergangstheorien von den offiziellen Vertretern des Islam, Christentums und Judentums? Warum werden zB:
http://www.circumstitions.com/Jewish.html
http://www.jewsagainstcircumcision.org/brisshalom.htm
oder
http://www.quranicpath.com/misconceptions/circumcision.html
nicht zitiert? Oder ähnlich prominent in die Diskussion einbezogen, wie ihre pro-Beschneidungsglaubensbrüder?
Dr. Jenny Goodman, britisch-jüdische Ärztin, Psychotherapeutin und Feministin: „Ich bin zuversichtlich, dass mein Volk so viele lebensbejahende, lebensfreudige und erkenntnisbringende Traditionen hat, dass unsere Identität und kulturelle Selbstachtung ohne Probleme überleben wird, wenn wir über die Beschneidung hinauswachsen, die ein grausames Relikt ist, das ich immer als eine Abweichung vom Herzen meiner Religion empfunden habe.“
Der integrationspolitische Sprecher der Grünen, Memet Kilic:
„Herr Kilic, lassen Sie Ihre beiden Söhne jetzt noch beschneiden?
Darüber muss ich noch mit meiner Frau reden. Vermutlich wären wir einfach der Tradition gefolgt. Nun hat mich das Urteil aber nachdenklich gemacht. Die beiden sind ein und acht Jahre alt. Es könnte womöglich besser sein, wenn meine Söhne in späteren Jahren selbst entscheiden dürfen, ob sie dieses Merkmal unserer Religion tragen wollen oder nicht. Denken Sie nur daran: im Petitionsausschuss beschäftigen wir uns gerade damit, ob man Pferde wirklich brandmarken muss oder ob es nicht mildere Verfahren gibt. Da sollte die Frage nach der Beschneidung kleiner Jungen auch kein Tabu sein.“
http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.interview-zur-beschneidung-der-politik-fehlt-wohl-der-mut.8cdc8b78-3b96-403d-a17c-bd92af90d934.html
@Frank: Ich werde langsam des Diskussion müde. Es ist eben ein himmelweiter Unterschied, ob jemand von einem Gericht (das dem eigenen Glauben völlig fremd gegenübersteht) zu einer Sache gezwungen wird, oder ob man das aus eigener Einsicht und Überzeugung tut. Die Diskussion dreht sich doch um die Frage, ob Strafandrohung hier das richtige Mittel ist. Sie ist es nicht. Insofern ist die Beschneidung an sich nur ein Randphänomen, wie Martenstein schon richtig sagte:
„Die Religionen sind vor langer Zeit entstanden, deshalb sind sie altertümlich. Jede von ihnen enthält Elemente, die zu den heutigen rundum aufgeklärten Mehrheitsmeinungen nicht passen. Zur Freiheit gehört aber auch das Recht, sich innerhalb gewisser Grenzen gegen die Gegenwart und für die Vergangenheit zu entscheiden.“
Ich werde nicht müde, weil es um eine elementare Sache geht.
Für sich kann jeder jede altertümliche Entscheidung treffen. Aber nicht für andere, und insbesondere für Kinder. Ist dir jemals ein Gefühl dafür aufgegangen, dass Millionen Gläubige eine Viertelstunde lang betäubungslos an ihren Kindern herumschneiden lassen? Stell dir nur einfach vor, es würde bei dir gemacht. Nimm eine Schere, und zwicke nur mal ein bisschen in deine Vorhaut, Nur mal so, für das Gefühl. Den Film „Die Passion Christi“ kennst du ja. All diese eindringliche Gewalterfahrung ist Realität bei den Kindern!
@Frank: Sorry, der Vergleich mit der Passion Christi hinkt nun doch an allen Ecken und Enden.
Leider dreht sich der Streit ja nicht um die Frage, ob dabei eine Narkose vorgeschrieben wird, also um das „wie“ der Prozedur. Diese Diskussion fände ich völlig in Ordnung. Die andere aber läuft aus den inzwischen hinlänglich bekannten Gründen in eine problematische Richtung. Das finden inzwischen auch die Grünen:
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/juden-und-muslime-gruene-wollen-beschneidung-nicht-als-straftat-werten-a-843294.html
@Peter,
Theologen resp. Rabbis könnten auch versuchen, die „Hollekreisch-Zeremonie“ auf Jungen zu übertragen. Das wäre viel ansprechender, humaner und Kindgerechter:
Die Hollekreisch-Zeremonie
Bei einem neugeborenen Mädchen wird der Name am Sabbat nach der Geburt vor der versammelten Gemeinde verkündet, wenn ihr Vater zur Toralesung aufgerufen wird. In verschiedenen Ländern wird der Name des Mädchen bei der Hollekreisch-Zeremonie verkündet. Kinder aus der Nachbarschaft heben die Wiege des Neugeborenen hoch und rufen: „Hollekreisch (von haut la crŠche, „hoch die Krippe“), wie soll das Kindchen heißen?“ Darauf nennt der Vater den Namen des Kindes und dieser Name wird dreimal wiederholt, und danach erhalten die Kinder Geschenke.
