Schön locker bleiben…

In den letzten Wochen habe ich immer mal wieder die Diskussion über die Erweckung in Lakeland verfolgt. Mit recht zwiespältigen Gefühlen: Manches schien eine Art „Toronto reloaded“ zu sein, mit vielen Begleiterscheinungen, denen ich bisher nicht besonders nachgetrauert hatte. Zudem hatte mich das Niveau, auf dem Begeisterte und Entgeisterte diskutierten und mit häufig kontextbereinigten Bibelzitaten um sich warfen, auch nicht besonders beeindruckt. Schließlich schien mir das Ganze zu oft auch einfach furchtbar humorlos vorgetragen, und zwar von allen Seiten.

Vielleicht muss man sich noch viel gründlicher von der Vorstellung befreien, dass es Gottes Wirken irgendwo in Reinkultur gibt, selbst wenn Leute ganz intensive Erfahrungen machen. Vielleicht muss man die eigenartige Mischung, die so ein Phänomen erzeugt, auch mal eine Weile auf sich wirken lassen, ohne den Druck, alles entweder verklären oder verdammen zu müssen. Vielleicht hat Unterscheidung der Geister viel mehr damit zu tun, mit einer gesunden Portion Offenheit auch ebenso berechtigter Skepsis den ganzen Betrieb unter die Lupe zu nehmen, das (manchmal allzu) Menschliche daran einfach so stehen zu lassen und eben darüber auch mal zu lachen.

Mike K. hat das unter dem Titel „Leaving Lakeland“ auf the Ooze getan. Der erste Teil ist online und ich freue mich auf die Fortsetzung. Beim Lesen musste ich mehrfach laut lachen, weil er ziemlich frech schreibt („She wanted to bring the “Fire™” back home to her church„) und die Dynamik der segenshungrigen Meute so gut beobachtet (“People have been hungry for God” said the lady with red and gray highlights. “Yes. People will crawl over one another to get to God!” said another woman).

Parallel lese ich weiter in New Monasticism und lasse mich in Kapitel 4 wieder daran erinnern, dass Gottes primäres Augenmerk nicht dem Wohlbefinden und der persönlichen Entfaltung des einzelnen dient, sondern dass das alles eingebettet ist in die Vision einer Gemeinschaft, die dazu berufen ist, diese Welt zu verändern. Mehr geistliche Dynamik in dieser Richtung könnten wir sicher brauchen – ob sie nun via Internet und Satellit aus Florida kommt oder sich aus anderen, weniger bizarren Quellen speist.

Nachtrag: Inzwischen ist auch Teil 2 online.

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5 Antworten auf „Schön locker bleiben…“

  1. Gut gefischt ! Erinnert mich an meine eigenen Toronto -Erfahrungen. Damals hab ich`s sehr ernst genommen . Jetzt kann ich drüber lachen, mich gerne an die klasse Stimmung und die schönen Erlebnisse erinnern und mich dran freuen ,dass Gott, so scheint es mir , viel entspannter, humorvoller und „menschlicher“ ist, als wir es oft sind.
    Danke für den Lesetipp , ich freu mich auf die Fortsetzung.

  2. Im Nachklang kommt dann doch zum Vorschein:
    Dass ich bei solchen Veranstaltungen manchmal blanken frommen Egoismus an den Tag gelegt habe , nach dem Motto ,je weiter vorne ich stehe, desto mehr „Salbung“ bekomme ich ab, habe ich dann vor mir selbst entschuldigt und mir eingeredet wie geistlich ich doch bin ,weil ja nur “ die Gewalttätigen das Himmelreich an sich reissen“ ( auch so eine aus dem Kontext gerissene und missbrauchte Bibelstelle) .
    Dafür schäme ich mich zutiefst.

  3. So ging’s mir auch. Rückblickend hatten manche Szenen doch eher den Charakter von Drängeln beim Freibier oder Anstehen beim Rockkonzert. Deswegen finde ich den Artikel so gut, weil er das nicht als unwesentlich abblendet. (Klar haben die Leute bei Jesus auch gedrängelt, aber das wird auch nirgends zur Nachahmung empfohlen)

  4. Humor ist immer eine gute – wenn auch für Viele in diesem Kontext vielleicht überraschende – Empfehlung!

    Im übrigen gilt der alte Schäferspruch: Die Schafe hören seine Stimme; und er ruft seine Schafe mit Namen und führt sie hinaus. Da ist falsche Hektik oder ein Übereinanderherkrabbeln nicht nötig…

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