Korea (8): Soziale Pioniere

Rev. Bom Seok Kim berichtet von seiner Arbeit als „Wirtschaftsmissionar“ – so wird er hin und wieder scherzhaft genannt: Er möchte mit der Merryyear Foundation Geschäftsleute dazu bringen, durch Mikrokredite Bedürftigen zu helfen, wirtschaftlich auf die Beine zu kommen – nicht nur in Korea, sondern auch in anderen Ländern wie Vietnam oder Malawi.

Er sagt, die Kirchen in Korea haben in der Gesellschaft an Glaubwürdigkeit eingebüßt. Das Engagement für soziale Gerechtigkeit auf dem Boden des Evangeliums könnte so ein Schritt sein. Statt 20 Millionen Dollar für ein Gebäude auszugeben, hat sich seine Gemeinde entschieden

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Frau Myung Sook Cho, sie ist stellvertretende Leiterin einer Schule für Flüchtlinge aus Nordkorea, und das, obwohl Frauen in der Diktatur dort alles andere als angesehen sind. Sie begann früh, sich um von Abschiebung bedrohte nordkoreanische Flüchtlinge in China zu kümmern. Also verhalf sie einer Gruppe zur Flucht nach Vietnam und kam dafür ins Gefängnis.

Weil die Leute, mit denen sie arbeitet, aus einem brutalen Überwachungsstaat vor dem Hungertod geflohen sind (1996-98 starben 3 Millionen Menschen oder 15% der Bevölkerung), trauen sie niemandem über den Weg, erst recht keinem unsichtbaren Gott. Die Schule hilft ihnen, sich in der südkoreanischen Gesellschaft zurechtzufinden, so dass sie im hiesigen Bildungssystem Anschluss finden.

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Rev Kim gibt der derzeitigen Regierung die Schuld für das schlechte Klima zwischen den koreanischen Staaten und hofft auf einen Wechsel bei den anstehenden Wahlen, der eine Wiedervereinigung wahrscheinlicher machen würde. Vielen Südkoreanern machen aber die Kosten einer Wiedervereinigung Sorgen, nicht jeder möchte tatsächlich mit den armen Landsleuten im Norden teilen. Daher sind auch die Bemühungen im eine Wiedervereinigung eher halbherzig, 60 Jahre nach dem Krieg.

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Reformation auf Koreanisch

Das zweite Podiumsgespräch am gestrigen Montag: Generationenwechsel in traditionellen (Mega-)Gemeinden – der verlief keineswegs überall gut, aber es gibt etliche gute Beispiele:

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Rev Kee Chae Han von der Evangelical Homines Church (1907 von Koreanern gegründet, inzwischen als quasi eigene Konfession auf 3.000 Gemeinden im Land). Theologische Ausbildungsstätten sind die Laboratorien und Übungsfelder für ihn. Seine Gemeinde spricht von „total care ministry“ – jede Lebensphase vom Mutterleib bis an die Schwelle zur Ewigkeit soll möglichst gut begleitet werden. Rund 1.200 ehrenamtliche Leiter arbeiten in seiner Gemeinde mit.

Rev. Han spricht die Sprache des Managers: Er nennt drei Paradigmenwechsel, über die er ein Buch geschrieben hat, reißt fünf Stadien der Entwicklung von Leitern nach John Maxwell an und erklärt die vielfältigen Programme seiner Gemeinde für alle möglichen Zielgruppen, Sprachen und Kulturen und nennt Bildungsprojekte in Nepal und Kambodscha. Den Werten seiner Gesellschaft, Macht, Geld und Ansehen, setzt er die Begriffe Liebe, Frieden und Freiheit entgegen.

Aber auch er sorgt sich um den Ansehensverlust der Evangelikalen, daher hat eine eine Art Ethikcode für sich und seine Kollegen geschrieben. Offenbar gab es eine ganze Reihe von Fällen, wo diese moralisch versagt haben: sexuelle Belästigung von Gemeindegliedern, die Veruntreuung von Geld und Ähnliches. Dazu kommt die absurde Zersplitterung: Allein die Presbyterianer haben 250 (!!) Verbände – vermutlich das problematische Erbe der US-amerikanischen Mutterkirchen, die dürften auch für das antikatholische Ressentiment verantwortlich zeichnen.

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Pastor Park, Samuel No-Cheol spricht von den Wundern in Korea: Gemeindewachstum (heute sendet man Missionare in alle Welt), Wirtschaftswachstum (von Nehmer- zum Geberland). Er ist seit drei Jahren Pastor einer großen, aber im Stil sehr traditionellen Gemeinde, der Seoul Presbyterian Church, in der seine zeitgemäße Predigtweise trotzdem gut ankommt. Auch viele andere Gemeinden werden inzwischen von Koreanern geleitet, die einen großen Teil ihrer Kindheit und Jugend im Ausland verbracht haben und mehrsprachig aufgewachsen sind. Der Fachbegriff lautet 1.5 Generation.

Pastor Hyung Eun Lee von der Sungnak Evangelical Holiness Church („nur“ ca. 3.000 Gottesdienstbesucher, 7.000 Mitglieder) spricht über die Notwendigkeit des Wandels und der Reformation in Korea. Er hat über den Pietismus promoviert, der nicht nur kirchliche, sondern auch gesellschaftliche Reform im Blick hatte, und hat auf Eugene Petersons Kritik an Megachurches geantwortet. Praktische Alltagssituationen sind in seinen Predigten sehr wichtig. Der Lebensbezug darf nicht verloren gehen. Zugleich müssen wir wieder zurück zum Ursprung, zur alten Kirche und zum Text des Neuen Testaments.

Hier sitzen drei Männer, die sich sehr um die Zukunft ihrer Kirchen sorgen. Sie spielen die Probleme nicht herunter, suchen nach Lösungen, brechen mit alten Mustern, lösen sich von ihren Vorgängern und sind bereit, dafür selbst einen hohen Preis zu bezahlen. Ob ihre Konzepte schon weit genug greifen oder nicht, wird man sehen müssen. Aber wenn sie sich durchsetzen, bekommt vielleicht die Ökumene eine neue Chance. Immerhin!

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