Wenn Schweigen nicht weiter hilft

Und noch eine Gesprächsrunde mit Miroslav Volf in Berlin. Viele spannende Fragen wurden aufgeworfen. Zwischendurch spricht einer aus der Runde die demnächst zu erwartende Gleichstellung homosexueller Lebensgemeinschaften an und bemerkt, dass viele Christen gar keine Stellung nehmen und dass die wenigen konservativeren Stimmen, die öffentlich sagen, dass sie da nicht mitkönnen, in den Medien heftig Prügel beziehen. Wie sollten sich Christen in dieser Situation verhalten?

Es war nicht die Frage nach der „richtigen“ und der „falschen“ Position, sondern eher das Erschrecken über die Sprachlosigkeit in einer Frage, die gerade ganz Europa (und die USA) bewegt: Kürzlich berichtete SPON, dass laut ARD Deutschlandttrend sogar die Mehrheit der CSU-Anhänger für die „Homo-Ehe“ sei. Die Parteiführung positioniert sich (momentan – das muss man bei Horst Seehofer ja immer einschränkend dazu sagen) jedoch dagegen, mit Rücksicht auf ihre konservativeren Wähler. Wohl um zu verhindern, dass diese an der schwankenden Haltung der Union verzweifeln, hat es CSU-General Dobrindt dann auch gleich wieder in gewohnter Manier krachen lassen. Den Satz mit der „schrillen Minderheit“ hat er wohl beim politischen Aschermittwoch nicht mehr im Manuskript unterbringen können (nebenbei ist eine ganz eigene Problematik dabei in der katholischen Kirchen entstanden, wie dieser Artikel von David Berger bei Zeit Online zeigt).

In der Gruppe ließ sich das Ganze nicht mehr ausdiskutieren, auch nicht die verschiedenen Ausgrenzungstendenzen, die es allerorts befördert. Nachdem unser Oberthema jedoch die Versöhnung war in diesen Tagen habe ich mich gefragt, ob es nicht ein echter Beitrag zur gesellschaftlichen Diskussion wäre, wenn Christen ihre unterschiedlichen Positionen untereinander in aller Offenheit, mit der angemessenen intellektuellen Redlichkeit und Sorgfalt und in versöhnlichem Ton diskutieren könnten, ohne dass der Konservative gleich als „homophob“ betitelt wird und ohne dass der Progressive (ich weiß, die Kategorien sind unbefriedigend) sich anhören muss, er habe die „biblische Wahrheit“ verraten.

Die Differenzen in der Sache werden wir damit ziemlich sicher nicht lösen, aber vielleicht braucht unsere Gesellschaft auch viel dringender ein Modell, wie man Streitfragen respektvoll behandelt, als eine „richtige“ Antwort, mit der man gleich wieder siegesgewiss auf andere losgehen kann? Mehrheitsbeschlüsse sind eine Sache, die andere ist, wie man einen Raum schafft, in dem ein echter Konsens entstehen kann, wenn der bisherige nicht mehr trägt. Und hoffentlich gelingt das dann besser als Dobrindt und Seehofer das in bewährt taktierender good-cop/bad-cop-Manier derzeit vorführen, weil mal wieder Wahlen anstehen.

Share