Ich bin immer noch am Thema “Sünde, Kreuz und Bekehrung im Horizont der Postmoderne” und frage mich gerade, ob die Themenstellung nicht schon symptomatisch ist für die Probleme, auf die christliche Verkündigung eines bestimmten Typs trifft.
- Um adäquat über Sünde zu reden, müsste man zuerst über die Schönheit der Schöpfung reden.
- Um adäquat über das Kreuz zu reden, müsste man zuerst über die Menschwerdung Gottes reden.
- Um adäquat über Bekehrung zu reden, müssten wir zuerst über die Neuschöpfung aller Dinge reden.
Dann können wir auch darauf hoffen, dass wir verstanden werden. Und das nicht nur, weil wir in der Postmoderne leben, sondern auch, weil es die biblischere Perspektive ist.
Technorati Tags: Bekehrung, Kreuz, Postmoderne, Inkarnation, Schönheit, Schöpfung, Sünde
Ich poste ja gerade in großen Abständen über Scot McKnights Buch „A community called atonement“. Sein 6. Kapitel, das ich schon gelesen habe, hat den Untertitel „An exercise in postmodern humility“. Da fragt er: was ist ein Mensch? Und: was ist Sünde?
Seine Thesen zum Zweiten: das Problem ist die Frage, für welches Problem Versöhnung eigentlich die Lösung ist. Hier einige nette Gedanken und Zitate dazu:
Ist Sünde das Gleiche für einen Mann oder eine Frau? Könnte es sein, dass Männer Sünde auf männliche Art definieren, als Stolz und Macht? „Does this definition mean that the powerless (including females) are kept in their powerlessness because the powerful have defined sin in light of their own problems?“
Er zitiert Ted Peters: „We only know sin by confession“.
Er fragt mit Vincent Bacote: Was bedeutet Rettung (salvation) aus der Perspektive von Gemeinschaften, die ein deutliches Erbe von Unterdrückung und Stigmatisierung tragen müssen?
Wenn das alles aber nicht in unserem Begriff von Versöhnung drin ist: „if we have focused on only half of the gospel, half of the truth, then do we have the truth at all?“ Unser Verständnis von Versöhnung ist Stückwerk; Gott ist ganz. Das zu wissen, hält uns demütig.
Vielleicht könnte man sagen: der Horizont der Postmoderne bricht das Definitionsmonopol weißer, männlicher Theologen auf und öffnet den Blick dafür, dass es auch andere Erfahrungen gibt, die vom Versöhnungshandeln Gottes hervorgerufen werden. Postmoderne würde dann bedeuten, dass man es aufgibt, anderen zu sagen, welche Erfahrungen sie zu machen haben.
Nur so als Gedankensplitter. Leider komme ich jetzt im Weihnachtsgeschäft mit meinen Posts zum Buch nicht voran.
Danke, Walter, für die Einblicke. Ich habe das Buch heute per Post bekommen und werde die Tage mal reinschauen. Zuerst aber noch bei David Hart. Der ist etwas schwer zu lesen…
Jetzt saß ich ein paar Minuten vor diesem kurzen Beitrag und stelle mir die Frage: Wie kommst Du auf die drei „Paare“ Sünde/Schönheit der Schöpfung, Kreuz/Menschwerdung und Bekehrung/Neuschöpfung?
Ganz abgesehen davon ist es schon eine steile These (wenn ich Deinen Beitrag richtig verstanden habe) zu behaupten, dass die Rede von der „Neuschöpfung aller Dinge“ im Hinblick auf „Bekehrung“ die biblischere Perspektive ist als…..ja, als was überhaupt?
Ich will hier nicht wieder den Nörgler raushängen….vielleicht liegt es auch an der Uhrzeit….aber so klein dein Beitrag ist, so sehr hat er es in sich – und ich scheine ihn nicht ganz zu verstehen.
Ich arbeite ja noch dran. Aber danke fürs engagierte Nachfragen:
Um Sünde richtig zu verstehen, muss man das Gute und Schöne an Gottes Schöpfung sehen lernen, erst dann (wenn man auf den Geschmack gekommen ist) sieht man auch die Entstellung und Zerstörung im richtigen Licht.
Jesus kam nicht bloß in die Welt, um am Kreuz einen Tauschhandel mit Gott abzuwickeln, sondern um wahres Menschsein in seiner Würde und Schönheit wiederherzustellen. Das Kreuz war eine entscheidende Station auf diesem Weg, aber nicht der ganze Weg.
Und wenn man Bekehrung überhaupt noch als Begriff verwenden möchte, historisch hat er ja so seine Engführungen und Tücken, dann muss man doch fragen, in welche Richtung und auf welches Ziel (nicht nur die ewige Seligkeit der Seele im „Himmel“) Gott mit dieser Welt hinaus will – und was das dann für uns als Nachfolger Jesu bedeutet.
Ist es jetzt etwas klarer?
Viiiiiiel klarer!!!! Danke! Und so kann ich vollkommen mit!
Denn ich hatte da mein Aha-Erlebnis: Letzte Woche im Hauskreis hatten wir einen Gast, der so ziemlich wenig Ahnung hat vom christlichen Glauben. Aber es war super. Es war so herausfordernd, sich mal zu überlegen, was ich wie, warum und in welcher Form sage.
Und so kann ich Deine Gedanken voll und ganz mitgehen – auch wenn ich mich – so befürchte ich – erst am Anfang des Weges sehe und noch vieles lernen kann/muss/soll. 🙂
Ich denke, dass jeder Mensch eine Ahnung davon hat, was Sünde ist – auch wenn er sie nicht genau so benennen würde. Aber die Auswirkungen von Sünde bekommt doch jeder täglich zu spüren, sowohl als „Täter“ als auch als „Opfer“: Streit, Unversöhnlichkeit, zerbrochene Beziehungen, Umweltzerstörung, Habgier, Betrug, Mißbrauch … um nur einige zu nennen. Meine Erfahrung ist, dass man hier recht gut ansetzen kann, darüber zu reden. Die Sehnsucht nach „Heiler Welt“, nach Schönheit, Vollkommenheit, Frieden ist im Menschen fest verankert. Da kann man sehr leichtgängig argumentieren, denn die Suche der Menschen nach diesen Dingen ist überall präsent, auch wenn sie oft an den falschen Orten geschieht und daher nicht von Erfolg gekrönt ist.
Ist es heute wirklich so unverständlich, wenn man Sünde beim Namen nennt bzw. die Ursache von sündhaftem Verhalten – ein Leben ohne Anbindung an Gott? Wobei man natürlich ehrlicherweise einschließen muss, dass ja auch Christen sündigen. Die Neuschöpfung in Christus ist ja schon eine etwas kompliziertere Geschichte. Da käme dann das Kreuz ins Spiel.
Trotzdem: hat sich denn an diesen Tatsachen irgendetwas verändert? Oder bin ich da zu naiv?
Nur eine kleine Randbemerkung rein sprachlicher Art:
Kann etwas biblischer als biblisch sein?
Entweder ist es biblisch – oder nicht.
Vielleicht passt: ’näher an der Bibel‘
oder ’näher an der biblischen Sicht‘
oder so ähnlich.
lg
die schneiderin