Vor mittlerweile 40 Jahren stellte Johann Baptist Metz die folgende Frage. Ich halte sie für immer noch aktuell – er offenbar auch, denn der Text erschien 2014 wieder, und zwar unverändert. Es geht um Gestalt und Auftrag von Kirche. Vermutlich hatte damals noch niemand etwas von „New Monasticism“ gehört – die unterschiedlichen FreshX–Websites und Programme waren auch noch nicht am Start. Aber ein Mann mit Weitblick, Mut und klaren Worten:
Müssten es nicht gerade „die Religiosen“ [d.h. die Angehörigen von Ordensgemeinschaften] sein, die einer unabgestorbenen Religiosität inmitten unserer aufgeklärten und zweckrational durchorganisierten Welt auf der Spur sind? Müssten nicht gerade die Gespür und Hellsichtigkeit dafür entfalten, dass und wie es durchaus Religion in einer sog. nachreligiösen Zeit gibt: ungestillten Hunger und Durst nach Gerechtigkeit – auch und gerade für die anderen, die Opfer unseres geschichtlichen Lebens; unverzweckbare Bedürfnisse nach Sinn und ohnmächtige Rebellionen gegenhereinstürzende Sinnlosigkeit; Trauer, die sich durchhält gegen die anonymen Trauer- und Melancholieverbote einer Erfolgs-, einer Siegergesellschaft; Sehnsucht nach neuem Leben und nach Auferstehung, und das alles meist sprachlos oder doch meilenweit entfernt von der offiziellen Kirchensprache? Könnten und müssten nicht einzelne Orden innovatorisch gerade in dem Sinne wirken, dass sie diesen Spuren von Religion nachgehen und deren Sprachlosigkeit (wie auch diejenige der Kirche solcher Religiosität gegenüber) überwinden helfen?
Das prophetische Charisma der Orden besteht für Metz unter anderem in einer „innerkirchlichen Schockwirkung“. Kirche, die sich im Namen Gottes selbst schockiert. Mir fällt gerade keine Institution ein, der das gelingt. Leider gelingt es auch in den Kirchen nicht oft genug.
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