Gruß und Kuss und Überdruss…

Mark Zuckerberg selbst wurde neulich irgendwo sinngemäß mit der Bemerkung zitiert, wer meine, seinen Facebook-Kontakte seien wirkliche Freunde, der wisse nicht, was der Begriff bedeutet. Aber auch an anderen Stellen entsteht durch die Eigendynamik sozialer Netze Verwirrung.

In den letzten Wochen habe ich bei mir einen wachsenden Widerwillen gegen Geburtstagsgrüße entdeckt. Es liegt einfach daran, dass die Pinnwand-Grüße so inflationäre in der Häufigkeit, zugleich aber so stereotyp in der Formulierung sind. Da gibt es die betont joviale Version {„burzeltach“), das „Happy Birthday“ (in der Hoffnung, das Englisch weniger banal klingt), die formal-fromme („Herzliche Glück- und Segenswünsche“, „Gottes reichen Segen“), moderat fromme („ich wünsch dir Gottes Segen…“) und salopp-fromme („fetten Segen“); man kann es sich auch ganz leicht machen und den „like“ Button unter einem der vielen anderen Einträge klicken.

Wenn man der achte oder dreizehnte Gratulant ist, scheint beides gleich einfallslos zu sein: Die Standard-Textbausteine der anderen wiederholen oder nur ein Daumen-hoch klicken. Bei all den Leuten, denen man im weiten „Freundes“-Kreis täglich vor den Augen hunderter anderer gratulieren könnte, nun lyrisch und originell zu werden, haut in der Praxis einfach nicht hin. Vielleicht sollte man sich eher drauf einigen, dass man sich wie in manchen Beziehungen nicht nur „nichts schenkt“, sondern auch auf Pinnwand-Glücwünsche verzichtet? Oder gibt es irgendeinen Filter, der die Glückwünsche nur für den Adressaten sichtbar macht?

Wenn ich sie nicht jeden Tag lese, sondern nur ab und an (an meinem eigenen Geburtstag und an mich adressiert), und dann vielleicht auf einer Karte – oder durchaus auch in einer Mail, die, weil nicht den Blicken anderer ausgesetzt, vielleicht noch ein paar persönlichere Worte zulässt –, dann brauche ich auch keine lyrische Innovation, dann freut mich sogar das Formelhafte und Schlichte wieder.

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Wahre und falsche Emergenz

Seit ein paar Tagen habe ich Richard Rohrs Falling Upward. A Spirituality for the two Halves of Life hier liegen. Er stellt darin die beiden Lebenshälften mit ihren ganz unterschiedlichen Aufgaben einander gegenüber. In der ersten Lebenshälfte geht es – sehr verkürzt gesagt – darum, sich einen Platz und er Welt zu erarbeiten und zu erkämpfen, das sich zu beweisen und etwas zu schaffen oder zu erreichen. Das hat dann auch mit Auseinandersetzung, Emanzipation und Abgrenzung zu tun.

Die Schlüsselaufgabe für die zweite Lebenshälfte sieht Rohr in Anschluss an C.G. Jung darin, das Erreichte loszulassen, über es hinauszugehen. Eine wiederkehrende Formel lautet „transcend and include“. Betrachtet man die emergente Bewegung (vor allem in den USA), dann fällt auf, dass das nicht immer gelungen ist, sondern dass man sich hier und da in neuen Antithesen und negativen Definitionen festgefahren hat. Freilich ist es in Umbruchssituationen immer auch ganz normal, dass man zuerst sagen kann, was nicht mehr ist oder funktioniert und erst viel später weiß, was an Stelle des Alten nun entsteht. David Fitch hat das in diesem Blogpost unter anderem als Problem benannt. Vielleicht hat das aber damit zu tun, dass etliche der Protagonisten tatsächlich noch nicht zu den Fragen der zweiten Lebenshälfte vorgedrungen sind?

