Weisheit: Kann weniger mehr sein?

Im Laufe der letzten Jahre habe ich zwei Dinge beobachtet. Manche Details oder einzelne „Fakten“, die ich mal wusste, habe ich vergessen. Die Mathe-Hausaufgaben meiner Jungs erinnern mich schmerzlich daran, dass ich das in grauer Vorzeit mal richtig gut konnte. Gut, es ist auch neues Wissen dazugekommen (mein Englisch ist heute viel besser). Quantitativ gesehen könnte es aber trotzdem sein, dass ich tatsächlich „weniger“ weiß. Zum Glück kann man die Informationsdichte des internen Arbeitsspeichers nicht in Bytes messen.

Auf der anderen Seite gelingt es mit der Zeit aber besser, das vorhandene Wissen miteinander zu verknüpfen. Aus Fäden werden Netze, die etwas halten können und in denen Neues einen Platz finden kann. Dadurch wird es leichter, Dinge zu beurteilen und dabei zugleich differenziert zu bleiben. Qualitativ nützt mir mein Wissen mehr, oder ich weiß mehr damit anzufangen.

Weisheit, so gesehen, liegt nicht in der absoluten Anzahl der gespeicherten „Informationen“, sondern in der Fähigkeit, möglichst viele und möglichst vielfältige Beziehungen zwischen ihnen herzustellen. Oder wie Bernhard von Mutius in Die andere Intelligenz schreibt: „Nachzugehen wäre den dynamischen Relationen der Dinge, aufzuspüren wäre das »Dazwischen«, neu zu lernen wäre das In-Beziehungen-Denken.“

Manchmal merke ich, wie ich mit einem Kopf voller Fragmente durch die Gegend laufe und darauf warte, dass ich in dem scheinbaren Wirrwarr, von dem ich ahne, dass eine Ordnung existiert, ein Muster erkennen kann. Ab und zu gelingt das inzwischen auch.

Das sind freilich subjektive Empfindungen, und mancher treue Kritiker dieses Blogs wird jetzt mit der Versuchung ringen, mich vom Gegenteil zu überzeugen… 🙂

Share

Eine Antwort auf „Weisheit: Kann weniger mehr sein?“

  1. Ich habe letztlich das Buch gelesen „Wer bin ich, wenn ich online bin, und was macht mein Gehirn solange“. Interessant daran ist, wie sich durch die Nutzung des Internets unser Hirn von linearem (z.B. beim Lesen eines Buches von vorne bis hinten) zu vernetztem Denken (z.B. beim kreuz und quer den Hyperlinks im Internet entlang surfen) umstellt.
    Es wird wohl ein Effekt dieser neuen „Denkart“ sein, dass das Wissen nur noch aus Fragmenten besteht. Wenn wir noch vor zehn, fünfzehn Jahren mit ziemlicher Genauigkeit sagen konnten, aus welchem Buch oder welcher Zeitschrift wir eine Information hatten, so fällt es uns heute schon schwer, sagen zu können, ob sie aus einem Buch oder von Wikipedia stammt, oder ob wir sie in irgend einem Facebookeintrag gesehen haben.
    Da scheint es definitiv so zu sein, dass sich Weisheit darin äussert, mit den wirklich wertvollen Informationen auch sorgsam umzugehen – vor allem, wenn sie sich irgendwo im hinterrsten Winkel unseres Gedächtnisses versteckt halten.

    Link zum Buch:
    http://www.amazon.de/Wer-bin-wenn-online-bin/dp/3896674285/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1301485123&sr=8-1

Kommentare sind geschlossen.