Sonnenuntergang am Flughafen Nürnberg…
Augenzwinkern
Ich kam ziemlich kaputt von einer flotten Laufrunde zurück und ging zum Verschnaufen die letzten 250 m zur Haustür.
Plötzlich hörte ich schräg hinter mir kleine Füße trappeln und drehte mich um. Ein kleines Kind lugte unter einer Mütze hervor, streckte mir ein goldenes Schokoladen-Osterei entgegen und sagte “Da!” (viel mehr konnte es wohl auch nicht sagen).
Dann drehte es um und lief davon. Ich glaube, Gott hat mich in dem Moment angezwinkert. Viel mehr als nur Schokolade für die Nerven.
Auf dünnem Eis
Wissenschaftliche Wunder-Erklärung bleibt ein Widerspruch in sich. Den neuesten Anlauf schildert die SZ: Jesus sei über eine Art sporadisch auftretendes Blitzeis am See Genezareth marschiert. Petrus muss dann wohl eingebrochen sein?
Biblische Geschichten auf diese Weise für “moderne Menschen” nachvollziehbarer zu machen bedeutet, sich auf sehr dünnes Eis zu begeben. Meistens verschiebt man die Probleme nur. Die Forscher wiesen lediglich auf die Möglichkeit hin. Wie es tatsächlich war, können sie auch nicht sagen…
Die richtigen Fragen stellen
Gestern abend habe ich es endlich doch noch geschafft, in “Walk the Line” zu gehen. Die wilden Jahre von Johnny Cash sind mitreißend erzählt und es ist leicht nachzuvollziehen, dass der Film drei Golden Globes und Reese Witherspoon für ihre Rolle den Oskar bekam. Aber das ist ja nur das Vordergründige.
Mir hat gut gefallen, wie Johnny Cashs schwierige Lebensgeschichte (vor allem mit dem jähzornigen und verbitterten Vater) so dargestellt wurde, dass man ihn verstehen konnte. Gleichzeitig kam er aber nicht als “Opfer” weg, sondern man hätte ihm zwischendurch auch gern mal eine runtergehauen für seine Drogengeschichten und sein unverantwortliches Verhalten. Gut, dass ihn June vor dem totalen Absturz rettet und nach allen Irrwegen ein versöhnliches Ende steht. Nun würde mich interessieren, wie es weiterging. Vielleicht sollte ich mal in Steve Turners Cash-Biografie schauen.
“Ein Mann namens Cash. Die autorisierte Biografie” (Steve Turner)
Aber zurück zum Film. Eine der stärksten Szenen fand ich, als der von floskelhaften, halbherzig heruntergenudelten Gospelsongs gelangweilte Plattenproduzent zu ihm sagt, er solle sich vorstellen, er sei am Verbluten und könnte noch ein einziges Lied singen, das Gott und der Welt das ausdrückt, was er wirklich empfindet. Das war der Wendepunkt.
Ich glaube, die meisten von uns brauchen Leute, die ihnen ab und zu so eine Frage stellen.
Nochmal Guardini: An den Grenzen
Die letzten Tage habe ich noch mehr Guardini gelesen und anderen vorgelesen. Scheinbar bin ich nicht der einzige, der sich verstanden und ab und zu auch richtig ertappt fühlt. Wie konnte jemand so klar und knapp ein komplexes, verworrenes Lebensgefühl beschreiben und deuten?
Nehmen wir zum Beispiel nur mal diese Passage:
Dann aber setzt die Krise ein: nämlich ein immer deutlicheres Gefühl für die Grenzen der eigenen Kraft. Der Mensch erfährt, dass es ein Zuviel gibt, an Arbeit, an Kampf, an Verantwortung…
Die Arbeitslast häuft sich. Die Anforderungen werden immer größer. Hinter jeder tauschen wieder neue auf und man sieht kein Ende… Denken wir daran, was es bedeutet, ein Heim aufrecht zu halten; eine Familie zum Gedeihen zu führen; einen Beruf zu verwirklichen; einen Betrieb zu leiten; öffentliche Funktionen zu erfüllen. Was darin alles an Personen, Dingen, Kräften Ordnungen steckt; welche Spannungen, Schwierigkeiten, Widerstände sich geltend machen. Das alles strebt beständig, auseinander zu rinnen (…)
Bisher haben der Ernst, die Entschlossenheit, die Verantwortung für das Gründen, Bauen, Kämpfen das Bewusstsein bestimmt. Nun verliert das alles seine Frische und Neuheit, sein Interessantes und Anspornendes. Man weiß allmählich, was das ist: das Arbeiten und Kämpfen. Weiß, wie die Menschen sich benehmen, wie die Konflikte entstehen, wie ein Werk ansetzt, sich entfaltet und fertig wird, wie eine Menschenbeziehung sich entwickelt, eine Freude erwacht und zerrinnt (…)
Immer mehr enthüllt sich die Armseligkeit des Daseins. Man erlebt Enttäuschungen an Menschen, auf die man Hoffnung setzte. Die Allgemeinheit offenbart eine Stumpfheit und Gleichgültigkeit, ja eine Böswilligkeit, die man früher noch nicht sah. Man sieht hinter die Kulissen und merkt, dass die Dinge viel kümmerlicher sind, als man gedacht hat.