http://www.judentum-projekt.de/religion/juedischerlebenskreis/beschneidung/index.html
Mit der „biblischen Begründung“ ist es eh nicht weit her, da gibt es diverse Aufgaben Gottes, die auch nicht mehr (hoffe ich) ernst genommen werden:
zB:
„Wohl dem, der deine jungen Kinder nimmt und sie am Felsen zerschmettert!“
Psalm 137,9
„So tötet nun alles, was männlich ist unter den Kindern, und alle Frauen, die nicht mehr Jungfrauen sind;
aber alle Mädchen, die unberührt sind, die lasst für euch leben.“ 4. Mose 31,17-18
Ein Mann, der mit der Frau seines Nächsten die Ehe bricht, wird mit dem Tod bestraft, der Ehebrecher samt der Ehebrecherin. Lev 20,10
Und besonders aktuell, weil mit Homosexuellenheilung grade wieder viele Evangelikale rummachen:
„Schläft einer mit einem Mann, wie man mit einer Frau schläft, dann haben sie eine Gräueltat begangen; beide werden mit dem Tod bestraft; ihr Blut soll auf sie kommen.“ Lev 20,13 (im Kommentarbereich bei Volker Beck gefunden. Ausgerechnet der argumentiert biblisch in seinem Blog….)
Zum Ende ein Schlussseufzer, der bisher unerhört blieb 😉
„Ach Gott, wolltest du doch die Gottlosen töten! …“
Psalm 139,19
@Frank: Die Rabbis brauchen Deine und meine schlauen Ratschläge vermutlich nicht, um ihre Aufgaben zu lösen. Aber vielleicht ist das ja ein schönes Beispiel, das meine Ausgangsthese stützt, dass das Strafrecht hier nämlich genau das falsche Mittel ist, um etwas zu verändern.
http://www.freitag.de/autoren/ed2murrow/verfasstheit-und-ein-stuckchen-haut-ii
Tut mir leid, diesen Autor verstehe ich nicht. Ist mir zu kafkaesk 😉
Ansonsten: Da haben wir doch gar keinen Dissens. Auch ich halte (wie Putzke ebenfalls) das Strafrecht für die schlechteste Variante. Primär sehe ich liberale und progressive Rabbis und Imame in der Pflicht, für eine unblutige Ritualisierung dieses Menschenopfers zu sorgen. Dazu gehört weiter eine gesetzliche Übertragung des Eingriffs in staatliche Kliniken unter sterilen und anästhesierenden Bedingungen, um das Risiko sowie das Trauma zu minimieren.
Sekundär könnte man zB. zivilrechtlich die Verjährungspflicht für diese Art von Körperverletzung (und rechtlich ist und bleibt es eine, wird nur nicht verfolgt) auf 30 Jahre oder so ausdehnen, dass Betroffene dann im Erwachsenenalter z.B. Regressansprüche geltend machen können, falls sie Apostaten werden.
Vielleicht liegt es an diesem Nichtverstehen, Frank: Wir haben einen ganz gravierenden Dissens. Ich finde das Urteil „Körperverletzung“ schon unangemessen, weil es den religiösen Kontext vorsätzlich abblendet. Ich empfinde Deine Diktion „Menschenopfer“ als maßlos und als eine vorsätzliche Diffamierung und Kriminalisierung von Juden und Muslimen insgesamt. Und freilich steht bei Dir das Strafrecht an erster Stelle, wenn Du Verjährungsfristen wie bei schwersten Gewalttaten forderst. Die können ja nur darauf angelegt sein, das Risiko einer späteren Klage so zu erhöhen, dass kaum jemand diesen Schritt noch wagt. Und sie werden so verstanden werden. Das ist für mich ein erschütternd defizitäres Verständnis von Religionsfreiheit.
