Vorgestern war ich zu einem Treffen eingeladen, wo wir versucht haben, diese beiden Begriffe zusammenzubringen. Vielleicht war die Runde ein bisschen zu groß, die das Zentrum Mission in der Region da zusammengebracht hatte. Während die offizielle Ergebnissicherung noch aussteht, habe ich beschlossen, hier mal mein persönliches Fazit in ein paar unausgegorenen Thesen festzuhalten:
1. Wesen und Ziel von Mission
Zum Missionsbegriff ist viel geschrieben worden. Ich bevorzuge ein weites, ganzheitliches Verständnis. Mission ist mehr als nur die Predigt des Evangeliums, sondern auch der Dienst am Nächsten und das Eintreten für soziale und ökologische Gerechtigkeit.
Aber selbst in der weitesten Fassung muss man gleichzeitig festhalten: Mission ist nur das, wo sich Kirche und Christen nicht mit sich selbst beschäftigen. Das ist im großkirchlichen Kontext schwer zu definieren, wo Kirchenmitgliedschaft und Getauftsein sich mit sehr unterschiedlicher Nähe und Distanz zum Glauben verbinden.
Mission hat ihr Ziel erst dann wirklich erreicht, wenn Menschen aktiv an dieser Bewegung teilnehmen, die Gottes liebendes und rettendes Handeln an der Welt beschreibt (richtig verstanden führen Taufe und/oder die Erfahrung von „Bekehrung“ zu diesem Ziel). Wollte man über Erfolgskriterien oder Ergebnisqualität nachdenken, so müsste man ansetzen bei Fragen wie:
- hilft sie Menschen, zum Glauben zu finden und diesen auch selbst wieder weiterzugeben?
- nehmen die nach außen gerichteten Aktivitäten in einer Gemeinde zu?
- finden wir Partner in anderen Gruppen (und Glaubensgemeinschaften), mit denen wir soziale und ökologische Anliegen gemeinsam verfolgen?
- wird unsere Stimme in der Gesellschaft wahrgenommen?
2. Charakter von Mission
Hier geht es, das habe ich gestern gelernt, um die Prozessqualität. Ich hatte vorgeschlagen, sich am biblischen Ethos der Gastfreundschaft zu orientieren. Ganz knapp formuliert hat „gute Mission“ für mich fünf Aspekte; ich versuche, weitgehend positiv zu formulieren:
- Die Bereitschaft, selbst zum Fremden zu werden – sich durch die Identifikation mit Christus in eine Distanz zur eigenen (auch und gerade kirchlichen) Kultur führen zu lassen, starre Identitäten erschüttern zu lassen und deren Grenzen zu überschreiten um des Nächsten willen.
- Auf den Nächsten, der mir als Fremder begegnet, zuzugehen und ihn mit seinen Bedürfnissen wie mit seinem Reichtum sehen zu lernen
- Einen Freiraum (Zeit, Kraft, Aufmerksamkeit) zu schaffen, der frei ist von Erwartungs- und Anpassungsdruck (bzw. von allen Versuchen, andere zu beeindrucken, zu manipulieren oder zu übertrumpfen)
- Eine „freundliche Leere“ (H. Nouwen) zu pflegen, indem ich mich selbst zurücknehme und ein echter, ergebnisoffener Dialog und gegenseitiges Lernen möglich wird
- das freimütige, fröhliche und unapologetische Bekenntnis des eigenen Glaubens an den dreieinigen Gott bzw. der eigenen Glaubensgeschichte mit Gott im Rahmen der großen Geschichte Gottes mit der Welt.
Hier wird „Qualitätssicherung“ vor allem darin bestehen, auf die Rückmeldungen des jeweiligen Gegenübers zu hören. Darüber hinaus kann man sich selbst fragen (und das am besten von Jahr zu Jahr und dann die Antworten vergleichen):
- Wo bewegen wir uns als einzelne und gemeinsam über das gewohnte und vertraute Terrain hinaus?
- Wo gelingt es uns, Distanz zu überwinden und Vorbehalte bei uns selbst und anderen abzubauen?
- Wie klar ist unsere Vorstellung von unserem Beitrag zum Wohl des Gemeinwesens?
- Wo lassen wir die Beschäftigung mit eigenen Bedürfnissen und dem eigenen Erfolg bleiben um des anderen willen und pflegen Kontakte?
- Welche Spannungen nehmen wir dafür in Kauf?
- Wie kultivieren wir Achtsamkeit und Gelassenheit?
- Wie ist es um unsere Sprachfähigkeit im Blick auf den Glauben bestellt und welche Formen (Belehrung, Appell, Apologie, Bekenntnis/Zeugnis) bevorzugen wir dabei?
Oft sind hier nur relative Bewertungen möglich: Mehr/weniger (bzw. besser/schlechter) als vor einem Jahr, vor drei Jahren, vor zehn. Die jedoch können enorm sinnvoll und hilfreich sein. Man könnte schließlich auch noch die Frage der Strukturqualität aufwerfen: Aus- und Weiterbildung des Personals, Ausstattung mit Mitteln, angewandte Methoden.
Ich gestehe, dass ich das immer noch mit einem mulmigen Gefühl niederschreibe. Die Ökonomisierung so vieler Bereiche des gesellschaftlichen Lebens droht auch in den Kirchen großen Schaden anzurichten, wenn man nicht sehr umsichtig mit den Begriffen und Methoden des Managements verfährt. Ich rede zum Beispiel viel lieber von „Identität“ als „Marke“ zu sagen. In dieser Hinsicht musste ich mir beim Gespräch öfters auf die Zunge beißen. Die meisten Leute, die ich kenne, sind heilfroh, wenn in ihrer Gemeinde nicht auch noch die ganze Zeit von Effizienzsteigerungen und ähnlichen Dingen die Rede ist.
