Leipzig: der zweite Tag

Ich war das letzte Mal vor neun Jahren in der Stadt und der Unterschied ist gewaltig. Die Innenstadt scheint bei dem schönen Wetter vor Leben zu bersten. Leider lässt der Kongress zu wenig Zeit, um das auszukosten.

Heute morgen war ich bei einem Forum mit Bischof Cotrell aus Reading (GB) und Bischof Fischer aus Karlsruhe. Kein Ort der radikalen Querdenker, sondern der behutsamen und diplomatischen Umsetzer. Aber es ist ja auch schön zu hören, dass die Ideen einiger “Radikaler” zu Fragen von Evangelisation und neuen Gemeindeformen in den letzten 10-15 Jahren in den anglikanischen Mainstream eingewandert sind. Und in Baden soll nun an der Kirchenverfassung gearbeitet werden, um andere Gemeindeformen möglich zu machen.

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Das alles macht Hoffnung – auch für die Pioniere, die sich damals einiges haben anhören müssen für das, was heute Bischöfe und Kirchenpapiere als normal darstellen. Das Territorium ist allmählich an die Siedler übergegangen. Noch sind es eher die mobilen und flexiblen, die hier siedeln, doch andere werden folgen. Viele Dinge, die wir über Alpha oft lange erklären müssen, konnten wir heute im Workshop (Bild Mitte) nur mal so antippen und es war genug.

Natürlich ist das kein Grund, mit der Erkundung neuer Territorien innezuhalten. Irgendwo müssen sich ja auch in 20 Jahren wieder Leute ansiedeln können. Wir müssen also weiter Querdenken, experimentieren und dann damit leben, dass andere es aufgreifen, weiterverbreiten (und es scheint, als sei es deren Idee gewesen).

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Auszüge aus Bischof Hubers “Zeitansage”

Angesichts der schwierigen, aber nicht hoffnungslosen demographischen und finanziellen Entwicklung rät der Ratsvorsitzende der EKD unter anderem dies:

… Gerade in einer solchen Situation sind neue Initiativen nötig. Wenn wir unserem Auftrag gerecht werden und bisher Kirchenferne mit unserer Botschaft erreichen wollen, brauchen wir dafür neue Ansätze und Impulse. Ohne den Mut, bisher Vertrautes aufzugeben, wird das nicht gehen. Manche Arbeitsfelder werden an Bedeutung verlieren; andere werden stärker betont werden. Manches wird nicht mehr im gewohnten Umfang durch berufliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wahrgenommen werden; die Bedeutung des ehrenamtlichen Engagements wird steigen. Manches am immobilen Besitz der Kirche werden wir abgeben oder umnutzen.

… Die Geschichte der Kirche zeigt: jeder Aufbruch der Kirche war und ist verbunden mit der Rückbesinnung auf die Grundlagen unseres Glaubens. Er ist damit verbunden, dass die Veränderung nicht resignativ erduldet, sondern zuversichtlich gestaltet wird. Er hat damit zu tun, dass veränderte Bedingungen als Herausforderung zu einem Mentalitätswandel verstanden werden. Mentalitätswandel – das ist ja genau betrachtet nur ein anderes Wort für metanoia, Wandel des Sinns, Umkehr.

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AMD Theologenkongress in Leipzig: Die Kirchengestalt der Zukunft

Die Eröffnung und Bischof Hubers Zeitansage habe ich verpasst, aber inzwischen via USB Stick auf meiner Festplatte. Aber als ich heute den Hauptbahnhof verließ, flimmerte mir von der Multimediawand schon Pfarrer Führer von der Nicolaikirche und ein Hinweis auf den Kongress entgegen.

In St. Nicolai findet auch das erste Forum statt, an dem ich teilnehme, bevor ich weiter zur Peterskirche pilgere, wo unser Stand von Alpha aufgebaut ist. Morgen nachmittag werde ich mit Swen Schönheit aus Berlin und Armin Beck aus Kassel einen Workshop über Alpha machen. Noch mehr aber freue ich mich auf die Begegnung mit alten Bekannten und hoffentlich auf vielen neuen interessanten Leuten, die Hoffnung auf eine wachsende Kirche (so das Kongressmotto) haben und ausstrahlen.

