Brandan Robertson, der mit seinem Blog Revangelical daran arbeitet, die evangelikale Bewegung in den USA vom neoreformierten Fundamentalismus (oder wie auch immer man das bezeichnen mag) zu lösen, hat einen sehr interessanten Blogpost über C.S. Lewis geschrieben, in dem er Lewis‘ theologische Positionen beleuchtet und nebenbei Vergleiche zieht zu N.T. Wright, Rob Bell und Brian McLaren, die von vielen Rechtsevangelikalen wie Al Mohler derzeit mit allerlei Polemik überzogen werden.
Der Post ist mit Lewis-Zitaten gespickt und allein deswegen schon sehr interessant zu lesen. Das Fazit lautet:
Bei einem Durchgang durch eine kurze Liste von Lewis-Zitaten können wir sehen, dass Lewis nicht glaubte, die Bibel sei unfehlbar, dass er es für möglich hielt, dass es universales Heil (Allversöhnung) geben könnte, dass er an die Evolution glaubte, dass er der Ansicht war, menschliche Sprache könne Gott nicht beschreiben, dass er an ein Fegefeuer glaubte und dass er die evangelikale Anschauung ablehnte, das Evangelium sei gleichbedeutend mit der Lehre vom stellvertretenden Strafleiden.
Obwohl Lewis mehr „Ketzereien“ verzapfte als seine aktuellen Nachfahren, wird er bis heute in vielen konservativen Institutionen gelesen und verehrt. Robertson fragt nun, ob sich daraus nicht auch die Möglichkeit ergibt, anderen mit derselben Aufgeschlossenheit zu begegnen. Die entsprechende Weite war also schon einmal da, sie ist auch für Evangelikale grundsätzlich möglich, die Tendenzen der Abschottung sind weder logisch noch notwendig (freilich werden die richtigen Hardliner nun wohl eher auf Lewis losgehen als ihre Engführungen in Frage zu stellen).
Insofern hat es doch etwas Erfrischendes und Mutmachendes, in den mal mehr, mal weniger radikalen Lewis-Zitaten zu stöbern.
… Und wieder geht es gegen die ach so schlimmen Evangelikalen, die alle in einen Topf geworfen und zu üblen Polemikern erklärt werden. Darauf muss man natürlich mit… Polemik antworten, nicht? Erstens gibt es nicht. „die Evangelikalen“, zweitens sind die wenigsten so radikal wie immer behauptet.
Die alten Reflexe… Wenn es niemanden betrifft, musst Du auch niemanden in Schutz nehmen.
Aber warum sollte Robertson so etwas schreiben, wenn es kein real existierendes Problem betrifft? Hier werden je gerade nicht alle in einen Topf geworfen, sondern es wird explizit differenziert zwischen (R)Evangelikalen und NeoFundamentalisten. Dass es da Unterschiede gibt, ist nicht zu leugnen.
Wie viele oder wenige die sind, darum geht es erst einmal gar nicht. In den USA (und nur darauf bezieht sich Robertson) sind letzere durchaus einflussreich.
Wen interessiert hier in D die USA? Ich verstehe dein Anliegen hier einfach nicht! Wäre es nicht viel wichtiger, Menschen den Glauben näherzubringen, statt immer für Fremde verwirrende Kritik an Menschen zu üben, die genau wie du ein Herz für Jesus haben, wenn auch mit anderem Hintergrund?
Mich interessiert die Situation, weil es natürlich ständig Wechselwirkungen gibt, und weil ich eine Beziehung zu Tom Wright und Brian McLaren habe, die da erwähnt werden. Wenn es Dich dagegen nicht interessiert, brauchst Du es ja weder zu lesen noch zu zensieren.
Nun habe ich hier ja einen positiven Beitrag zur Diskussion in den USA erwähnt. Robertson ist ja um eine Verständigung bemüht, wenn er an Lewis erinnert. Er zeigt, welch eine Weite möglich ist. Dass er es zeigen muss, liegt freilich daran, dass sie nicht überall erwünscht ist.
Für „Fremde“ ist es m.E. viel verwirrender, wenn ich so täte, als würde ich problematische Moralvorstellungen und Gottesbilder frag- und kritiklos hinnehmen um einer falsch verstandenen „Einheit“ und Solidarität willen. Und Du bist ja selber ganz munter dabei, Dich von allen möglichen Sachen abzugrenzen, die Du – ob zu Recht oder nicht – für irgendwie „emergent“ hältst. Also, lass mal die Kirche im Dorf.
Nun mal halblang. Ich greife hier nicht die ganze Zeit eine bestimmte Frömmigkeitsrichtung unten den vielen Christen an. Ich reagiere lediglich auf ständige ziemlich massive
Angriffe von deiner Seite. Das ist ein Unterschied. Der Graben scheint für dich ja riesig zu sein… Wenn dir allerdings deine Abgrenzung von den deiner Meinung nach falsch Gläubigen wichtiger ist als Gemeinsamkeit, dann tut mir das sehr leid, dann tust du mir sehr leid. Ich hoffe, dass wenigstens eure Gottesdienste anders ablaufen.
