Der besondere Charme dieses Buches liegt darin, dass Justin Lee seine Leser mitnimmt auf einen Weg. Es ist keine abstrakte, trockene und scheinbar emotionslos-objektive Theorie, sondern eine aufrichtige, intensive Suche, die über verschlungene Pfade führt. Man bekommt nicht einfach ein Resultat präsentiert, sondern vollzieht beim Lesen die einzelnen Schritte nach, die dahin führten, und was es den Autor kostete.
Nach seiner Abkehr von der Ex-Gay-Bewegung und der bis dahin verlockenden Vorstellung, er könne „hetero“ werden, sieht Lee sich vor der Entscheidung, seine Homosexualität zu verleugnen oder zu unterdrücken, sich auf eine homosexuelle Beziehung einzulassen, oder allein zu bleiben. Aber das würde nicht nur den Verzicht auf Sex bedeuten, sondern auch auf innige Nähe, auf Anerkennung und ungeteiltes Dasein füreinander. Sogar Paulus, der doch die Ehe mehr als ein Zugeständnis betrachtet hatte, war klar, dass wenige seinem Ideal der Ehelosigkeit gewachsen waren, schreibt Lee und fügt hinzu:
Menschen heiraten nicht, weil sie dann das Recht auf Sex haben; sie heiraten aus Liebe und um der Gelegenheit willen, mit jemand anders ein gemeinsames Leben aufzubauen. Sie heiraten, weil es dann, wenn alles im Leben schief geht und die Probleme am Größten sind, tröstlich ist, wenn man eine Hand halten kann. Weil in der Dunkelheit der Nacht ein Bett sich viel weniger leer anfühlt, wenn da jemand neben dir liegt. (S. 103)
Aber eine echte Alternative scheint nicht in Sicht. Über die Frage, ob denn wenigstens eine nichtsexuelle, romantische Beziehung zu einem Mann erlaubt sei, schweigt sich die Bibel aus. Vielleicht gibt es da ohnehin keinen großen Unterschied? Ist also das zölibatäre Leben der Wille Gottes? Lee schreibt:
Ich habe keine Worte, die beschreiben könnten, wie sehr diese Frage auf mir lastete. Ich wusste, ich könnte mich nicht weiterhin als Christ bezeichnen, wenn ich nicht bereit war, alles hinzunehmen, was Gott für mich geplant hatte, selbst wenn das ein Leben in Einsamkeit bedeutete. Ich wusste auch, ich konnte Gott nicht belügen und so tun, als wäre mir das alles recht, um dann nach einer anderen Lösung zu suchen. Gott kennt dein Herz. Du kannst Gott nicht belügen. … schließlich kam ich zu der unausweichlichen Schlussfolgerung: Ich musste Gott folgen, was auch immer das hieß. (S. 104)
Er spricht das in einem sehr ehrlichen, berührenden Gebet aus und spürt, wie eine Woge des Friedens über ihn kommt.