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Kunstbeflissene Seniorengruppen wandern durch den historischen Kirchenraum. Der Titel des Forums – im Kontrast zu so viel Vergangenheit und Alter – ist “Phantasie für eine Kirchengestalt der Zukunft” mit Rainer Knieling aus Wuppertal, Burghart Krause aus Göttingen, Paul Michael Zulehner aus Wien (den wollte ich schon lange einmal hören). Hier ein paar der wichtigsten Aussagen von Zulehner, den ich jetzt – als Nicht-Pfarrer – am Interessantesten fand, am Ende noch eine Prise Burghart Krause:

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Ich “bin” Moltmann…

Gruß an alle Anselms da draußen: Ich habe beim Quizfarm-Test als “Moltmann” abgeschnitten. Im Übrigen: Mehr Calvin als Luther? Hat mich leicht verblüfft, aber so ist es eben:

Jürgen Moltmann

67%

Friedrich Schleiermacher

53%

Anselm

53%

Paul Tillich

53%

Karl Barth

40%

John Calvin

33%

Charles Finney

33%

Martin Luther

27%

Augustine

27%

Jonathan Edwards

7%

Which theologian are you?
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Zweimal Sehnsucht

Bei David Schnarch bin ich über Gedanken des katholischen Theologen Sebastian Moore gestoßen, der zwei Arten von Sehnsucht oder Verlangen beschreibt, die sowohl für die Beziehung zu Gott als auch für menschliche Beziehungen gelten, besonders die Ehe. Frei umschrieben sieht es so aus:

  • Verlangen aus Leere dreht sich darum, mit Hilfe des Gegenübers die innere Leere zu füllen und den Selbstwert zu steigern. Ich sehe mich selbst primär durch meine Defizite. Entsprechend wichtig ist die ständige Bestätigung durch den anderen und der Versuch, es ihm/ihr “Recht zu machen”. Nachteil: Ist die schlimmste Not einmal gelindert, nimmt das Verlangen ab.
  • Verlangen aus Fülle ist eine andere Sache. Ich will mich an den anderen verschenken und glaube, dass ich ihm/ihr damit tatsächlich ein Geschenk mache – keine Zumutung. Dieses Verlangen speist sich aus keiner fremden Quelle und kann daher weiter wachsen. Es lebt aus meiner freien Entscheidung, das Gute in mir zum Zug kommen zu lassen.

Ich finde die Unterscheidung hilfreich. Verlangen aus Fülle ist für mich die Art, wie Gott leidenschaftlich liebt. Er “will” mich, ohne dass er mich “braucht”, und ich glaube, er freut sich (bei aller Abhängigkeit des Geschöpfes vom Schöpfer) darüber, wenn ich ihn nicht aus Schwäche oder besser gesagt aus der Not heraus suche, sondern als das Gegenüber, zu dem er mich geschaffen hat, das seine Würde und Schönheit verstanden hat und daraus lebt.
Im geistlichen Leben wie in der Partnerschaft ist weder das verzweifelte “ich brauche dich” noch das apatisch-resignierte oder trotzige “ich brauche dich nicht” das Ziel, sondern das positiv “lustvolle” (an dieser Stelle muss man das wohl so sagen!) “ich will dich”.

Nicht, dass ich es schon ergriffen hätte, aber ich jage ihm nach…

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Newbigin (12): Wahre und falsche Kontextualisierung

Menschen existieren nur als Mitglieder von Gemeinschaften, die eine gemeinsame Sprache haben, Gebräuche, Wege das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben zu ordnen, Wege, ihre Welt zu verstehen und mit ihr fertig zu werden. Wenn das Evangelium verstanden werden soll, wenn es angenommen werden soll als etwas, das Wahrheit über die wirkliche Situation des Menschen vermittelt, wenn es, wie wir sagen, einen Sinn ergeben soll, dann muss es in der Sprache derer kommuniziert werden, an die es sich richtet und in Symbole gefasst werden, die für sie eine Bedeutung haben. Und das das Evangelium nicht als körperlose Botschaft daherkommt, sondern als Botschaft einer Gemeinschaft, die den Anspruch erhebt, danach zu leben und andere einlädt, sich dem anzuschließen, muss das Leben dieser Gemeinschaft so eingerichtet sein, dass es “einen Sinn ergibt” für jene, die man einlädt.

