Kraut und Rüben, aber gut

In der FAZ überlegt Tobias Rüther unter der Überschrift “Keine Gnade für Britney Spears”, warum alle Welt meint, öffentlich über Britney Spears herfallen zu müssen. Im letzten Absatz stellt er die berechtigte Frage:

Britney Spears ist zum Politikum geworden, wer sich zu ihr äußert, bezieht Partei – weil es auch eine Frage der Politik ist, einer jungen Mutter das gleiche Recht auf Eskapaden zu gestatten wie zum Beispiel einem Robbie Williams.

Scheitern und Glauben hat auch David Williamson im Blick, wenn er über Leonard Cohen schreibt, und dabei dessen unglaublich traurig-schönen Song “Hallelujah” zitiert, zu dem man allein einen ganzen Gottesdienst gestalten könnte:

This is not propaganda but portraiture – the portrayal of a God-hungry man in a far from utopian world.

Depone hat auf einen Artikel über die theologische Rezeption des Gedankens vom Tod Gottes bei Nietzsche hingewiesen, dessen Autor nicht direkt genannt wird.

Ich selbst habe die sehr inspirierende erste Hälfte von Pete Rollins‘ How (Not) to Speak of God ausgelesen (den Rest lese ich in Etappen) und werde nun meine Nase in John Caputos What Would Jesus Deconstruct?: The Good News of Postmodernism for the Church stecken.

Rollins würde bei Mike Bischoffs Test vom Sonntag sicher unter der Kategorie “Revisionist” erscheinen. Ich finde nur die Ausdrücke sehr unglücklich gewählt. Im Deutschen ist Revisionismus gar kein gutes Wort. Und im Kontrast zu “Relevants” (das Etikett, das beim ersten Hören jeder wählen würde, vermute ich) scheint es ja fast so, als liege dieser Gruppe Relevanz fern. Hallo?

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Stürmische Tagung

Am Freitag und Samstag war ich bei einer Tagung für Älteste und leitende Mitarbeiter(innen) der Freien Evangelischen Gemeinden auf dem Dünenhof. Die weite Reise nach Cuxhaven hat sich schon wegen des Wetters gelohnt. Muss man normalerweise eine Viertelstunde laufen, um ans Wasser zu kommen, stand es dank der Sturmflut gleich am Deich hinter dem Haus. Und der Orkan hätte mich zweimal fast umgepustet.

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Inhaltlich gab es vor allem auf meine letzte Einheit lebhafte Resonanz. Das Thema Frauen in Leitungsfunktionen wird im Bund der FeG sehr lebhaft diskutiert. In den Landeskirchen ist das über 30 Jahre her und so konnte ich vielleicht etwas unbefangener reden als ein Insider. Aber ist es nicht einfach seltsam, wenn auf Dauer in einem Land, das von einer Bundeskanzlerin geführt (ok, da streiten sich die Kommentatoren momentan) wird, Frauen in Gemeinden nichts zu sagen haben sollten, zumindest nicht öffentlich von der Kanzel mancher Kirchen?

Ich musste zwischendurch mal an “My Big Fat Greek Wedding” denken. Dort durften die Männer auch das Haupt sein, aber die Frauen, so erfuhr man, seien der Hals. Und der dreht das Haupt da hin, wo er will. Auch das freundlichste Patriarchat wird auf Dauer eine Kuriosität werden. Und biblisch gesehen gibt es wirklich keinen zwingenden Grund, sich das anzutun.

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Berufskrankheiten

Mein Sohn war sauer, weil sein Lehrer sich ihm gegenüber einer – sagen wir: etwas rustikalen – Sprache bedient hatte. Schon zum zweiten Mal. Ich ging also in die Sprechstunde, um der Sache nachzuspüren und die andere Seite zu hören. Und noch ehe ich einen Satz zum Grund meines Kommens sagen konnte, legte der sympathisch-dynamische Pädagoge auch schon los: “Ihr Kind macht uns (!) große Sorgen”. “Interessant”, dachte ich, “Angriff ist immer noch die beste Verteidigung. Hat er ein schlechtes Gewissen?”

Als er schließlich eine Pause machte in der Beschreibung der vielfältigen, mir leidlich bekannten Spannungsfelder, sprach ich den konkreten Anlass meines Kommens an und erfuhr, dass es sich um einen Hörfehler auf der Seite des Schülers handelte. Klar, kann ja mal vorkommen. Aber warum holte er sofort wieder so weit aus und erklärte mir auch noch alle möglichen Dinge, nach denen ich gar nicht gefragt hatte?

