Weisheit der Woche: gefährliche Unschuld

Die erste Naivität ist die ernsthafte und gefährliche Unschuld, die wir manchmal an jungen Eiferern bewundern, aber sie ist auch der Grund, warum wir ihnen nicht folgen, wenn wir schlau sind, und warum wir sie nicht zu Leitern wählen und ihrer Leitung folgen sollten. Wahrscheinlich ist es nötig, viele Zweifel auszublenden, wenn wir jung sind: das ist eine gute Überlebenstechnik. Aber solche Weltbilder sind nicht wahr, und sie sind auch keine Weisheit.

Richard Rohr, in: Falling Upward

Share

7 Antworten auf „Weisheit der Woche: gefährliche Unschuld“

  1. Eieiei. Das klingt nach einem Autoren, der sich auf seine scheinbare Altersweisheit so viel einbildet, dass er sie für „wahrheitlich überlegen“ erachtet. Problematisch daran:

    a) wer bewundert (!) im christlich abendländischen Glaubenskontext überhaupt „junge Eiferer“ – die gerne Leiter sein wollen aber nicht sein sollten – und wo soll das geschehen? Das ist ein Klischee, das sich in der (kirchlichen) Realität wohl nur selten wiederfindet.

    b) sich FÜR (oder in fortgeschrittenem Alter leider sehr häufig gegen) etwas zu Ereifern, ist wahrlich keine Frage der absolvierte Lenze. Mir scheint, als verlaufe da eine Entwicklungsschere bei vielen Menschen. Wo als junger Mensch vielleicht häufiger der Eifer für eine Sache geweckt werden kann, so scheint er sich mit fortschreitendem Alter immer mehr zu einem Eifer GEGEN Entwicklungen zu verkehren. Und das ist oftmals nicht weniger problematisch, sondern kann fatale Züge annehmen.

    c) Wer anderen, weniger vom Zweifel durchzogenen Weltbildern (bzw. Glaubenspraktiken) jede Weisheit abspricht, handelt damit m.E. selber höchst unweise.

    Insgesamt leider ein Zitat, das sauer aufstößt, wenn es denn nicht völlig aus dem Zusammenhang genommen ist. Sorry.

  2. @simplicius: Ich kenne eine ganze Reihe solcher Fälle. In einem bestimmten Spektrum der Christenheit wird zum Beispiel das Wort „radikal“ sehr gern und oft verwendet, als wäre es abgesehen vom Inhalt schon ein Qualitätsmerkmal. Dahinter verbirgt sich dann genau diese Mentalität. Und Rohr wird nur der „scheinbare“ Altersweisheit attestieren, der ihn kaum kennt…

  3. @Peter
    > Ich kenne eine ganze Reihe solcher Fälle. In einem bestimmten Spektrum…

    Das mag sein. Aber RR redet hier unzweideutig von „WIR“, als wäre das allgemein gang und gäbe. Nur lässt sich das meiner Erfahrung nach so nicht verallgemeinern. Schon gar nicht auf „uns alle“.

    Zitat: „Wahrscheinlich ist es nötig, viele Zweifel auszublenden, wenn wir jung sind“. Weiteres Zitat: „In der ersten Lebenshälfte Kampf mit dem Teufel, später mit Gott“, usw. Das ist schlichtweg anmaßend und hat mit jung/alt herzlich wenig zu tun. Das mag ja seine persönliche Erfahrung sein, die er hier zugespitzt verallgemeinert. Mit meiner eigenen deckt sich das nicht. Da spielen wesentlich mehr Aspekte ein Rolle, als dass man hier die „Generationenkeule“ hervorholen könnte.

    Und nein – leider kenne ich Herrn Rohr nicht persönlich. Aber ein Stück seiner Persönlichkeit sollte ja in dem, was er schreibt, transparent sein. Und dieser kleine Spotlight, den du für deine Leserschaft ausgewählt hast, hat einen latent arroganten Unterton. Beabsichtigt, oder nicht.

    1. Aha. Aber jemand so zu beurteilen, wenn man gerade mal ein paar Zeilen von ihm kennt, ist nicht arrogant? Come on…

  4. @Peter
    Nanu, warum so angepi… ekst?

    Ich habe mich hier ausschließlich auf die zitierten Passagen bezogen. Die finde ich in ihrer Aussage zT unglücklich, wie ich hoffentlich sachlich ausgeführt habe. Darüber hinaus haben sie für mich persönlich ein leicht unangenehmes Gschmäckle in ihrer Aussage über alt/jung, auf die ich inzwischen aus eigener Erfahrung allergisch reagiere. DAS darf man doch sagen, ohne selbst arrogant zu sein? Richard Rohr als Person habe ich damit nicht beurteilt, dazu habe ich in der Tat kein Recht und auch gar keine Absicht.

    Außerdem: da du von diesem Mann schon öfters Passagen zitiert und Texte verlinkt hast, die für hervorhebenswert hältst, kenne ich inzwischen vielleicht ein wenig mehr, als nur „ein paar Zeilen“. Und die entwickeln nicht für jeden denselben Reiz, oder sie lassen in einem Menschen ganz andere Saiten schwingen, als in einem anderen. Also, selber come on – kann man das nicht einfach so stehenlassen?

  5. Ich war gar nicht angepiekst, nur etwas verwundert über die Heftigkeit der Kritik. Rohr ist ja niemand, der junge Menschen und Ideale pauschal schlecht macht. Er kritisiert einen Idealismus, der die Welt auf simple Schwarz/Weiß Schablonen reduziert. Er ist bei jungen Menschen verständlich sagt er, aber viele überwinden ihn nie ganz, auch im fortgeschritteneren Alter. Ich denke, was er hier schreibt, lässt sich auch gut als Kommentar zu 1.Tim 5,22 lesen.

  6. Interessanter Hinweis. Aber: „die Hände lege NIEMANDEM zu bald auf“ ist ja keine qualitative Aussage hinsichtlich des Alters… Dazu passt 1.Tim 4,12. Diesen Konflikt gab es also damals wie heute. Timotheus selber ist sicher ein beeindruckendes Vorbild für verantwortungsvolle Leiterschaft in jüngeren Jahren.

Kommentare sind geschlossen.