Schotten dicht?

Spiegel Online berichtet – mal wieder – von einem Gerichtsurteil zum Thema Schulpflicht. Ohne hier auf irgendwelche Details einzugehen, die vielleicht auch überzeichnet sind, eines fällt doch auf: Es scheinen immer religiöse Motive zu sein, die Eltern zweifeln lassen, ob ihre Kinder an staatlichen Schulen gut aufgehoben sind. Umgekehrt kann man auch begründete Zweifel daran haben, ob Kinder bei streng religiösen Eltern gut aufgehoben sind, die sie von der Umgebung abschotten, um sie vor allen möglichen Dingen zu beschützen.

Einmal ganz abgesehen von konkreten Missständen an dieser oder jener Schule (es gibt ja auch ganz reguläre Bekenntnisschulen) ist die Flucht aus der Vielfalt der Meinungen (oder vor dominierenden Ansichten, die man nicht teilt) der wesentliche Grund dieser rechtlich wie sachlich aussichtslosen Manöver: Wahrheit vermittelt nur die eigene, vertraute Tradition, alles andere ist zwangsläufig Verführung. Für viele Kinder wird diese Wahrheit dann aber doch irgendwann einmal brüchig, und dann ist der Zusammenbruch um so heftiger. Oder anders gesagt: Irgendwann kommt das Gewächs aus dem Glashaus ins Freiland, aber den Temperaturschock verträgt nicht jede Pflanze.

Aber es ist eben nicht alles richtig hier drinnen und draußen nicht alles falsch. Bei John Caputo habe ich zum Thema der Vielfalt, Vorläufigkeit und Kontingenz unserer Standpunkte heute gelesen:

… ich behaupte, dass niemand die Wahrheit weiß, nicht in einer epistemologisch unerschütterlichen Weise, obwohl wir alle unsere verschiedenerlei Glauben haben (und haben müssen).

… die darauf beharren, den Weg zu wissen, haben ihr Leben programmiert, auf Autopilot geschaltet. Sie sind Wissende (Gnostiker), die sich aus dem Spiel ausgeklinkt haben. Sie sind wie abenteuerlustige Urlauber auf dem Weg ins Unbekannte – aber nicht ohne einen klimatisierten, allradgetriebenen Hummer, einen erfahrenen Führer und Reservierungen im 5-Sterne-Hotel. Selbst wenn wir uns an ein Satellitensystem anschließen könnten, das unsere Reisen um den physischen Globus lenkt, wäre der Erdball für radikale spirituelle Wanderer wie uns immer noch ein Staubkorn in einem unendlichen Universum, und wir fragen uns, wohin all das geht.

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5 Antworten auf „Schotten dicht?“

  1. Vielleicht ist eine Relativierung des Umgangs mit der Wahrheit sinnvoll:
    Es gibt eine unumstößliche Wahrheit: Jesus Christus.
    Und mancher ist diesem so intensiv begegnet, dass es tatsächlich zu einer Wahrheit geworden ist, die unerschütterlich feststeht.
    Das (absolut?) Erfahrene und Durchdachte ist dann einem Wissen gleichzusetzen.

    Und doch eine Relativierung:
    Wer hat und kennt die Wahrheit in den alltäglichen „Nebenfragen“?
    Hier wäre m.E. eher von „Meinungen, Ansichten, Ahnungen“ zu reden als vom „Wissen“.

  2. nur nebenbei gesagt (siehe SPON Artikel)…kann es sein das etwas banales wie z.B. überforderte Eltern immer noch gibt? und das ab und zu die Medien sich heiß auf Weihnachten vorbereiten? Nur ein Gedanke…

  3. Hallo Peter,

    Du schreibst etwas sehr pauschales:

    Es scheinen immer religiöse Motive zu sein, die Eltern zweifeln lassen, ob ihre Kinder an staatlichen Schulen gut aufgehoben sind.

    Ich bin es von Dir gar nicht gewohnt so pauschale Gedanken zu lesen. Ist das nicht etwas zu einfach? Wie kommst Du darauf? Es gibt jede Menge Eltern, die mit dem aktuellen Schulsystem nicht zu recht kommen und deswegen ihr Kinder in Montessori- oder Walldorfschulen schicken. Es gibt mehr Kinder als man denkt, die gar nicht in die Schule gehen. Meist sind das Fälle in denen die Polizei bzw. das Jugendamt eingreifen müssen. Die Motive dabei sind vielfältig. Solche Fälle bieten der Presse aber wenig Anlass nachzuhaken. Warum sollte es interessant sein, wenn eine ehemalige Hippifamilie ihre Kinder lieber selber unterrichten will. Ich habe eher den Eindruck, dass bestimmte Themen von der Presse hochgespielt werden. Sobald beispielsweise religöse Motive im Zusammenhang mit auffälligem Verhalten genannt werden, dann ist es der Presse eine Meldung wert. Nur ganz selten werden andere Themen aufgegriffen. So wurde die geheime Schule in Bremen nur kurz in der Presse diskutiert. Ein interessantes Gedankenspiel: Wie intensiv, mit welchem Tenor und wie lange wäre das diskutiert worden, wenn die Betreiber Christen gewesen wären?

  4. Nein, mir ist schon klar, dass Eltern immer wieder nach alternativen Schulen suchen. Auch Christen, und das ganz legal, in der Regel. Dann gibt es Eltern, die ihre Kinder vernachlässigen und deswegen nicht dafür sorgen, dass sie in die Schule gehen. So weit alles klar.

    Aber ich habe das ja noch präzisiert: Hier ging es um Eltern, die ihr Kind auf keine der verfügbaren Schulen schicken, sondern daheim behalten, und das hat, wie mir scheint, dann fast immer religiöse Gründe. Es sei denn, Deine Vermutung stimmt, dass es nur dann berichtet wird, wenn es religiös motiviert ist. Ich weiß es nicht: Gibt es dafür tatsächlich Indizien? Da wäre ich wirklich erleichtert.

  5. Hallo Peter,

    genau das verursacht bei mir das Kribbeln (Hervorhebung von mir):

    Hier ging es um Eltern, die ihr Kind auf keine der verfügbaren Schulen schicken, sondern daheim behalten, und das hat, wie mir scheint, dann fast immer religiöse Gründe.

    Wie kommst Du nur darauf? Hast Du dafür eine Statistik gesehen? Oder gehst Du von den Einzelfällen aus, die alle Jubeljahre in der Presse waren? Alleine diese Anzahl wird durch die Zahl der Kinder auf der Bremer Geheimschule deutlich getoppt. Link siehe oben. Warum sollte es nicht noch mehr solcher Einrichtungen geben?

    Und ich rede dabei nicht von den Kindern, die verwahrlosen, sondern von den Kindern deren in der Regel gebildete Eltern aus irgendwelchen Gründen nicht mit dem Schulsystem einverstanden sind. Gerade in Bremen ging es ja wohl nachweislich nicht um religiöse Gründe.

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