Auf der anderen Seite wird auch deutlich, dass ein gewisser Gegensatz zwischen „emergenten“ und „neokonservativen“ Christen vermutlich dauerhaft bestehen bleibt. Nicht in dem Sinne, dass eine Seite das Spiegelbild der anderen ist und bleibt, wohl aber darin, dass diese beiden Wege nicht miteinander in Einklang zu bringen sind. Für Rohr, der nicht nur evangelikale, sondern auch katholische Neocons im Blick hat, ist diese Bewegung ein regressives Phänomen und ein Hinweis darauf, dass diejenigen, die sich dafür so begeistern, die Aufgaben der ersten Lebenshälfte noch nicht richtig bewältigt haben. Hier einige seiner Beobachtungen:

This pattern is usually an inconsistent mix of old-fashioned styles and symbols with very contemporary ideologies of consumerism, technology, militarism and individualism. … In fact, neoconservatives are usually intense devotees of modern progress and upward mobility in the system (S. 40)

The result is a generation of seminarians and young clergy who’re cognitively rigid and „risk adverse“; who want to circle the wagons around their imagined secure and superior group (…). Ecumenism, interfaith dialogue and social justice are dead issues for them.

… Self-knowledge its dismissed as psychology, love as „feminine softness“, critical thinking as disloyalty, while law, ritual and priestcraft have become a compulsive substitute for actual divine encounter or honest relationship. This does not bode well for the future of any church or society (S. 42/43).

In manchem steht übrigens der Attentäter von Oslo, Anders Breivik, diesen Strömungen nahe, wie die Analyse seines Manifests ergeben hat. Er scheint eine deutliche Nähe zu einem exklusivistischen und antimodernistischen Katholizismus zu pflegen, wie die katholische Theologin Saskia Wendel auf Zeit.de erklärt – und auch den Unterschied zwischen Fundamentalismus und Konservativismus noch einmal verdeutlicht.

Emergenz wäre also ein Etikettenschwindel, wenn damit eine neue Tradition in Abgrenzung von allen alten, der Austausch moderner gegen postmoderne Dogmen und Gewissheiten, oder eine neue fest umrissene und definierte Methode oder Stilform gemeint wäre, und nicht etwa der notwendige Versuch, sich dem Risiko des Neuen und Fremden existenziell auszusetzen, den Preis für die eigene Veränderung zu bezahlen und die eigenen inneren Grenzen zu erweitern. Wie aber kann man das wirksam vermitteln?

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Spielfreude

In Lukas 17,7-10 steht eine verstörende Passage:

Wenn einer von euch einen Sklaven hat, der pflügt oder das Vieh hütet, wird er etwa zu ihm, wenn er vom Feld kommt, sagen: Nimm gleich Platz zum Essen? Wird er nicht vielmehr zu ihm sagen: Mach mir etwas zu essen, gürte dich und bediene mich; wenn ich gegessen und getrunken habe, kannst auch du essen und trinken. Bedankt er sich etwa bei dem Sklaven, weil er getan hat, was ihm befohlen wurde? So soll es auch bei euch sein: Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen wurde, sollt ihr sagen: Wir sind unnütze Sklaven; wir haben nur unsere Schuldigkeit getan.

Als ich das las, fiel mir eine Diskussion zum Thema „Wertschätzung in der Gemeinde“ vor einpaar Wochen ein. Wie verhält sich dieses Jesuswort zu Aussagen des Paulus, dass Christen „einander mit Ehrerbietung zuvorkommen“ (Römer 12,10), immer auf Lobenswertes bedacht (Philippe 4,8) sein sollen und dass gerade die unscheinbaren Glieder besonders geehrt werden (1. Korinther 12,23)?

Einerseits ist es eine Frage der Motivation: Wenn ich mich irgendwo engagiere, dann sollte es mir um die Sache und das Ganze gehen. Anerkennung für meinen Beitrag ist dann schön, aber keine notwendige Bedingung. Wo sie unter der Hand zu eigentlichen Ziel wird, um das es mir geht, wird das Lob nur ganz selten die Mühe wert gewesen sein. Vielleicht hilft hier der Vergleich mit einer Fußballmannschaft: Trainer bemühen sich ja oft, einzelne Spieler nach einem Sieg (und noch viel mehr nach einer Niederlage…) nicht zu sehr herauszuheben. Selbst die teuren Profis freuen sich ja noch, wenn sie spielen dürfen. Am Ende gibt es einen Handschlag vom Trainer, ein Schulterklopfen von den Mitspielern (und manchmal auch eine Kopfnuss, wenn etwas nicht gut gelaufen ist). Aber das Eigentliche ist und bleibt das Dabeisein beim Spiel selbst. Nichts motiviert mehr, als mit anderen (Selbst-)Motivierten gemeinsam zu kämpfen. Die Spirale dreht sich nach oben, wenn (und weil) man von sich selbst wegschaut.

