Vor einer Woche saß ich (weit weg von hier) in einem Gottesdienst und die Band spielte Matt Redmans berühmtes Lied „Heart of Worship“. Die Story dazu ist vielen bekannt: Redmans Gemeinde stellte fest, dass die Lobpreismusik dabei war, zum Selbstzweck zu werden und Gott selbst in den Schatten zu stellen – gerade weil sie so angesagt und mitreißend war. Also verschrieb man sich eine Phase der Entwöhnung und verzichtete auf die Musik – wie die Katholiken auf die Glocken in der Karwoche. In dieser Zeit entstand das Lied, das davon handelt, dass es nicht um Lieder und Musik geht.
So weit, so gut. Es ist wirklich ein schönes und bewegendes Lied. Und es bringt einen zum Nachdenken…
Redmans Gemeinde hat längst wieder begonnen zu singen und „Heart of Worship“ hat überall auf der Welt begeisterte Aufnahme gefunden. Vielleicht, weil es ein Dilemma anspricht, das viele ganz ähnlich empfinden: das Medium entwickelt eine Eigendynamik, es verdeckt mehr als dass es noch Hinweischarakter hätte, geistliche Musik wird zum Konsumartikel.
Aber reicht es, in einem Lied (unter etlichen anderen) darüber zu singen, dass Singen nicht alles ist und manchmal mehr von Gott ablenkt als zu ihm hinführt, ohne dann auch tatsächlich den Ausknopf zu drücken und zu sehen, was denn wirklich passiert, wenn wir mit leeren Händen dastehen, die Stille tatsächlich aushalten, in der der innere Lärm und die Störgeräusche von nichts mehr übertönt werden – und können wir glauben, dass Gott uns dann auch darin begegnet?
Sollte man dieses Lied eigentlich singen, ohne sich die damit verbundenen Herausforderungen tatsächlich zugemutet zu haben? Anders gefragt: Verhindert es am Ende vielleicht genau den Erneuerungsprozess, den es beschreibt?
Die implizierte Idee, kontemplative Elemente genauso wie Lobpreis in den Gottesdienst einzufügen, finde ich total gut und sinnvoll. Die letzte Frage finde ich einen Schritt zu weit gegangen. Nein, das Lied verhindert keinen Erneuerungsprozess, denn der hängt doch nicht von einem Lied ab. Aber das Lied kann den Anstoss geben ernsthaft darüber nachzudenken, was wir in unseren Gottesdienst- „Liturgien“ von anderen Glaubensgemeinschaften lernen können. Und da Stille das Gegenteil von Lärm ist, gehört sie für mich ganz natürlich in jeden Gottesdienst in dem auch gejubelt wird.Das wir das oft nicht so hinbekommen, ist unser Problem, aber das kann sich ja durch jede Person ändern, die an der richtigen Stelle in der Gemeinde „mitwirkt“. ERneuerung liegt in unserer Hand. Schön wären Gottesdienstformen die möglichst viele Glaubensformen überspannen. Eine Gemeinschaft in Wales habe ich in diesem Sommer kennengelernt, die auf dem Weg schon sehr weit gekommen ist. Von kath. Stundengebet bis zu Power-Erweckungspraise alles drin in den tägl. Ritualen und ich habs genossen.Auf dem Weg dahin singe ich den Song gerne weiter, denn er erinnert mich daran, dass ich die Wahrheit dahinter suche und damit ist der Zweck erfüllt.
Freilich hängt Erneuerung nicht von einem Lied ab. Aber sie könnte ausbleiben, wenn wir meinten, es sei damit getan, zwischendurch mal kurz ein gesungenes Eingeständnis einzustreuen, dass wir Erneuerung brauchen, ohne uns tatsächlich auf den Weg zu machen und nach neuen Wegen zu suchen (etwa einer „Diversifizierung“ so wie Du sie beschreibst). Nach dem Motto: „Ich weiß ja, dass unsere Musik und unser Gesang nicht alles ist, aber weil ich das ja weiß und zugebe, kann ich jetzt auch wieder einfach weitersingen“. In diesem Fall hätte das Lied eben doch eine Alibifunktion.