Finden die Vertreter des Judentums übrigens auch: http://www.sueddeutsche.de/politik/rabbiner-zu-beschneidungsurteil-schwerster-angriff-auf-juedisches-leben-seit-dem-holocaust-1.1410909
@ Peter, Offenbar weisst du es nicht: Jeder! Eingriff in den Körper ist Körperverletzung. Ob Ohrlochstechen, Tätowieren, eine Blutentnahme, ob eine Hüft-OP, ein Herzschrittmacher, ob Beschneidung. Sie wird nur straffrei, wenn gewisse Kriterien eingehalten werden (wie Aufklärung, Einwilligung, sog. „konkludentes Verhalten“) Das hat mit irgendwelchen Hintergründen gar nix zu tun. Selbst der Schwangerschaftsabbruch ist eine strafbare Handlung, der nur unter ebendiesen Bedingungen für den Arzt straffrei bleibt. Das muss so sein, weil eben das GG in Art. 2 die körperliche Unversehrtheit schützt. Für jeden Bürger.
Die Beschneidung an sich ist bereits eine Ersatzhandlung für ein Menschenopfer, ein sog. Pars pro toto-Opfer. Also warum nicht auch noch den nächsten Schritt gehen?
Und was hast du gegen Verjährungsfristen?Die Argumentation der Befürworter ist doch, alles sei gar nicht schlimm und sogar gesundheitlich förderlich? Und hätte ohnehin kaum Nebenwirkungen? Dann ist doch nichts zu befürchten bei späteren Klagen?
PS: Hier aus einer Schrift eines Befürworters:
„Die Brit Mila soll ein Identitätsmerkmal setzen, ein Erinnerungszeichen, das an die Abkehr vom Menschenopfer gemahnt.“
http://www.sueddeutsche.de/kultur/kritik-an-ritueller-beschneidung-im-hintergrund-schwelen-kastrationsaengste-1.1408075-2
Ich hoffe, das es dich bewegt, dein Kritik an meiner Argumentation mit: „Diktion “Menschenopfer” als maßlos und als eine vorsätzliche Diffamierung und Kriminalisierung von Juden und Muslimen insgesamt.“ zu überdenken.
Immerhin, der Rechtsweg wird beschritten. So muss es in einem Rechtsstaat sein:
„Jüdische Organisationen bereiten eine öffentliche Kampagne gegen das Urteil des Kölner Landgerichts vor, mit dem Beschneidungen von Jungen als strafbare Körperverletzung gewertet werden. Das berichtet die FTD. Spender aus Europa, den USA und aus Israel haben bereits Millionen in einen Fonds eingezahlt, der vor allem Lobbyisten und Anwälte finanzieren soll.
Nach Informationen der FTD hat allein der in der Schweiz lebende jüdische Multimillionär Edi Gast 10 Mio. Euro gezahlt, um gegen das Beschneidungsurteil vorzugehen. Jüdische und islamische Verbände prüfen zudem die Option, einen weiteren Beschneidungsfall durch eine Selbstanzeige eines Arztes vor Gericht zu bringen und notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe zu klagen.“
http://www.ftd.de/politik/deutschland/:vorwurf-der-koerpferverletzung-juedische-organisationen-gehen-gegen-beschneidungsurteil-vor/70062755.html
Da wird auch eine Medienkampagne vorbereitet, die wohl recht einseitig bleibt, weil die säkularen Organisationen nicht mal im Ansatz soviel Geld haben. Aber ich habe es ja schon prognostiziert, dass es einen Kulturkampf geben wird. Dafür ist das Thema einfach zu wichtig.
Hurra! Problem gelöst!!!
„Söhne jüdischer und muslimischer Eltern sollen künftig beschnitten zur Welt kommen“
Köln (EZ) | 2. Juli 2012 | Das Landgericht Köln hatte letzte Woche entschieden, dass die Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen Körperverletzung ist. Nach einer hitzigen Debatte von Gegnern und Befürwortern des Verbots gibt es nun eine Einigung.
Vertreter jüdischer und muslimischer Verbände waren entsetzt über das Urteil des Kölner Gerichts und bezeichneten es als schweren Eingriff in die Religionsfreiheit. Gegner der Beschneidung von Jungen hingegen feierten die Entscheidung als Sieg für das Recht von Kindern auf körperliche Unversehrtheit.
Überraschend konnten sich nun beide Gruppen am Wochenende einigen: zukünftig sollen Söhne jüdischer und muslimischer Eltern direkt ohne Vorhaut geboren werden. Dadurch wird eine schmerzhafte Beschneidung vermieden und zugleich die religiöse Zugehörigkeit gewahrt.
Ein Kompromiss, mit dem offenbar alle Seiten gut leben können. „Wenn keine Vorhaut vorhanden ist, kann sie auch nicht wegoperiert werden,“ sagte Heinz Hilgers, der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes.
Ähnlich äußerte sich Aiman Mazyek, der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime in Deutschland: „Die fehlende Vorhaut symbolisiert einen Bund mit Gott – wir sind zufrieden mit der Einigung.“
Nun werde man sich Gedanken über die technische Machbarkeit machen, heißt es aus Reihen des Zentralrates der Juden in Deutschland. Man habe bereits Kontakt zu Allah/Jahwe aufgenommen und sei zuversichtlich, hier innerhalb der nächsten Tage eine Lösung zu finden.
