Eine Studie über das Verhalten von Bürokraten hat unbeabsichtigt, aber wunderbar klar herausgearbeitet, schreibt Zygmunt Bauman in Collateral Damage: Social Inequalities in a Global Age, wie Macht in unseren gesellschaftlichen Zusammenhängen funktioniert. Die einzelnen Exponenten und Ämter seien stets darauf aus gewesen, die Spielräume der anderen möglichst strikt zu regulieren, während man sich selbst jeder Festlegung zu entziehen versuchte. Wenn „der andere“ erst einmal seiner Handlungsoptionen beraubt war, konnte man sein Verhalten ausrechnen und ihn umgekehrt mit unvorhersehbaren Manövern ständig unter Druck setzen.
Anders gesagt: Wer den anderen ständig im Ungewissen lassen kann, sitzt am längeren Hebel.
Im Industriezeitalter galt für Unternehmer wie Mitarbeiter insofern noch eine gewisse Chancengleichheit, als etwa Henry Ford seine Angestellten auch als potenzielle Kunden betrachtete. Entlassungen im großen Stil hätten also unmittelbare Folgen für den Absatz und Gewinn des Unternehmens gehabt. Mit dem Anbruch der flüssigen Moderne hat sich das geändert, und der massiv geschwächte Staat hat dem kaum etwas entgegenzusetzen (tatsächlich haben die Regierenden auch gar kein Interesse daran!).
Es gibt jetzt nur noch eine einseitige Abhängigkeit, die Bosse waren für die Arbeiter außer Reichweite und hatten plötzlich zahllose Optionen auf ihrer globalen Spielwiese, während die einzelnen immer weniger Alternativen dort hatten, wo sie lebten. Die Folgen waren schwerwiegend – alles wurde beweglich, auch die Arbeitsprozesse selbst wurden dereguliert, plötzlich mussten die Leute nicht nur arbeiten, sondern ihre Arbeit in einem vorsätzlich immer willkürlicheren System auch selbst organisieren und verantworten:
During that second revolution, the managers banished the pursuit of routine and invited the forces of spontaneity to occupy the now vacant supervisors’ rooms. They refused to manage; instead, they demanded from the residents, on the threat of eviction, self-management.
… the new managerial philosophy is that of comprehensive deregulation: dismembering the firm and fixed procedural patterns that modern bureaucracy sought to impose. It favours kaleidoscopes over maps, and pointillist time over the linear. It puts intuition, impulse and spurs of the moment over long-term planning and meticulous design.
Um eine Gesellschaft aus derart verunsicherten Individuen dazu zu bringen, gegen die Mächtigen nicht aufbegehren, sondern sich freiwillig zu unterwerfen, sind noch weitere Tricks nötig. Im nächsten Post geht es dann um die systemstabilisierende Funktion der Angst vor den Fremden.