Schwierig wird es da, wo man die Verantwortung für die eigene Motivation unter der Hand anderen zuschiebt. Manche von uns haben das auch schon erlebt: Da sind nicht nur Selbstdarsteller und Bewunderungsjunkies am Werk, sondern auch Verzagte (das kann vorkommen, kein Problem) und ein paar Antriebsschwache, denen man ständig gut zureden muss, um sie bei Laune zu halten. Es fühlt sich ein bisschen an wie Wandern mit Kindern. Während für mich als Erwachsenem die Bewegung, die frische Luft und die schöne Natur – Berge, Wasser, Wald, die Sonne und der weite Himmel) die eigentliche Belohnung sind, muss ich für den widerwillig mittrottenden Nachwuchs tütenweise Süßigkeiten als Bestechung mitschleppen und versprechen, am Ende an einem Schnellrestaurant zu halten, wo man neben so gesunden Produkten wie Pommes und Cola auch noch grausiges Plastikspielzeug in die Tüte gepackt bekommt. Zum Glück funktionieren die meisten Teams in unseren Gemeinden nicht so. Wo es aber doch so ist, dass man – ob Fußballverein oder Kirche – ständig Streicheleinheiten verteilen muss (eine Art Mutti-vation), da sind die Verantwortlichen nicht zu beneiden. Befangenheit stellt sich angesichts der oft unausgesprochenen Ansprüche ein, das Lob wird dann eher spärlich tröpfeln und die Spirale früher oder später nach unten gehen. Etwas partout toll finden zu müssen, ist eben schwierig.

Zweitens ist da die Frage nach dem Maßstab. Wenn das Lob und die Anerkennung zum eigentlichen Ziel werden, dass ist das ja ein Tauschhandel, aber kein „Dienen“ mehr. Andere geraten unter Zugzwang, sie spüren die drohende Enttäuschung, wenn die Gegenleistung ausbleibt. Zusätzlich kann man bei diesem Geschäft auch noch die Preise verderben: Pädagogen warnen inzwischen davor, Kinder zu viel und für die falschen Dinge zu loben. Mag sein, dass das eine Art Pendelschlag war auf den knauserigen Umgang mit Komplimenten in früheren Generationen und bestimmten Landstrichen (etwa das berüchtigte „net geschimpft sich globt gnug“). Zu überschwänglich und zu pauschal hilft trotzdem niemandem, und Lobhudeleien wirken eben auch relativ bald nicht mehr anspornend. Nicht jede Leistung ist etwas Besonderes, nicht immer hat jemand sein Bestes gegeben oder sich erkennbar verbessert – das geht freilich auch nicht immer, nur kann man dann auch keine besondere Reaktion von den anderen erwarten (wenn jemand dagegen ein aussagekräftiges Feedback für eine bestimmte Tätigkeit und Aufgabe möchte, dann sollte er andere ausdrücklich darum bitten und sie dazu einladen. In den seltensten Fällen kommt das von allein oder zu einem guten Zeitpunkt). Wenn meine Leistung als Vater oder Mutter davon abhängt, ob meine Kinder mir das ausreichend danken oder es würdigen (von der Gesellschaft insgesamt ganz zu schweigen), dann gute Nacht: Der Dank kommt zu spärlich und zu spät – immer. Mein wirklicher „Lohn“ ist der, dass die Sprösslinge irgendwann hoffentlich gestandene Persönlichkeiten sind.

Drittens hat das Ganze mit unserem Rollenverständnis zu tun. In Lukas 17 kommt der Begriff der „Schuldigkeit“ ins Spiel. Ein „Knecht“ lebt im Haus des Herrn, der für ihn sorgt, indem er ihm ein Dach über dem Kopf und etwas zu essen gibt. Dafür „schuldet“ der Knecht dem Herrn seine Dienste. Das ist etwas anderes als heutige Arbeitsverträge, die auf eine weniger umfassende Solidarität angelegt sind und (wenigstens pro forma) gleichberechtigte Partner voraussetzen. Sie liegen tatsächlich eher in der Nähe eines Deals: Lohn für Leistung. Wer so denkt, warnt Jesus, greift zu kurz. Die Pharisäer, die ihre Spitzenfrömmigkeit zur Schau stellen, haben ihren Lohn schon bekommen, sagt er. Von Gott können sie nichts mehr erwarten.