Kleiner Nachtrag: Mission ist eine Art Liebesaffäre. Kein Wunder, wenn man Hemmungen verspürt, in Herzensangelegenheiten Qualitätskriterien anzulegen.
Hallo Peter,
guter Beitrag. Viele Punkte davon finde ich sehr bedenkenswert und hilfreich.
Was ich aus Mission und Gemeindearbeit unbedingt draußen lassen würde (auch wenn da viele, viele drauf abfahren), ist der Begriff „Qualitätsmanagement“.
Klar sollte man in Gemeinde und Mission über die Methoden und deren Wirkung nachdenken, und es gibt sicher gute Arbeit und weniger gute.
Aber was ist Qualität? Wir können nicht auf Jugendtagen predigen „Mose war für den Dienst nicht geeignet, die Predigten von Paulus hatten fast null Qualität, Jeremia oder wer war viel zu jung, Abraham vertraute Gott … nicht immer, und alle übrigen Apostel und Profeten waren für ihr Amt unbrauchbar …… — und Gott setzte gerade all diese unbrauchbaren, teilweise unqualifizierten Menschen für seine Arbeit ein“ ….
wir können nicht obige Aussagen (die ja richtig sind) predigen, und dann in der Gemeinde oder Mission alles nur nach „Qualitätskriterien“ bemessen.
Ein Blick in die Bibel zeigt, dass Gott dermaßen oft sämtliche Qualitätsansprüche über den Haufen geworfen hat und immer wieder die Verachtenen (David!), Unbrauchbaren oder sonstigen Menschen für seine Arbeit eingesetzt hat.
Warum? Damit kein Mensch mit seinen Qulitätskriterien prahlen kann, so Paulus.
Wie gesagt, man muss jetzt nicht die Jugend- oder Missionsarbeits extra schecht abliefern ;-). Aber die Qualitätsverehrung in Gemeinde, theologischen Ausbildungen und Mission scheint mir teilweise etwas überhand zu nehmen. Nicht, weil Qulität nicht schön wäre, sondern weil Qualitätsmanagement in der Bibel – anders als bei uns heute – einen vergleichsweise geringen Stellenwert zu haben scheint.
Der Begriff „Liebesaffäre“, den Du benutzt hast, gefällt mir gut.
Die verliebte Braut schwärmt von ihrem Bräutigam. Voller Freude gibt sie außerdem von dem Überfluss an Geschenken, den sie von ihm empfangen hat, an andere großzügig weiter. Die Antwort der Beschenkten ist Dankbarkeit. Außerdem wird bei ihnen ein Interesse geweckt, den Bräutigam kennenzulernen. Alles andere entwickelt sich natürlich. Der „Raum“, in dem der ganze „Prozess“ oder „Vorgang“ stattfindet, ist doch eigentlich das, was die Bibel unter „Gemeinde“ versteht.
Brauchen wir dann noch „Qualitätskontrollen“?
@Dirk: Wenn die Reflexion und Kriterien dazu dienen, dass der Charakter der Liebesaffäre bewahrt bleibt (und keine Zwangsehe draus wird, kein Bratkartoffel- oder „schlampiges“ Verhältnis, dann hätte es vielleicht doch einen Sinn, sich Gedanken zu machen…
@Peter:
Stimmt, das macht Sinn, betrifft aber nur den „äußeren“, den „strukturellen“ Teil der Liebesaffäre. Die Herzenswärme kann nur der Heilige Geist erhalten, das geht dann wieder über die Gottesbeziehung des Einzelnen und der Gemeinschaft. Kann man Beziehungsqualität „messen“?
Können wir, oder muss ER?…
Ist es nicht normal, dass aus dem Liebes- irgendwann ein „Bratkartoffel-Verhältnis“ wird, dass sich dann wieder zum Liebes-Verhältnis wandeln kann, wenn wir uns hingeben (Gott und dem anderen), denn wir sind ja im Fluss…
@Dirk: kann man so sehen, aber ganz so lyrisch hatte ich das jetzt gar nicht gemeint 🙂
@Kommissionierer:
Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung stoßen dir sicher mehr als Begriff auf denn als Inhalt. Was ich in vielen Gemeinden und Werken erlebe ist, dass mangelnde Anstrengung und Halbherzigkeit mit „der Sache“ oder noch besser „am Ende liegt es an Gott, ob die Menschen begeistert sind“ begründet werden. Dagegen sollen wir uns wenden.
Wer predigt, muss sich Mühe geben. Aber auch wer die sonstigen Arbeiten in der Gemeinde macht. Was immer wir machen, wir sollten es gut machen. Lasst uns ein hohes Niveau fahren und uns nicht hinter dem Glauben verstecken. Ich möchte mich vorher anstrengen als hinge es nur von mir ab und nach getaner Arbeit demütig sein, weil ich weiß, dass es nur auf Gott ankommt. In der Konsequenz heißt das schon, dass ich an meinen Talenten und Gaben auch arbeiten muss. Wenn ich moderieren möchte in meiner Gemeinde, dann sollte ich ruhig auch mal ein Seminar besuchen oder Bücher zum Thema lesen – das reine Ausruhen auf dem „die anderen verstehen das schon…“ ist halt doch ungenügend.
In diesem Sinne kann ich dann Peter auch nur aus vollem Herzen zustimmen.