„Wann ist ein Mann ein Mann?“ fragt – mal wieder – ein Beitrag in der Arte-Mediathek im Anschluss an Herbert Grönemeyer. Und deutet damit im Titel an, dass es nicht ausreichen könnte, auf ein Y-Chromosom zu verweisen und/oder auf testosteronbasierte Geschlechtsmerkmale. Dass also zu Genetik und Anatomie noch etwas kommen muss, um ein „echter“ Mann zu sein. Und das das, was dazukommt, sogar irgendwie das Eigentliche sein könnte.
Lässt man sich auf den Gedanken ein, dann geht es ab da nicht einfach um Eigenschaften, nicht um ein bestimmtes So-Sein, sondern um das Tun: Männlichkeit wird ganz überwiegend performativ aufgefasst, und zwar absurderweise ganz besonders nachdrücklich von denen, die sich strikt gegen jede gendertheoretische Relativierung physischer Gegebenheiten verwahren.
Am sogenannten „Vatertag“ werden gewisse Stereotypen performativer Männlichkeit besonders zelebriert. Andere haben mit Bier und Bollerwagen weniger zu tun, aber auch da gilt: Man ist nur (oder vor allem) dann ein „richtiger“ Mann, wenn man dieses oder jenes tut.
Es gibt eine ganze Männlichkeitsindustrie, die Männern „hilft“, sich als Männer zu fühlen, indem Sie irgendwelche Männerdinge tun. Irgendeinem Ideal nacheifern, das mal so und mal so aussieht. Grölen, Grillen, irgendwas verbrennen oder irgendwas jagen … ach, und vor allem scheinen viele „richtige“ Männer sich dadurch auszuzeichnen, dass sie anderen nur allzu bereitwillig unter die Nase reiben, dass sie gar keine echten Männer sind, solange sie das nicht tun, was Männer angeblich ausmacht. Oder üble Ressentiments gegen Frauen entwickeln und verbreiten, die vermeintliche Männerdinge tun und deshalb als Bedrohung der Männlichkeit insgesamt wahrgenommen werden.
Wäre also am Ende einfach dies das Wesen des Männlichen, dass man immer einem (reichlich wandelbaren) Ideal hinterherhechelt? Ein Ideal, das deshalb auch unerreichbar sein muss, weil man in dem Augenblick, wo man es erreichte, nichts mehr tun könnte und sich die zugrundeliegende Performativität damit selbst erledigt hätte?
Oder ist dieser Anspruch, das eigene Mannsein immer und immer wieder zu verwirklichen oder zu unter Beweis zu stellen, eher eine als Problemanzeige zu sehen und eine Beeinträchtigung – wenn schon nicht der Männlichkeit, dann auf jeden Fall der Lebensqualität?
Was würde wohl passieren, wenn Männer die Nonchalance an den Tag legen könnten, einfach die zu sein, die sie gerade sind: Jetzt, in diesem Augenblick, ohne nach rechts und links zu schielen und auf Bestätigung von irgendwem zu warten, wie männlich ich dabei erscheine? Gottes Erlaubnis dazu habe ich. Aber gestehe ich mir es auch selbst zu?
(Foto von Vince Fleming auf Unsplash)