In Anbetracht all dessen geht es darum, sagt Guardini, dass ein so ernüchterter Mensch weder leichtfertig ausbricht, noch sich in die Arbeit flüchtet, noch frustriert nur das Nötigste tut, sondern “jene Bejahung des Lebens vollzieht, die aus Ernst und Treue kommt, und ein neues Gefühl für den Wert des Daseins gewinnt”. Das Ergebnis beschreibt er so:
Menschen dieser Art sind es, auf die sich das Dasein verlässt. Gerade weil sie nicht mehr die Illusion des großen Gelingens, der leuchtenden Siege haben, sind sie fähig, zu vollbringen, was gilt und bleibt. Solchen Wesens sollte der wirkliche Staatsmann sein, der Arzt, der Erzieher in all seinen Formen.
Hier entsteht der überlegene Mensch, der fähig ist, Gewähr zu geben.
Das klingt doch gut. Wäre ich nur schon da…
Unmögliche Einsamkeit
“Und trotzdem”, beharrte der Wilde, “ist es ganz natürlich, an Gott zu glauben, wenn man allein ist – ganz allein, in der Nacht, und an den Tod denkt…”
“Die Menschen sind heute nie allein”, entgegnete Mustafa Mannesmann. “Wir bringen sie dazu, die Einsamkeit zu hassen, und richten ihr ganzes Leben so ein, dass Einsamkeit für sie nahezu unmöglich ist.”
Aldous Huxley, Schöne neue Welt – Wer das Thema vertiefen möchte, kann es mit Dallas Willard versuchen. Noch ist es ja möglich, unberieselt und unberauscht zu bleiben.
Düstere Prophezeiungen aus der Vergangenheit
Ich blättere (dienstlich…) in Aldous Huxleys “Schöne neue Welt” und bin mal wieder von den Socken, was der Mann in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts schon kommen sah. Noch hat unsere Konsum- und Spaßgesellschaft nicht ganz die beschriebenen Dimensionen erreicht, aber wenn Huxley heute noch leben würde, er bekäme tagtäglich Recht. Ob Huxley die Hoffnung hatte, dass sich sein Albtraum verhindern ließe?
Richtig spannend ist etwa, welche Bücher in den “Giftschrank” des Weltaufsichtsrates kommen: Die Bibel, Thomas a Kempis und Kardinal Newman, der dann auch noch ausführlich zu Wort kommt. Vielleicht kann ich in den nächsten Tagen noch ein paar knackige Zitate nachschieben.
Das Kreuz tragen
Mag sein, dass in der Passionszeit besonders viel dazu geschrieben und darüber geredet wird, aber ich finde es immer noch verwirrend, was so alles zum Thema “das Kreuz auf sich nehmen” gesagt wird.
- Geht es darum, sich in sein Schicksal zu fügen und einfach alles Leiden, was einem im Leben zustößt (selbst-, fremd- und unverschuldet) standhaft zu tragen und daran zu wachsen?
- Oder geht es darum, dass wir zu dem unvermeidlichen Leid bewusst wenigstens das Risiko in Kauf nehmen, zusätzlichen Schmerz zu erleiden, indem wir uns mit leidenden Menschen und mit einem leidenden Gott aktiv identifizieren?
- Eher unwahrscheinlich ist die Variante, sich willkürlich Schmerzen zuzufügen in obskuren Praktiken, sei es um sich abzuhärten oder innere Prozesse damit (im wahrsten Sinn des Wortes) anzustacheln.
- Oder ist es ein bisschen von allem und man kann das gar nicht trennen…
Mir scheint die Antwort eher im zweiten Punkt zu liegen – Leiden um der Liebe zu anderen willen, indem wir uns zurücknehmen und verletzlich machen. Aber vielleicht habe ich das noch nicht ganz verstanden? Vielleicht muss man das auch gar nicht verstehen?