Im Blick auf Gott ist es nämlich so, dass wir ihm ja gar nichts schenken könnten, was er uns nicht immer schon gegeben hätte. Man muss das, um den Sachverhalt zu würdigen, ganz sicher nicht so extrem auslegen und -leben wie C.H. Spurgeon es getan hat:

Kann jemand von euch auf den Dienst für den Herrn mit Befriedung zurückblicken? Wenn ihr es könnt, kann ich nicht sagen, daß ich euch beneide, denn ich stimme nicht im geringsten mit euch überein. Was mich betrifft, so bin ich genötigt, mit heiligem Ernst zu bekennen, daß ich nicht mit dem zufrieden bin, was ich getan habe. Ich habe halbwegs gewünscht, mein Leben von vorn wieder anfangen zu können, aber jetzt tut es mir leid, daß mein stolzes Herz sich einen solchen Wunsch erlaubt hat, denn aller Wahrscheinlichkeit nach würde es das zweite Mal noch schlechter sein. Was die Gnade für mich getan hat, erkenne ich mit tiefer Dankbarkeit an, aber für das, was ich selbst getan habe, bitte ich um Vergebung. Ich bitte Gott, mir meine Gebete zu vergeben, denn sie sind voller Fehler. Ich bitte Gott, selbst dieses Bekenntnis mir zu vergeben, denn es ist nicht so demütig, wie es sein sollte. Ich bitte ihn, meine Tränen zu waschen und meine Andacht zu reinigen und mich mit meinem Heiland in den Tod zu begraben, daß ich in mir selbst ganz vergessen und nur in Ihm an mich gedacht werde. O Herr, Du weißt, wie wir zu kurz kommen in der Demut, die wir fühlen sollten! Vergib es uns. Wir sind alle unnütze Knechte, und wenn Du uns nach dem Gesetze richten würdest, wären wir alle verloren.

Unter uns sind die Rollen wieder anders verteilt: Hier geht es weder um Herren und Knechte noch um Eltern und Kinder, sondern wir arbeiten alle gemeinsam für den einen Herrn und sind Kinder des einen Vaters. Es wäre auch ein Missverständnis, dass „Ehrenamtliche“ für die Hauptamtlichen in der Gemeinde arbeiten (umgekehrt würde eher ein Schuh draus, aber auch nicht so richtig), sondern beide arbeiten Seite an Seite für die ganze Gemeinde, die wiederum (wenn alles richtig läuft) ihrer Stadt und ihrem Ort dient. Von Spieler zu Spieler quasi kann man einander Anerkennung und Wertschätzung schenken. Aber alle bleiben frei von dem Druck, irgendetwas toll finden zu müssen, was ein anderer macht. Ihr Urteil ist ohnehin nicht das Entscheidende. Und vielleicht ist diese Freiheit eine Bedingung dafür, dass eine gesunde Wertschätzung überhaupt wachsen kann, weil sie ein Geschenk bleiben darf.

Mit diesem Geschenk nun braucht man nicht zu knausern. Jeder freut sich, wenn ihm etwas gelingt und die anderen das auch merken. Wir alle blühen auf, wenn wir nicht das Gefühl haben, nur ein anonymes Rädchen in einem großen Apparat zu sein. Wir hängen uns mehr rein, wenn wir eine positive Resonanz spüren. Und je mehr wir uns hineingeben in die Aufgabe (und uns dabei, das ist das Seltsame, selbst fast vergessen), desto näher kommen wir dem positiven „Flow-Erlebnis“.

Und vielleicht ist es ja auch das, was in Lukas 17 angedeutet ist: Die Selbstvergessenheit im Blick auf den großen Gott und das Geschenk der Möglichkeit, etwas zu seinem Wirken in der Welt beitragen zu können, nicht die herbe Selbstherabsetzung als untauglich und nichtsnutzig. Das dabei-sein-Können ist in sich schon die größte Auszeichnung. In diesem Sinne – lasst uns täglich mit so viel Spielfreude wie möglich auf den Platz stürmen, wenn uns der Trainer schon aufgestellt hat 🙂

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„Ein Löwe im Haus“

… so lautete der Titel eines Kinderbuches, das ich früher mal im Schrank stehen hatte. Seit einer Weile ist wieder einer im Haus, genauer: auf meinem Rechner. Und nach ein paar Tagen Eingewöhnung kann ich ein weitgehend positives Fazit ziehen.

