Das Glücksdilemma

DSC03040.jpgDie meisten Leute, die ich kenne, schenken gern. Dabei ist es zweitrangig, was man verschenkt. Wichtig ist, dass man es tut. Viele Geschenke weisen über sich hinaus und machen eine Aussage über die Beziehung zwischen den beteiligten Personen. Anders gesagt: sie sind kleine Zeichen der Liebe zwischen Menschen.

Der Zauber des Geschenks liegt in der Freiheit, aus der es kommt. Wenn jemand einen Anspruch oder gar eine Forderung erhebt, oder wenn Gewohnheit die Freiheit in Selbstverständlichkeit verwandelt, dann verliert ein Geschenk seinen Wert, dann wird aus dem Schenken ein Tausch, mit dem man eine Verstimmung zu verhindern hat oder Klagen zuvorkommen muss.

So weit die Theorie. In der Praxis gibt es sehr unterschiedliche Bedürfnisse zwischen Menschen. Und da wird es gar nicht so leicht, zu den eigenen Bedürfnissen zu stehen und zugleich dem anderen den Raum für Geschenke zu lassen. Beziehungsweise auch das als Geschenk zu erkennen, was das eigene Bedürfnis nicht gleich schon übererfüllt (sofern das überhaupt möglich ist), sondern vielleicht nur ansatzweise deckt.

Ich finde mich selbst mal auf dieser und mal auf jeder Seite dieses Glücksdilemmas wieder. Aber wenn das Kunststück gelingt, so weit Distanz zu sich selbst zu gewinnen, dass man dem anderen den Raum zum Schenken lässt, erlebt er sich nicht mehr als minderbemittelter Tauschpartner, sondern als jemand, der kompetent ist in Sachen Liebe. Und die Lust zum Schenken nimmt zu mit diesem Erfolgserlebnis, während sie mit jedem ungeduldigen „endlich hast Du’s begriffen“ oder „wieder nicht genug“ schwindet. Umgekehrt muss ein Zutrauen da sein, dass der andere gerne schenken würde, um die Forderungen zurückzunehmen, die es ihm unmöglich machen.

Share