Die letzten dreieinhalb Wochen hatten Nachrichten Hochkonjunktur. Eigentlich ging es schon etwas länger, die Revolutionen in Tunesien und Ägypten markierten den Anfang. Ich konnte morgens aufstehen und nach den Nachrichten sehen und es war immer aufregend, wichtig und neu; zuletzt noch die spannende Wahl in Baden-Württemberg.
Am ersten April brach dann die große Verlegenheit aus. Welchen Bären konnte man den Lesern/Zuschauern denn nun noch aufbinden? So viel war eingetreten, das niemand für möglich gehalten hätte. Und seither zieht sich alles gefühlt in endlose Länge: Fukushima leckt Wasser und sucht die undichte Stelle, die FDP leckt ihren Wunden und diskutiert, wer im Präsidium nicht ganz dicht sein könnte. In Libyen geht es zäh hin und her, aber nicht mehr vorwärts in eine klare Richtung. Nicht einmal ein Trainerwechsel in der Bundesliga bahnt sich noch an – gibt es womöglich ein Moratorium in der DFL?
Als hätte jemand den Gang herausgenommen. Aber das mörderische Tempo von Hiobsbotschaften kann ja kein Mensch durchhalten. Manches von dem, was sich in den letzten Tagen ereignet hat, wird uns noch viele Monate und Jahre beschäftigen. Der Faktor Nervenkitzel wird schwinden. In Nordafrika wird es ein langer und anstrengender Aufbau stabiler Demokratien, in Japan wird es ein langes Aufräumen der Erdbebenschäden und ein noch viel längeres Leiden an den bereits eingetretenen nuklearen Folgen geben. Und das sind ja nicht die einzigen komplizierten Krisen, die es auf der Welt gibt.
Für etwas Zerstreuung sorgen inzwischen Prinz William und die FDP. Gönnen wir es ihnen. Vielleicht sollten wir die abflauende Katastrophenfrequenz auch dazu nutzen, über grundlegende Dinge nachzudenken: Was zählt langfristig und macht – ohne schädliche Nebenwirkungen für andere – nachhaltig glücklich? Was bedeutet das für unsere Energieversorgung, für unsere Menschenrechtspolitik und Geschäftspartnerschaften? Was hält mich, wenn meine Welt erschüttert wird, meine Überzeugungen, meine Identität? Wie kann ich meine Wurzeln festigen?
Zeit, den Rechner zuzuklappen und mal wieder ein paar Klassiker aus dem Regal zu holen.