Im täglichen Gebrauch erfreut die deutlich längere Akkulaufzeit und das nette Feature der deutschen Sprachausgabe. Eben sprach mich mein Gerät an, dass Mail einmal kurz meine Aufmerksamkeit braucht. Das ist höflich und aussagekräftiger als der bisher übliche Warnton. Man kann sich in Safari und Vorschau nun Texte auch komplett vorlesen lassen. Computerstimme zwar und nicht Ben Becker, aber man versteht fast alles recht gut. Ein im wahrsten Sinne des Wortes ansprechendes Feature!

Umgewöhnen muss ich mich immer noch mit der Scrollrichtung; und die verkleinerten Scrollbalken sind zwar optisch gut, weil sie verschwinden, wenn man sie nicht braucht, trotzdem ist es ein Gefiesel, wenn man tatsächlich auf sie zugreifen möchte, etwa im Eingangskorb von Mail, wo sehr viele Listeneinträge stehen. Das lässt sich auch wieder ändern, ich versuch’s trotzdem mal so.

Besser gelungen ist die Gestensteuerung in Safari, da kommt man mit einem Wisch zweier Finger nun auf die vorher geöffnete Seite und wieder zurück, was ich im Unterschied zu manch anderen Nutzern gar nicht vermisse, ist Spaces. Die Optik von Kalender und Adressbuch ist auch kein Fortschritt, das Umblättern von Monat zu Monat über Gesten.

Kleiner Nachtrag:

Der erste „Hänger“ im System, der mich zu einem Neustart zwang, brachte eine weitere positive Überraschung. Das System fuhr wieder hoch und öffnete von selbst alle Programm und Fenster, die vor dem Abschuss da waren.

Heute lese sich, dass Google sich über Apples Patentklagen gegen Android-Hersteller beschwert, der Chefjustiziar meinte, Apple solle liebe neue Geräte und Technik entwickeln. Wenn es stimmt, dass Google da (wie weiland Microsoft) aber munter Ideen und Code abgekupfert hat, dann ist das doch blanker Hohn. Nach dem Motto: Haltet still und liefert uns neue Kopiervorlagen. Wenn es aber stimmt, dass MacOS und iOS demnächst verschmelzen, dann steht für Apple da wirklich viel auf dem Spiel.

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Kinderleicht

Die Sommerferien haben begonnen. Viele freuen sich, endlich Zeit zu haben. Manche fahren ans Meer und sehen den Möwen zu. Es ist auch eine Gelegenheit, wieder ein Stück mehr eine kontemplative Lebenshaltung zurückzugewinnen und sich ins „nichtduale“ Denken einzuüben, von dem Richard Rohr neulich gesprochen hat und über das er schreibt.

Wie das gehen kann, erklärt Purzle Schulz in seinem Stück „Kinderleicht“. Gestern ist beim Bardentreffen aufgetreten. Wenn man ihm zuhört, stellt man fest: Es ist tatsächlich so.

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Beten, Bäume, bittere Worte

Seit ein paar Monaten treffe ich mich mit einer Gruppe, in der wir das Markusevangelium kapitelweise lesen. Je länger das geht, desto mehr begeistert mich das Ganze. So ein Kapitel ist zwar lang, aber man entdeckt Zusammenhänge, die einem beim Lesen der kleinen Abschnitte nie auffallen würden.

Diese Woche haben wir Markus 11 gelesen. Ein Kapitel voller merkwürdiger Ereignisse und Aussagen. Konkret sind wir an zwei Punkten hängen geblieben: Warum verflucht Jesus einen unschuldigen, harmlosen Feigenbaum und wie kann das bloß gemeint sein, dass alle Gebete erhört werden, wenn wir Gott vertrauen? Erinnert Letzteres nicht sehr an Janis Joplins bissige Kritik?