Lehrer (sie sind da sicher nicht die einzigen!) scheinen mir allgemein im Reden besser zu sein als im Zuhören. Aber am Ende hatten wir dann doch einen Lösungsansatz für den Konflikt.

Es war etwas zäh. Genau wie manche Gespräche mit meinem Sohn… 🙂

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Mühsame Definitionen

In den letzten Tagen habe ich etwas in Pete Rollins‘ Buch “How (Not) to Speak of God” gelesen und viele interessante Gedanken entdeckt. Nachdem das emergent forum näher rückt, hat mich dieser Satz noch eine Weile beschäftigt. Vor allem Kritiker wissen viel genauer, was emerging church ist, als die Leute, die sich irgendwie dazu zählen. In diesem Fall haben aber die mehr verstanden, die weniger “wissen” – je “affiner” jemand ist, desto weniger muss also “de-finiert” werden:

Der erste Anlauf, dieses Netzwerk zu verstehen, hinterlässt oft eine gewisse Enttäuschung, weil sich sein kinetisches und dynamisches Wesen nicht einfach auf ein paar theologische Lehren und rituelle Praktiken reduzieren lässt.
Stattdessen haben wir es mit einer vielschichtigen Matrix von Beziehungen zu tun, die unterschiedliche Gemeinschaften verbinden. Schon ein kurzer Überblick über dieses Netzwerk verrät, dass die Beteiligten weder eine bestehende theologische Tradition verbindet, noch der Wunsch, eines Tages eine zu entwickeln.
Der Begriff “emergent” kann also nicht so verstanden werden, dass er ein Werden beschreibt, das eines Tages als etwas Einzelnes, Einheitliches und konfessionell Bestimmtes auf der religiösen Bildfläche erscheint (analog zu einer Raupe, die demnächst ihren Kokon sprengt und als Schmetterling davon fliegt), oder ein Werden, das sorgfältig nachgezeichnet werden kann (wie die Flugbahn einer Gewehrkugel).

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Etikettenschwindel

Mein Auto wurde angerempelt und wird nun repariert. Der Leihwagen, ein für Peugeot-verwöhnte Ohren recht rustikal brummender Polo Diesel, hat allerdings ein Forchheimer Kennzeichen.

Schon ein eigenartiges Gefühl, so etikettiert die Stadt zu fahren. Andererseits kann ich jetzt auch mal die Einbahnstraße falsch herum fahren und alle das, was die Freunde vom Land sonst so anstellen hier, und die Erlanger werden nur den Kopf schütteln und seufzen…

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Fremde: Wen der Bürger nicht kennt

Auch wenn der Saal nach dem Mitarbeiterwochenende auf dem Hesselberg nicht so gut gefüllt war wie sonst, wir hatten am letzten Sonntag einen guten Abend zum Thema “Fremde”.

Eine Frau, die vor 20 Jahren aus Asien eingewandert ist, hat uns im Interview gesagt, ihr habe damals dieser Rat geholfen: “Die Deutschen sind wie eine Kokosnuss. Es ist schwer, hineinzukommen. Aber wenn man mal drinnen ist, schwimmt man mit ihnen.”

Wer es verpasst hat oder sich aus der Ferne ein Bild machen möchte, hat hier die Möglichkeit, das mp3 herunterzuladen. Das andere Highlight des Abends, die Band Ebenbild, findet Ihr hier.

Lebensart Nov07

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Politikversagen?

Gestern haben mich zwei Nachrichten nachdenklich gemacht: Die Reichen werden auch bei uns unaufhaltsam reicher. Die wohlhabendsten zehn Prozent besitzen zwei Drittel des Volksvermögens. Tendenz steigend. Viele Normalverdiener haben (zumal bei steigenden Preisen für Lebensmittel und Sprit) gar keinen Spielraum, um zu sparen und Vermögen zu bilden. Das ist einerseits eine Folge der Globalisierung, die nicht nur uns betrifft. Andererseits spiegelt es aber auch das Versagen der Politik wider. So treibt man die Wähler der Linkspartei in die Arme.