Lieber Johannes,
ich hatte schon befürchtet, dass es irgendwann passieren würde, aber nun hast Du mich tatsächlich durchschaut: Ich schreibe nur deswegen so viel in diesem Blog, weil niemand mehr mit mir redet. Keiner meiner Mitchristen hier kann meine ständige unfaire Kritik noch ertragen.
Menschen wie Du sind mein einziger Kontakt zur Außenwelt – und zum gesunden Menschenverstand. Aber ich darf ja nicht zugeben, wie viel mir diese seelsogerliche Begleitung und Ermahnung bedeutet. Daher verstecke ich es hinter der intellektuellen Fassade.
Jeden Post, der das Wort „evangelikal“ enthält, verfasse ich schon in klammheimlicher Vorfreude auf Dein umgehendes und unbestechliches moralisches Urteil, weil ich darin den unerschütterlichen Glauben erkenne, dass eines Tages auch ich ein besserer Mensch werden könnte. Und auch wenn mir das unglaublich schwer fällt – mit jedem Kommentar von Deiner Seite wächst dieses Bedürfnis ein bisschen mehr. Kann es einen schöneren Liebesbeweis geben?
In tiefer Dankbarkeit,
Peter
Lieber Peter,
ich wusste, der Tag würde kommen… Nun ist es soweit, unglaublich! 😉
Na, Humor hast du ja, das muss man dir lassen! 🙂 Finde ich sehr symphatisch!
Liebe Grüsse nach Erlangen
Johannes
…ich meine natürlich sympathisch! 🙂
Ach ja, und noch etwas gaaanz wichtiges: Ich würde dir NIEMALS absprechen, dass du nicht genau so auf der Suche nach der Wahrheit bist wie andere Christen (einschliesslich mir). Wir kommen halt nur leider oft zu anderen Schlüssen. Trotzdem bleibst du ein Bruder (ich weiss, furchtbar altes Wort, aber du weisst, was ich meine) im Herrn.
Nun, interessant ist vllt. anzumerken, dass Franziskus gerade massiv aus der Ecke für seine letzte Predigt angegriffen wird. Der Papst ist in diesem speziellen Fall Häretiker, weil er sich in seiner Predigt als All-Versöhner enttarnt.
Stellman vermutet hier, dass es an den unterschiedlichen Auffassungen liegt, was die Bedeutung des Wortes Erlösung angeht. http://www.creedcodecult.com/calvinism-catholicism-and-the-cross-of-calvary/
Stallman hat in sofern recht, dass ich nun wirklich nichts bombastisch Neues von Franziskus gehört habe.
Warum sich um USA kümmern? Genau so gut könnte man fragen, wozu spanische Mystiker lesen. In D ist die Auswahl an christlichen Autoren und Theologen dann doch zur Zeit eher mager. Das hat bestimmt auch was damit zu tun, dass hier kein Publikum bzw. Markt für solche Bücher vorhanden ist. Das kann auch sein, dass in den USA die protestantische Krise sich gerade massiv zuspitzt. Der rasante Niedergang der Zahl derer, die sich zu einer der großen prot. Konfession bekennen, die Abwanderung von Leuten in das orthodoxe und katholische Lager und Verunsicherung, was den nun wirklich das wahre Evangelium ist, mag nicht nur teils harsche Debatten, sondern eben auch mehr interessante Bücher als Gegenreaktion produzieren.
Schöner Post von Stellman!
Ich finde einige seiner Post ganz gelungen und er hat Steher-Qualitäten. Hoffentlich findet er bald einen Job.
@Bee: Über die protestantische Krise in den USA würde ich gern mehr erfahren….
@jordanus: Eben habe ich das hier gefunden – John J. Dickerson über die Krise des Evangelikalismus in den USA. Nur eine von vielen besorgten Stimmen, aber vielleicht exemplarisch: http://johnsdickerson.com/about-the-great-evangelical-recession/
Hier ist er in einem Interview (letzte 20 Minuten):
http://www.cbc.ca/video/share/share.html?ID=2388052011
@jordanus: Oh, also hast Du so drei bis vier Stunden Zeit?
Die Krise der Evangelikalen ist nämlich nur das vorerst letzte Kapitel, auch wenn es vielleicht hier nicht so ankommt.
Der protestantische Mainstream verliert seit Jahrzehnten an Boden, was da verloren wurde, das können auch hippe Seeker und Mega Churches nicht aufholen.
Für mich ist das virale Vid „Why I hate Religion but Love Jesus“ hier symptomatisch.