Die Lösung fanden wir beim Propheten Habakuk, der eine apokalyptische Vision beschreibt, vor deren Hintergrund vieles deutlicher wird:

Voll Zorn schreitest du über die Erde, in deinem Groll zerstampfst du die Völker. Du ziehst aus, um dein Volk zu retten, um deinem Gesalbten zu helfen. Vom Haus des Ruchlosen schlägst du das Dach weg und legst das Fundament frei bis hinab auf den Felsen. Mit deinen Pfeilen durchbohrst du den Kopf seiner Krieger, die heranstürmen, um uns zu verjagen. Sie freuen sich schon voll Übermut, in ihrem Versteck den Armen zu fressen. Du bahnst mit deinen Rossen den Weg durch das Meer, durch das gewaltig schäumende Wasser.

Ich zitterte am ganzen Leib, als ich es hörte, ich vernahm den Lärm und ich schrie. Fäulnis befällt meine Glieder und es wanken meine Schritte. Doch in Ruhe erwarte ich den Tag der Not, der dem Volk bevorsteht, das über uns herfällt. Zwar blüht der Feigenbaum nicht, an den Reben ist nichts zu ernten, der Ölbaum bringt keinen Ertrag, die Kornfelder tragen keine Frucht; im Pferch sind keine Schafe, im Stall steht kein Rind mehr. Dennoch will ich jubeln über den Herrn und mich freuen über Gott, meinen Retter. (Hab 3,12-18)

In diesem Text geht es um das Kommen Gottes zum Gericht. Es geht um das „Haus des Ruchlosen“, das bis auf den Felsen darunter zerstört wird. Zünd siehe da: zwischen den beiden Malen, wo Jesus an dem Feigenbaum vorbeikommt, liegt die „Tempelreinigung“! Doch anders als bei Habakuk verläuft die Linie Freund/Feind aus Gottes Sicht nun nicht mehr zwischen Juden und Heiden, sondern mitten durch das Judentum hindurch. Er lässt keinen Zweifel daran: die (reichen!) Sadduzäer und Hohenpriester stehen auf der falschen Seite.
Zugleich sieht Jesus vor sich den „Tag der Not“, der zuerst einmal seine eigene Not bedeutet. Auch dafür ist der Feigenbaum ein Zeichen. Nicht nur ein Zeichen des Gerichts, sondern auch der Hoffnung, denn am Ende lobt der Gerechte seinen Gott, der ihn aus der Not gerettet hat (vgl. das Hosianna!). In Psalm 22 finden wir einen ganz ähnlichen Duktus. Das Verdorren des Feigenbaums ist also kein göttlicher Vandalismus, sondern ein prophetisches Zeichen dafür, dass hier (das heißt: beginnend in der Passion des Messias) die entscheidende Auseinandersetzung zwischen Gott und der im Aufruhr begriffenen Welt stattfindet.
Bleibt schließlich noch die Frage nach dem Gebet. In diesem Kontext geht es nicht um einen neuen Mercedes, ein größeres Haus oder die Heilung irgendeines Wehwehchens, es geht um das nackte Überleben im finstersten Moment der Krise. Man kann diese Verheißung nicht aus ihrem Kontext lösen und denken, sie sei dann auch noch zeitlos wahr. Wahr war sie aber in ihrer Zeit. Die Urgemeinde floh im jüdischen Krieg 68 n.Chr. aus Jerusalem nach Pella östlich des Jordans und überlebte dort, während die Römer Jerusalem dem Erdboden gleich machten.

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Liebes Lieschen Müller,

… neulich hat mich ein freundlicher Mensch, der es gut mit uns beiden meint, darauf aufmerksam gemacht, dass Du mit den Dingen, die ich so von mir gebe, wenig anfangen kannst: In meinen Texten erscheinen Fremdwörter, ich neige zu Abstraktionen, ich mag den Horizont möglichst weit und habe die Illusion, dass sich Detailfragen von selbst beantworten, wenn man das große Bild erst einmal verstanden hat. Ich kann es nicht leiden, wenn jemand meint, das Offensichtliche noch erklären zu müssen, daher höre ich mit dem Erklären lieber so frühzeitig auf, dass jeder das Offensichtliche selbst besichtigen kann und sich nicht fühlt, als wäre er beim betreuten Lesen.