Der zweite Punkt ist die Gier unserer Stromriesen, deren Fusion unsere Volksvertreter betrieben und gefördert haben. Nun haben wir offenbar ein Kartell, das die Preise hoch hält: Zu Gunsten seiner Aktionäre (die oberen 10%) und zu Lasten seiner Kunden (die restlichen 90%) und die immer weiter dreist an der Preisschraube drehen, obwohl Strom bei uns schon teurer ist als anderswo.

91,6% der tagesschau.de-Leser würden die Stromkonzerne zerschlagen. Die Aussicht auf ein bisschen Populismus zu Lasten der Strom-Lobby kann man sich doch nicht entgehen lassen, oder?

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Naive Postmoderne?

Depone hat jüngst die Frage Leitungsverständnisses zwischen Rebellion und Unterwürfigkeit aufgegriffen – ein Spannungsfeld, in dem wir uns wohl alle irgendwie bewegen. Ich bin gespannt auf die Kommentare.

Beim Lesen habe ich mich an eine Grafik erinnert, die ich in The Truth about the Truth: De-confusing and Re-constructing the Postmodern World von Walter Truett Anderson gefunden habe. Die Diskussion, ob die Postmoderne schon vorbei sei, erübrigt sich, wenn man versteht, dass hier nicht nur ein Schritt linear hinter den vorhergehenden (Moderne) gesetzt wird, sondern dass die Krise der Moderne ein ganzes Bündel von Reaktionen ausgelöst hat, die nun alle gleichzeitig ablaufen:

Postmodern

Von daher überrascht es auch nicht, dass Menschen (manchmal ein und dieselbe Person) hin und hergerissen sind zwischen vormoderner Naivität und radikaler Skepsis.

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Gassi fahren

Heute bin ich mit dem Auto hinter einem Traktor hängen geblieben, der ungewöhnlich langsam fuhr, weil die alte Bäuerin ihren auch nicht mehr ganz jungen Hund an der Leine nebenher laufen ließ. Das sind die Momente, wo man für ein Fotohandy dankbar ist:

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Wachstums-Logik

LeRon Shults und Steven Sandage haben das Modell des Schmelztiegels (engl.: crucible) von David Schnarch für geistliche Wachstumsprozesse adaptiert und mit den drei Wegen der Mystik (Läuterung, Erleuchtung, Einswerden) verbunden. Damit sind sie der Gefahr entronnen, plump Phasen und Stufen an einander zu reihen, und sie haben die Dynamik des Konflikts positiv einbezogen.


Ich habe für unser Mitarbeiterwochenende die Grafik aus “Transforming Spirituality: Integrating Theology and Psychology” übersetzt. Hier könnt Ihr sie ansehen. Sie eignen sich gut zur Beschreibung individueller Entwicklungen. Für ganze Gruppen gibt es vielleicht Analogien, aber die Gefahr ist groß, mehr in die Situation hineinzulesen, als sie hergibt.

Hier ist das Schema für alle, die es interessiert:

Schmelztiegel

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Von sich auf andere schließen

Während der Stillen Tage in Nether Springs bekam ich von meiner Begleiterin ein Bild in die Hand gedrückt, das ich den Tag über betrachten sollte. Ein Kind saß auf dem Arm und legte seine Arme um den Hals eines Erwachsenen. Die Gesichter der beiden waren nicht zu sehen, nur diese Umarmung.

Im ersten Augenblick dachte ich, ich muss mich jetzt korrekterweise als das Kind und Gott als den Vater sehen. Aber es ging irgendwie nicht. Stattdessen dachte ich unwillkürlich an das anhänglichste meiner Kinder, und wie gut es mir tut, es im Arm zu halten. Seit mehreren Tagen weit weg von zuhause fehlte mir das noch mehr. Ich erinnerte mich an die tiefen Gefühle, die in mir aufsteigen, wenn ich von einem kleineren, zerbrechlichen Wesen so schweigend umarmt und gedrückt werde.

In so einem Moment erscheint die Frage, wer hier für wen da ist und wer wem etwas Gutes tut, als völlig absurd. Ich begann zu ahnen, dass es Gott mit mir genauso geht: Ich kann vielleicht nicht viel für ihn tun, das er nicht selber besser tun könnte. Und so richtig beeindrucken kann ich ihn schon gar nicht. Aber wenn ich mich in seine Arme fallen lasse, ob fröhlich oder traurig, müde oder munter, dann tut ihm das auch gut. In dieser Hinsicht denke ich, ist es vielleicht doch erlaubt und angebracht, ausnahmsweise einmal von mir selbst auf Gott zu schließen.

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