Theologie mit Hirnschaden?

Ab und zu ist mir im zu Ende gehenden Jahr ein irritierendes Phänomen begegnet. Ich habe ja nun wirklich nichts gegen das Denken, aber manchmal verblüfft es mich schon, wie manche ihre theologischen Urteile gerade deshalb für besonders objektiv und sachlich halten, weil sie konkrete Personen und Lebensschicksale dabei offenbar schroff ausblenden können. Richard Beck hat das in einem seiner Posts ganz treffend auf den Punkt gebracht:

Orthodoxe Alexithymie („Gefühlsblindheit“) entsteht, wenn die intellektuellen Facetten christlicher Theologie um des korrekten und rechten Glaubens willen vom Gefühl, der Empathie und der Verbundenheit entkoppelt werden. Rechtgläubige Alexithymiker sind wie Patienten mit einem Hirnschaden am ventromedialen Präfrontalkortex. Ihre Gedankengänge können ausgeklügelt und in sich stimmig sein, aber sie sind losgelöst vom menschlicher Emotion. Und ohne dass christusförmige Einfühlsamkeit die Kette der Berechnungen leitet, landen wir bei der theologischen Entsprechung dazu, uns lieber am dogmatischen Finger zu kratzen als die Zerstörung der ganzen Welt zu verhindern. Logisch und lehrmäßig lassen sich solche Präferenzen rechtfertigen. Sie sind nicht „wider die Vernunft“. Aber sie sind unmenschlich und monströs. Emotion fehlt, nicht der Verstand.

… Zu ihrer Rechtfertigung werden rechtgläubige Alexithymiker die Sichtweise der Griechen hervorheben: Der Verstand muss die Leidenschaften zähmen. Wir können Gottes Willen nicht erkennen, wenn wir zulassen, dass Gefühle ins Spiel kommen. Gefühle sind Versuchungen. Daher müssen wir unserer Gefühle dem Verstand unterwerfen. Der Verstand führt dich zu Gott. Also lass die Gefühle beiseite. Wenn eine theologische Argumentationskette anfängt, dich zu erschrecken, dann musst du diese Gefühle unterdrücken.

Gestern hat Papst Franziskus seiner Kurie die Leviten gelesen und dabei 15 Krankheiten aufgezählt. Unter Punkt 3 redet er von „Abstumpfung“. Das ist vielleicht nicht ganz dasselbe wie Alexithymie, aber es kommt nahe hin. Umgekehrt spricht der Engel zu den Hirten von Gottes Wohlgefallen. Der betrifft sicher nicht die allgemeinen Zustände auf Erden, aber seine grundsätzliche Einstellung Menschen gegenüber und ganz besonders gegenüber Menschen mit Brüchen in der Biografie. Wohlgefallen ist kein moralisches Urteil, sondern Gottes Form von Empathie. Eine Empathie, das muss man gegenüber der Perversion von Weihnachtsliedern durch Pegida-Anhänger betonen, die gerade nicht nur dem gilt, der kulturell und ethnisch als „Gleicher“ wahrgenommen wird.

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