Wie natürlich ist eigentlich organisch?

Christian A. Schwarz hat mit seinem Konzept natürlicher Gemeindeentwicklung unter Praktikern großen Zuspruch gefunden. Vieles, was er schreibt, leuchtet unmittelbar ein und trifft den Nerv der Zeit: Weg vom mechanistischen Denken und starren „Modellen“ und so weiter. Die schönen bunten Diagramme tun ein Übriges. Wenigstens lesen ihn so auch viele, die sonst keine Büchwerwürmer sind.

Als ich letztes Jahr eine Arbeit über seinen Ansatz las und mich an ein paar Stellen informierte, kamen mir eine Reihe von Fragen.

Einerseits wunderte mich, dass die Quellen, aus denen er schöpft (er ist wohl doch mehr Sammler und Aufbereiter als tatsächlicher „Erfinder“), bei ihm selbst nur sehr beiläufig beschrieben waren. Vielleicht ist deshalb die eher akademische Diskussion bisher an Schwarz und der NGE vorbeigegangen. Das muss weder gegen die eine noch die andere Seite sprechen, aber es ist schade.

Schwieriger fand ich, dass ein für mein Empfinden etwas holzschnittartiger Kontrast zwischen „organisch“ und „technokratisch“ aufgemacht wurde. So wie ich Technik heute erlebe, stimmt das gar nicht mehr. Dort gibt es längst hoch komplexe Systeme und Regelmechanismen, die den Spielzeug-Roboter auf den Abbildungen im Buch wie einen steinzeitlichen Faustkeil aussehen lassen. Aber Schwarz geht ja noch weiter, indem er sagt, Gemeinde IST ein Organismus. Hoppla – wieder ein Fall von typisch modernem Rektionismus?

Vertreter der postmodernen Sensibilität, allen voran die Naturromantiker, stimmen dem Gedanken denn auch begeistert zu. Nur hat das Bild – von dem Schwarz meint, dass es keines sei – eben auch seine Tücken. Die Gemeinde wäre der erste Organismus, der seine Wachstumsgrundlagen selbst schafft. Klar – da ist die Gnade Gottes und der Heilige Geist. Aber der ganze Zielpunkt seiner Aussagen ist es ja, kybernetisches Handeln zu ermöglichen. Und es wird auch vorausgesetzt, dass Fehler das Wachstum und die Gesundheit einer Gemeinde natürlich beeinträchtigen.

In der Bibel stehen organische und mechanische Metaphern einfach so nebeneinander: Der Leib und der Tempel, der Weizen und der Turmbau. Letzten Endes hat Gemeindeaufbau mit Menschen zu tun. Insofern ist es ein theologisches und soziologisches, aber eben kein biologisches Problem. Dass die Biologie hilfreiche Anleihen gestattet, ist wunderbar. Aber allein die Tatsache, dass Schwarz Studien und Statistiken zum Beleg seiner Theorie heranzieht, zeigt doch schon, woher der Wind weht.

Das soll nun keine Kritik an den Ergebnissen und Beobachtungen im einzelnen sein. Mir wird nur manchmal etwas unwohl, wenn Leute eine Art Ideologie daraus machen. Ein Autor kann da oft gar nicht viel dafür. Aber es entwickelt sich eine Art Insidersprache und -logik derer, die von den biotischen Prinzipien und den griffig formulierten Qualitätsmerkmalen begeistert sind. Ich erinnere mich aus Uni-Zeiten an die böse Bemerkung eines Professors, dass Soziologie so funktioniert: Man setzt voraus, dass menschliches Verhalten gewissen Gesetzmäßigkeiten unterliegt, und dann vereinfacht man die Beobachtungen so lange, bis man eben die „Gesetze“ herausdestilliert hat, die man postuliert hatte. Zum Glück sind die meisten „Bioten“ so pragmatisch veranlagt, dass die Ideologiebildung kaum Chancen hat.

Theologisch tue ich mich mit Rick Warrens fünffachem Auftrag (bei aller Vergröberung und ohne Begeisterung für gewisse Engführungen) leichter, weil hier auf eine für mein Empfinden tranparentere Art und Weise mit der Bibel umgegangen wird. Wenn schon ein hermeneutischer Zirkel nicht ganz zu vermeiden ist, dann lieber einer, der hier ansetzt. Soziologie und Biotik im weiteren Verlauf nicht ausgeschlossen.

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