Brian McLarens Auseinandersetzung mit evangelikalen Altlasten zum Thema „Hölle“ fand große Resonanz diese Woche im Blog von Andrew Jones. Es war leider etwas mühsam zu lesen und irgendwie hoffe ich, dass wir manches Fachchinesisch (wie Pre-/post-/amillenial) gar nicht erst ins Deutsche übersetzen und dann wieder mühsam loswerden müssen. Offenbar haben die Amis da mehr Arbeit vor sich.
So absurd ich manche der Ideen fand, die nun (endlich) in der Kritik stehen, so sehr hat es mich auch wieder daran erinnert, dass Eschatologie (die Lehre von den „letzten Dingen“) eine ganz zentrale Rolle spielt für unseren gelebten Glauben.
Alle Menschen leben irgendwie mit einer Zielvorstellung im Hinterkopf. Auch Jesus und das gesamte NT kann nur dann richtig verstanden werden, wenn man seine Zielvorstellung, die Herrschaft Gottes, richtig einordnet. Darin hatte Albert Schweizer Recht, selbst wenn er Jesus dann als „apokalyptischen“ Untergangspropheten missdeutete, dessen Naherwartung nicht eintrat, und dessen Botschaft daher nur noch bedingt anwendbar ist.
Umgekehrt haben vor und nach Schweitzer viele den Versuch unternommen, Jesus in die Eschatologie der Moderne und vor allem der Aufklärung einzupassen, die einen steten, selbsttätigen Fortschritt der Menschheit zum Guten erwartete, zu dem Jesu moralische Botschaft einen lediglich historischen Beitrag dargestellt hatte. Das beispiellos blutige 20. Jahrhundert hat diese Ideologie Lügen gestraft. Haben damit nun doch die Recht, die eine modernisierte Apokalypse a la Hieronymus Bosch erwarten, den Endknall (das entbehrt nicht einer gewissen Ironie, weil der Gedanke an den „Urknall“ in diesen Kreisen wenig Sympathien findet) und daran anschließend eine Zwei-Klimazonen-Ewigkeit?
In der Praxis sind mir die Früchte der „liberalen“ Eschatologie lieber, die zwar moralisierendes Gutmenschentum begünstigt (traumhaft witzig persifliert in „How to be good“ von Nick Hornby), aber wenigstens sozial und politisch zupackt – oft genug leider ohne noch klar machen zu können, ob ein Unterschied zwischen der Begrpredigt und der Charta der Menschenrechte besteht.
Auf der anderen Seite führen dann Vorstellungen eines schroffen Strafgerichts zur Vorwegnahme dieses Gerichts (wenn es denn so käme) in vielerlei Ausgrenzungen und kleinlichen Verurteilungen im Hier und Jetzt. Und weil nach einem solchen Verständnis Gottes Liebe schon so stark relativiert ist, muss auch die Motivation für christliche Verkündigung zusätzlich dadurch angeheizt werden, dass man regelmäßig an die Hölle erinnert, vor der der einzelne gerettet werden muss. Erst vor dieser dunklen Folie strahlt die etwas müde schimmernde Liebe dann so, dass es auffällt. Aber wenn uns (anders als Gott…) der gegenwärtige Zustand der Welt nicht Hölle genug zu sein scheint
Dass viele „Fromme“ sich mehr für Lebensrecht einsetzen als für die Umwelt (das wäre nach meinem Verständnis der Bibel weder nach der einen noch der anderen Richtung gegeneinander auszuspielen) liegt an der Eschatologie: Beim einen gehen nur ein paar „Dinge“ vorzeitig kaputt während beim anderen ewige Seelen auf dem Spiel stehen.
So oder so: Das erwartete Ende wirft seine Schatten immer schon voraus. Ein Jesus, der nicht auferstanden ist und daher auch nicht kommen kann, um die Welt vom Kopf wieder auf die Füße zu stellen, wird uns ohne Hoffnung, nur auf uns selbst gestellt zurücklassen. Ein Jesus, der wiederkommt um einen „Himmel“ mit Folterkeller zu errichten und auf dem Weg dahin noch schnell den Planeten in die Luft gehen lässt, vermittelt eine sehr gespaltene Hoffnung, die zu selbstgerechter Abgrenzung und/oder neurotischer Selbstbespiegelung führt.
Aber wer sagt denn, dass uns die Bibel nicht viel bessere Alternativen anzubieten hätte? Warum sollten wir nicht mit Jesus die Vision einer geheilten Schöpfung und einer gerechten Welt pflegen? Immerhin erzählt das Johannesevangelium die Ostergeschichte durchweg in Schöpfungs-Terminologie. Ostern ist das Geschmacksmuster der neuen Schöpfung. Pfingsten setzt noch eins drauf: Nun wird Gottes Geist als eine Anzahlung der neuen Welt unter uns Menschen verteilt. Als „Bürger des Himmels“ träumen Christen, wie N.T. Wright sagt, nicht von einem Ruhestand im Jenseits, sondern sie bringen die Kultur dieser Zivilisation an eben den Ort, wo sie jetzt leben, und laden alle anderen ein, sich zu beteiligen. Ob denn nun jemand und wer genau am Ende außen vor bleiben könnte – spielt das dann überhaupt noch eine Rolle?
Eine Antwort auf „It’s the eschatology, stupid!“
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