Vermutlich gehörst Du zu den vielen (nicht immer, aber sehr oft: unheimlich netten!) Menschen, die Bücher mit Fußnoten gar nicht erst in die Hand nehmen. Ich habe von diesen verbreiteten Allergien gehört, muss jedoch verschämt bekennen: Ich finde Fußnoten in sinnvollen Dosen spannend und interessant. Ich mag es eigentlich, wenn in einem Text so viel drin steckt, dass man ihn mehr als einmal lesen kann, ohne sich zu langweilen. Komplexität erlebe nicht nur als ermüdend, sondern oft auch in einem guten Sinn herausfordernd, ab und zu sogar zauberhaft und voller Überraschungen. So komisch das klingen mag: Ich empfinde es manchmal als befreiend – ja als Kompliment an den Leser –, wenn ein Autor in seinem Text genug offen lässt, das ich selbständig zu Ende denken kann und auf das ich mir meinen eigenen Reim machen darf.

Wenn Du das nun liest, könntest Du mir vorwerfen, ich sei ein elitärer Snob. Und ich könnte antworten, … nein, lassen wir das. Liebes Lieschen Müller, bleib, wie Du bist. Lies, liebes Lieschen, was Dir gut tut und was all diejenigen, die Dich besser verstehen als ich, für Dich schreiben. Ich halte derweil die Stellung bei Fußnotenfreaks  und Intellektuellen (wer hätte denn schon gedacht, dass Fußnoten – und dann auch noch falsche! – jemals so Furore machen würden wie in diesem Jahr?). Von denen bezweifeln übrigens die wenigsten, dass es Lieschen Müllers geben muss und dass dies auch für sie eine wunderbare Sache ist. Umgekehrt erlebe ich das öfter mal, dass ein Lieschen (freilich nicht Du!) in seiner (Fuß-)not jemanden auf den Mond schießen möchte. Vielleicht könnten wir das gemeinsam ändern?

Also – ich kümmere mich um diese verhinderten Mondfahrer. Die sind ja – 5 Euro ins Phrasenschwein – „auch nur Menschen“. Und falls ich dabei etwas Interessantes entdecke, sage ich denen Bescheid, die so schön einleuchtend, praktisch nachvollziehbar, theoriefrei und anschaulich schreiben – ohne sich in Fußnoten, Klammern und Parenthesen zu verheddern. Und dann reden wir vielleicht noch ein Wörtchen mit denen, die (mein Ausdruck war das nämlich nicht!!!) Dich so verniedlichend als Lieschen bezeichnen und die so genau wissen, was Du liest und wie Du tickst.

Herzliche Grüße,

Peter

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„Wir können auch anders“

Ich kam gestern an einer Ampel zu stehen, neben der ein Plakat zur „FSK 49“ Party einlud (vielleicht fiel es mir auch deshalb auf, weil die 49 nicht mehr soo weit ist). „Die Party für Menschen im besten Alter „, stand da. Und drunter ganz keck: „Wir können auch anders!“

Mag sein, dachte ich, aber nicht mehr lange

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Terror und Hoffnung

Die Flut der Kommentare zu den Morden in Norwegen war so, dass ich auf diesem Blog nicht auch noch meinen Senf dazu geben wollte. Auch ein paar Tage nach dem Blutbad finde ich ein paar Stimmen aus ganz unterschiedlichen Gründen noch bemerkenswert:

Paul Hefty schreibt in der FAZ darüber, dass man die Geschehnisse nicht kommentieren könne. Und im nächsten Atemzug kommentiert er sie doch – als hätte er seinen eigenen Text schon vergessen. Vergessen kann man auch den Rest des Kommentar: Es sei die Tat eines Irren, schreibt er. Wobei das, wie Manfred Lütz schon im Blick auf Hitler betont hat, nur allzu leicht auf eine Diffamierung psychisch Kranker hinausläuft. Man kann das moralisch qualifizieren, aber nicht unbedingt pathologisch. Vor allem gleicht das dem Reflex der Rechtspopulisten , die ihren Geistesverwandten nur allzu gern als Verrückten hinstellen wollen, um sich keinen unangenehmen Fragen stellen zu müssen.

Markus Horeld rechnet auf Zeit Online mit deutschen Politikern und Funktionären ab, die angesichts des Leids nicht schweigen können und sich nicht zu schade sind, alte Forderungen nach mehr Überwachungsstaat aus der Mottenkiste zu holen, um damit innenpolitisch zu punkten. Sozialdemokraten sind übrigens keine darunter, die trauern und müssen sich mit dem Gedanken abfinden, dass sie in Westeuropa womöglich eine gefährdete Minderheit werden könnten.