Von Allah/Jahwe heißt es, er sei ein wenig erstaunt und auch peinlich berührt, dass ihm diese Idee nicht selber schon viel früher gekommen ist. Millionen Jungen wären so schlimme Schmerzen erspart geblieben.
http://www.eine-zeitung.net/politik_beschneidung921122.html
Frank: Ich bleibe bei meiner Kritik an Deinen Aussagen. Wenn, wie Du selbst schreibst, die Beschneidung je gerade die A b k e h r vom Menschenopfer ganz nachdrücklich symbolisiert, dann ist das doch die Erinnerung an einen Wendepunkt der Menschheitsgeschichte. Viele primitive Kulte (gut 1000 Jahre nach Mose noch die Kelten in Europa) hielten das ganz anders. Für mein Empfinden stellst Du eben diesen Zusammenhang mit Deiner schlechterdings nicht nachvollziehbaren Interpretation auf den Kopf, aus welchen Motiven auch immer.
Die Kelten und ihre Religion gibt es aber nicht mehr (lebendig). Für mein Empfinden ist eine Menschenopferersatzhandlung erst dann auch inhaltlich vollzogen, wenn der Aspekt von Gewalt und fließendem Blut beseitigt ist. Seyran Ates stellte in der Diskussion übrigens einen sehr interessanten Aspekt fest: Warum müssen/dürfen eigentlich nur Jungen der „Bund mit Gott“ schließen? Und ist diese Fixierung auf das männliche Genital nicht der Anfang des Phallozentrismus in den abrahamitischen Religionen?
Ich habe heute übrigens bei einer Baptistenseite ein gutes Bild gefunden, das genau die Frage widerspiegelt, um die es den meisten Kritikern der Beschneidung geht:
Ein Plakat mit lediglich diesen Fragen:
Whose Penis?
Whose Body?
Whose Right?
Ich bin ja gar kein Befürworter der Beschneidung, allerdings einer der Religionsfreiheit. Was ich hier intellektuell und menschlich unredlich finde, ist dass Du das, was historisch ein Schritt w e g vom Menschenopfer war, nun als einen Schritt darauf h i n uminterpretierst. Dahinter steht wieder diese Haltung, die den anderen nicht stehenlassen kann, seine Selbstaussagen nicht nur ignoriert, sondern grotesk verdreht und sich die umfassende Deutungshoheit anmaßt. Was ist das anderes als Kulturimperialismus und die Aufforderung zum Kulturkampf und zur Radikalisierung? Aber wir wiederholen uns.
Können wir das Thema damit beenden?
Ok, wenn du willst 😉
Zum Schluss noch eine sehr gute religiöse Stellungnahme eines Aleviten, die dir als Gläubigem eigentlich nachvollziehbar müsste:
„Das Gerichtsurteil kann man deshalb auch ein Stück weit als den Versuch verstehen, Kinder in diesen Entscheidungsprozess einzubinden. Die Eltern diskutieren mitunter wochenlang mit ihren Söhnen welches Smartphone das richtige für sie ist. Dann kann und darf man sich auch nicht zu schade sein, mit dem Sohn einige Stunden über dieses heikle Thema zu debattieren und dessen Einvernehmen zur Beschneidung einzuholen. Mit einem religionsmündigen Kind (teilweiße bereits ab der Vollendung des 10. Lebensjahres) kann ein solches Gespräch geführt und dann gemeinsam entschieden werden. Damit wäre ein wichtiger Schritt für die Mündigkeit des männlichen Nachwuchses getan. Schließlich ist in der alevitischen Lehre fest verankert, dass eine religiöse Handlung nur Sinn ergibt, wenn Ausführende/-r die Gründe für diese Handlung verinnerlicht hat. So wird zum Beispiel der bloße Verzicht auf Nahrungsmittel in den Fastentagen Moharrem von den Aleviten nicht gut geheißen, wenn die / der Fastende sich nicht im Klaren darüber ist, welche Idee dahinter steckt. Vielmehr macht das Fasten nur Sinn, wenn man weiß, wieso man fastet.
Wir müssen deshalb Kindern bei Entscheidungen, die ihren Körper betreffen ein Mitspracherecht und das Recht auf Selbstbestimmung ermöglichen. Ihr Körper – Ihre Entscheidung!“
http://www.bdaj.de/index.php?option=com_content&view=article&id=526%3Amein-koerper-meine-entscheidung&catid=61%3Aaktuelles