Das Reich Gottes – und warum man es nicht „bauen“ kann

In den letzten Wochen habe ich mir die Frage gestellt, was für mich theologisch wesentlich ist. Immer wieder bin ich bei Jesu Botschaft vom Reich Gottes gelandet. Wenn mich jemand nachts aufwecken würde und fragen, welcher Bibelvers mir der wichtigste ist, würde ich sagen: Matthäus 6,33 „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit, dann wird auch das alles [was man sonst noch zum Leben braucht] zufallen“. Man könnte sagen, das ist eine Einladung zum Leben nach dem „Zufallsprinzip“.

Rosie Kerr

Immer wieder mal höre ich jemanden davon reden, dass er/sie/wir „Reich Gottes bauen“ würde. Dieser unbiblische Sprachgebrauch zeigt schon, dass es da noch mächtig mit dem Verstehen hapert: Gottes Reich lässt sich nämlich nicht bauen. Schon gar nicht von uns! Es ist kein menschliches Projekt, keine religiöse Institution, auch keine interkonfessionelle Aktion oder übergemeindliche Struktur. Das Reich Gottes ist vielmehr die Kritik aller menschlichen Projekte. Es kommt, es bricht an, es wächst, es breitet sich aus (auch durch unser Zutun), aber wir bekommen es nicht zu fassen. Im Buch Daniel löst sich ein Felsbrocken im Gebirge und poltert in die Ebene hinab. Dort legt es eine Statue in Trümmer, die für die Supermächte der alten Welt steht. Menschen sind durchaus verwickelt in dieses Geschehen, aber es geht nicht auf menschliche Initiative zurück.

Wir können Kirche und Gemeinde bauen. Wir können Projekte durchführen, und viel Gutes kann dabei geschehen – nur sollten wir das nicht mit Gottes Reich verwechseln. Diese Dinge laufen vielmehr Gefahr, zu unserem Reich zu werden, wenn wir sie nicht klar vom Reich Gottes unterscheiden und von dort her kritisch betrachten. Das Reich Gottes stellt sie alle unter Vorbehalt. Und manchmal stellt es sie einfach auf den Kopf. Es hat eine ausgesprochen subversive Ader. Und das ist auch wichtig: Ein Blick nach Venezuela oder Zimbabwe zeigt, dass der Revolutionär von gestern zum Diktator von heute werden kann und das Projekt zum Problem. Kirchlich gilt das natürlich auch, Beispiele schenke ich mir an dieser Stelle.

Deshalb schickt uns Jesus in der Bergpredigt auf die Suche nach dem Reich Gottes. Es liegt oft abseits den Offensichtlichen: Im Verborgenen und Unscheinbaren, an den Rändern von Kirche und Gesellschaft, nicht in den Zentren der Macht und Aufmerskamkeit und nicht an der Spitze der Hierarchien. Unsere Bauten (das ist die Crux dieser Metapher) sind Immobilien – statisch und unbeweglich. Gottes Reich hingegen ist mobil, es lässt sich nicht dingfest machen. Es entzieht sich jeder Art von Verzweckung aus persönlichen oder politischen Motiven.

Es entzieht, wenn alles richtig läuft, mich am Ende mir selbst.

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