Mit der Blindheit der „Terrorexperten“ und dem peinlichen Zwang, auf Verdacht schon mal loszulabern oder Meinungen zu äußern, bevor man über seriöse Informationen verfügt, beschäftigt sich Hasnain Kazim auf Spiegel Online.

Und Peter Frey findet im ZDF ein paar klare Worte zum „christlichen“ Hintergrund des „ersten antiislamischen Terroristen“, mahnt zugleich aber auch eine energischere Auseinandersetzung der Kirchen mit „christlichen Fundamentalisten“ an. Die ist nötig und stellt Evangelische Allianz wie auch freikirchliche Verbände vor dieselbe Aufgabe, sich hier nämlich noch deutlicher zu positionieren. Ohne scharfe Abgrenzungen gegen einzelne Stimmen und Gruppen, die eine bedenkliche Nähe zu Anders Breiviks Kreuzzugmentalität aufweisen, wird es kaum abgehen.

Positiv und hoffnungsvoll stimmt schließlich dieser Artikel von Michael Schlieben auf Zeit Online über die Reaktion der Norweger, die dieses Land noch sympathischer macht. Wäre da nicht der dunkle Winter, ich würde mir ernsthaft überlegen, ob ich nicht auswandere. Ministerpräsident Stoltenberg beschwört die Freiheit und nicht die Vergeltung:

Stoltenberg sprach nicht von Rache, nicht von Vergeltung, nicht von einer Jagd auf irgendwelche Hintermänner. Er demonstrierte keine militärische Entschlossenheit, wies niemandem die Schuld zu, er forderte auch keine Gesetzesänderungen, wie das jetzt reflexhaft in Deutschland bereits begonnen hat. Stoltenberg war nicht aktionistisch, nicht affektgesteuert, sondern in seiner Fassungslosigkeit wohltuend klug und besonnen. Sein Verhalten war ein Zeugnis von guter politischer Führung.

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Sommerlich leicht

liest sich Brian McLarens neues Buch Naked Spirituality. Ich habe es in der Kindle-Version erstanden und bin nun dabei, es in kleinen Häppchen zu lesen. Das Einführungskapitel über Spiritualität und Religion fand ich noch etwas anstrengend, aber schon das erste Praxis-Kapitel zum Stichwort „Hier“ war inhaltlich und stilistisch recht ansprechend.

Keine großen Neuheiten, eher manches Vertraute, aber mutmachend und einfühlsam geschrieben. Wer für den Sommerurlaub noch etwas Inspirierendes sucht, sollte mal einen Blick hinein werfen.

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Die „Kirche ohne Kopf“

Beim wegen herannahenden Regens dann doch indoor abgehaltenen „OpenER Gottesdienst“ gestern habe ich von einem Jungen gehört, der das Gemeindehaus am Bohlenplatz sehr treffend als die „Kirche ohne Kopf“ bezeichnet hat.

Bin ich froh, dass wir nur ein Nutzer unter anderen sind – weder der Eigentümer (das ist die Kirchengemeinde Erlangen-Neustadt), noch der mit dem größten Raumbedarf (das ist die Erlanger Universitätsmusik). Insofern treffen wir uns zwar in der Kirche ohne Kopf, ohne uns im „verkopften“ Erlangen den Vorwurf der Kopflosigkeit einzuhandeln.

„Kopflos“ ist die ehemals deutsch-reformierte Kirche immer geblieben, weil das Geld für einen Weiterbau des Turmes 1779 ausging. Immerhin hat das Haus unter seinem Pfarrer Christian Krafft (1784-1845) eine wichtige Rolle in der bayerischen Erweckungsbewegung gespielt. Ohne Köpfchen wäre das schwer möglich gewesen. 🙂

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Reichlich verwirrt

Diese Woche blätterte ich kurz in einem Buch, das behauptete, wir hätten alle früher schon einmal gelebt. Ganz besonders apart fand ich dabei die Aussage einer Frau, die sinngemäß sagte, sie sei sich jetzt sicher, dass sie schon einmal gelebt habe, denn ein einziges Leben reiche gar nicht aus, um so verwirrt zu sein wie sie.

Das hat mich auch gleich überzeugt…

… das Buch sofort wieder wegzulegen.

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