Ob in der Nachbarschaft oder in einer fremden Kultur, die Herausforderung bleibt dieselbe. Jesuitische Missionare im Indien des 17. Jahrhunderts rieten den indischen Christen, im Kastenwesen zu bleiben. Andere Christen und vor allem die Christen in Indien heute empfanden das als Verrat am Evangelium. Heute stehen die Europäer für die koloniale Mission und die kulturelle Domestizierung des Evangeliums in der Kritik während in manchen früheren Kolonien Theologien entstehen, die sich anschicken, dieselben Fehler in anderer Form zu wiederholen.

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Kein Kommentar

Über manche Themen wird derzeit so viel geschrieben und geredet, dass mir schon nichts mehr einfällt. Zum Beispiel:

  • Der Eva-Faktor
  • Schumi hört auf
  • Der Papst in Bayern

Schweigen kann auch eine Tugend sein. Ich spar mir den Senf auf für etwas anderes.
… ach ja:

  • Gammelfleisch
  • Natascha Kampusch
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Geist der Kritik

Mike hat einen nachdenklichen Post zum Thema “Kritik” geschrieben. Mir fiel dazu ein, dass ich vor einigen Jahren mit einem Freund für eine christliche Zeitschrift eine Glosse fabrizierte (es war die April-Ausgabe – aber es nützte nichts, die meisten haben es doch wörtlich genommen, obwohl es reichlich absurd war).

Später haben wir dann gehört, dass in einer kleinen Freikirche ein Disput darüber ausbrach. Einer der Anwesenden fand, das könne nicht ernst gemeint sein. Der Pastor war anderer Meinung (zu Unrecht, wie sich später heraus stellte). Also warf er dem anderen kurzerhand vor, er habe einen “Geist der Kritik”. Dumm gelaufen…

Diese Formulierung ist auch eine Möglichkeit für Nicht-Päpste, sich für unfehlbar zu erklären. Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich (und, natürlich, auch gegen Gott). Gestützt wird das in einem solchen Milieu mit Aussagen über Gottes “Gesalbte”, gegen die man nicht die Hand (und natürlich auch nicht die Stimme) erheben dürfe, ohne sich schlimmstes Gericht einzufangen. Seufz…

Andererseits: Es gibt wirklich auch dämliche und kleinkarierte Kritik. Aber vielleicht ist es dann besser, man erklärt, warum man das dämlich und kleinkariert findet – sprich: man prüft sich selbst und konfrontiert den anderen dann gegebenfalls mit seinen Fehlern im Anbringen der Kritik (oder dem, was man dafür hält) – anstatt mit irgendwelchen Geistern anzukommen.

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Zum Nachdenken: Wünsche

Auf dieser Welt gibt es nur zwei Tragödien. Wenn Wünsche enttäuscht und wenn sie erfüllt werden. Das zweite ist viel schlimmer.

In this world there are only two tragedies. One is not getting what one wants, and the other is getting it.

(Oscar Wilde, Mr. Dumby, Act III)

Kleine Variation desselben Autors dazu:

When the gods wish to punish us they answer our prayers.

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Newbigin (11): Wort, Tat und neues Sein

Die Bibel ist, bei allem was sie für das Leben des einzelnen zu sagen hat, zuallererst eine einzigartige Auslegung der Welt- und Menschheitsgeschichte. Die Kirche, der das Evangelium anvertraut ist und die aus dem Evangelium heraus lebt, verkörpert die Hoffnung auf eine Überwindung des Bösen und den Sieg des Guten gegen alle Verzweiflung. Gleichzeitig verkündet sie nicht nur Gottes Ziel der Geschichte, sondern sie treibt die Geschichte auch unwiderruflich auf dieses Ende hin.

Das Kommen Jesu hat die Geschichte in die Krise gestürzt. Wenn die Vision eines neuen Zeitalters einmal im Raum steht, kann man nicht mehr hinter sie zurück. Der Konflikt mit anderen Visionen muss ausgetragen werden. Das zeigen die apokalyptischen Passagen der Schrift, wenn sie in Bildern vom Kampf des Lammes mit den Symbolen des römischen Imperiums sprechen. Es geht also um mehr als um bloße Verkündigung. Vielmehr zeigen die Evangelien, wie sich Predigt und Taten gegenseitig durchdringen – eines ohne das andere wäre bedeutungslos.

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