Religion ist in den Augen vieler Leute nur noch eine Ansammlung merkwürdiger Regeln ohne Bezug zum Leben, die von einem Mob miteinander konkurierender Heuchler anderen Leuten aufgezwungen wird. Der Ausweg, der dann – selbstredend – angeboten wird ,ist, dass Jesus damit eigentlich nix zu tun hatte. Der Trend sich als „Jesus Follower“ und nicht mehr als Christ zu bezeichnen, scheint mir hier der letzte Versuch das Evangelium zu retten und es wenigstens irgendwie noch attraktiv zu machen.
Vieles hat mit Sicherheit ähnliche Gründe wie die Glaubenskrise in Europa, zwar hat man oft die Bible-Thumper bei uns im Kopf, wenn es um die USA geht, aber in der Breite sind die meisten US-Amerikaner genau so schlecht evangelisiert wie Europäer und Katechese…. nun, die evangelikalen Strukturen kennen diesen Teil der traditionellen Kirchenarbeit oft gar nicht.
Mein persönlicher Eindruck ist es das der Average Joe einfach müde ist. Der ist jetzt Jahrzehnte mit konkurrierenden Auslegungen Positionen wie „Once Saved – Always Saved“, dem Health-und Wealth-Gospel, The Repture-Theories etc. zu gebombt worden und … naja, die vielen geradezu epischen Fails der TV- und Radio- Prediger machen es einem ja auch nicht leichter irgendwem zu vertrauen.
Daher ist die Offenheit dem nächsten Depp zuzuhören, der ganz bestimmt weiß, was das Evangelium denn jetzt genau ist und wer Jesus eigentlich war, recht begrenzt.
Da waren halt schon gefühlte zwoundzwölfzigtausend Leute, die versprochen haben, dass ihre Kirche der direkte Nachfolger der Urgemeinde ist, bei ihnen das wirkliche und vollständige Evangelium gepredigt wird und sie wirklich total Christus-zentriert sind.
Zudem ist die Hippie-Generation jetzt wirklich auf dem Altenteil.
Die, die Pop-Musik in die Gottesdienste einführten und die Liturgie abschafften, sehen heute recht alt aus. Lobpreis-Musik, die sich nach einem Eagles-Song anhört, geht nun wirklich nicht mehr und warum in einen Gottesdienst gehen, wenn man die Musik von Hill Song und die Predigt auch einfach runterladen kann? Wenn man sich überhaupt sowas anhören will.
Je weniger Leute sich das sonntags geben wollen, um so stärker wird die Betonung auf Entertainment gelegt, was m.M. ein Kampf um die Quote ist, den man bei der Konkurrenz auf dem säkularen Sektor einfach nur verlieren kann.
Wenn solche Vids wie Parody Of Our Modern Churches auf Youtube auftauchen, ist er, denke ich, schon verloren.
Auf der anderen Seite versuchen New Calvinists oder Neo-Calvinists oder New Reformed mehr die Betonung auf die Lehre zu legen, was jedoch oft an wirklich kleinlichen Lagerkämpfen scheitert. Ich denke, wenn man sieht wer alles aus diesem Lager sich Richtung Orthodoxie oder Katholizismus verabschiedet, bekommt man einen Eindruck, um welchen grundsätzlichen theologischen Aussagen da gerungen wird.
Eigentlich sollte man von Leuten, die renommierte reformierte Seminare besucht haben, nicht glauben, dass sie irgendwas lehrmäßig attraktives für sich bei den Orthodoxen oder Katholiken finden könnten. Aber da wird schon ganz ordentlich durch den Tiber geschwommen. Eine Seite wie diese:http://www.calledtocommunion.com/about/ wäre vor dreißig Jahren wohl undenkbar gewesen und Networks wie das Coming Home Network, dass versucht gerade ehemaligen protestantischen Pfarrern durch die oft schwierige Übergangszeit zu helfen, wäre vor drei Jahrzehnten auch ziemlich überflüssig gewesen.
Was auch recht interessant ist, sind die Statistiken. Zum ersten Mal seit Gründung der USA sind die Protestanten nicht mehr in der „Mehrheit“ den USA.
http://www.usatoday.com/story/news/nation/2012/10/08/nones-protestant-religion-pew/1618445/
Die Zahlen stehen also im krassen Widerspruch zu den „Erweckungs-Mythen“ und werfen ein recht zweifelhaftes Licht auf die Effektivität der oft mit wahnsinnig großen Aufwand betriebenen Missionsanstrengungen. Der Scherz ‚where there are more Baptists than people“ ist zwar schon älter, kann jedoch wohl auch auf die evangelikale Bewegung angewendet werden, die zwar immer wieder mit erstaunlichen Gemeindewachstumszahlen geradezu werben, aber im Grunde wirbt man sich da scheinbar nur gegenseitig Mitglieder ab.
Es gibt noch viele andere Gründe und Merkwürdigkeiten, aber das sind so ein paar meiner Beobachtungen dazu.