Schrift ohne Prinzip?

Das kommt kurz nach dem Reformationstag: Ich habe The Great Emergence weitergelesen und bin nach einem Kapitel über die Vorgeschichte und Wirkung der Reformation (beziehungsweise den Fragen, die sie aufwarf) nun bei den Entwicklungen, die das reformatorische Paradigma sprengen, das vor 500 Jahren die mittelalterlichen Autoritäten ersetzte. Sehr spannend, ich werde in den nächsten Tagen mal eine Zusammenfassung wagen.

Tickle ist überzeugt, dass das protestantische Schriftprinzip (wichtig: nicht die Schrift selbst!) in naher Zukunft mausetot sein wird. Wenn ich es richtig sehe, sieht sie das Wirken des Heiligen Geistes an dessen Stelle treten, das deutet sich in ihrer Darstellung der Pfingstbewegung an.

Bis ich das alles verstehe und wiedergeben kann, hier ein Artikel von Kurt Willems aus The Ooze, der sich mit einem postmodernen Schriftverständnis befasst und ein paar Fehlinterpretationen von Derrida und Lyotard zu korrigieren versucht.

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10 Antworten auf „Schrift ohne Prinzip?“

  1. Schön, dass Du es zusammenfassen wirst – ich war/bin/bleibe zu faul, denke aber, dass eine Zsf. dieses Buchs auf den Blogs wichtig wäre.

  2. @Peter: Langsam komme ich auf den Geschmack. 😉

    Kurt Willems beruft sich in seinem Artikel auf James Smith. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Smith im Blick auf Derrida irrt, aber ich kann es derzeit nicht belegen.

    Im Blick auf Lyotard irrt Smith (wie Willems) definitiv (und ich habe ihm das auch schon einmal gesagt). Für Lyotard war das Christentum sehr wohl eine große Erzählung (also ein Metanarrative). Die Belegtexte dafür findest Du in „Warum das Christentum für François Lyotard eine Emanzipationserzählung ist“ (MBS Texte 85, http://www.bucer.eu/uploads/media/mbstexte085_01.pdf).

    Tickle würde sich mit ihrer Prognose im Blick auf das Schrifprinzip ja nicht zum ersten Mal täuschen. Sie hat auch schon McLaren mit Luther verglichen. 😉

    Liebe Grüße, Ron

  3. @ Ron: So wie ich Willems lese, sagt der gar nicht, dass das Christentum bei Lyotard explizit keine „Metanarrative“ sei, sondern dass es seiner (Willems) Meinung nach nicht in diese Kategorie gehört. Er gibt also Lyotard insofern Recht, als es die Moderne und den Fortschrittsmythos betrifft.

    Wer hat sich noch nie geirrt? Tickle wagt immer wieder mal recht unbefangene Vergleiche. Was das Schriftprinzip angeht, habe ich schon den Eindruck, dass das nicht nur Spekulation ist.

  4. Ich bezog mich auf Willems Behauptung: „Ist die Bibel [also das, was die Bibel sagt] eine große Erzählung im modernen Sinne? Die Antwort ist klar: Nein.“ Aus der Sicht von Lyotard ist das Christentum jedoch eine (bedrohliche) große und emanzipatorische Erzählung.

    Liebe Grüße, Ron

  5. Schon klar – das sieht er anders als Lyotard, weil er das Evangelium anders versteht als dieser, auch wenn er der grundsätzlichen Kritik an den Metanarratives zustimmt. Willems denkt nur, dass diese hier (richtig verstanden, er nennt da ja auch ein paar Kriterien) gar nicht zutrifft.

  6. Entweder so, oder er findet, dass Lyotards Definition auf das Evangelium, so wie er es versteht, nicht zutrifft. Halte ich für wahrscheinlicher, wenn man die Absätze (21) bis (23) liest, wo er eine Lyotard-kompatible Definition versucht.

  7. Danke! So ganz verstehe ich aber das Argument von Willems dann nicht. Aus der Sicht von Lyotard ist z.B. die Vorstellung, dass es einen Gott gibt, der für alle Menschen da ist, eine große Erzählung. Weshalb sollte das Evangelium nicht in diese Kategorie gehören. Aber wie Du sagst: Irren ist menschlich. Vielleicht verstehe ich ihn einfach nicht.

    Ich muss wieder auf Reisen.

    Liebe Grüße, Ron

  8. War nett – gute Reise, Ron 🙂

    So wie ich das lese, könnte Willems Metanarrative durch einen allgemeinen, apriorisch-universalen Geltungsanspruch definiert sehen und könnte dann mit Fug und Recht darauf verweisen, dass die biblische Geschichte gerade in ihrer Partikularität (erst Israel, dann Jesus) ihre Besonderheit hat. Was eben nicht bedeutet, dass diese partikulare Story keine Bedeutung für die Welt hätte. Also im Sinne der „Lessingfrage“ über zufällige Geschichtswahrheiten und notwendige Vernunftwahrheiten.

  9. I wish to continue this conversation with you. I happened to stumble across this fascinating conversation about my article on Postmodern Biblical Authority. Unfortunately on my end, the translation tool that I used to convert this all into English was not as clear as I would have hoped. Nevertheless, thanks for reading the article and if you would like any clarifications, feel free to visit my blog and ask 🙂

    Just briefly (this will not be nearly thorough enough) want to say something in regards to the discussion above on Lyotard and Bible as Metanarrative. My belief is that when Christianity is presented in a ‚modern‘ reductionistic, proof-oriented, scientifically legitimated way… then it comes across as merely a set of ‚universals.‘ What I partially was attempting to argue in the article was that we need not present the Scriptures in such a way. The Scriptures are Story, and we need to allow the Story itself be the authority. I contend that it is possible to demonstrate that the Scriptures subvert the metanarratives of the contexts in which they were produced.

    So… if the bible is presented to someone from a ‚modern‘ perspective, then it would be right to call it a metanarrative. But, if we begin to look at the Scriptures with the aide of a Postmodern critique of modernity, then the bible does not need to be understood as a ‚modern metanarrative.‘ This is short and could be expanded, but hopefully it adds something to your conversations!

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