Im Hier und Jazz

Ist das eigentlich ein besorgniserregend, dass ich das Philosophie-Magazin spannender finde als die meisten frommen Zeitschriften, die auf meinen Schreibtisch flattern? Vielleicht liegt es aber auch nur an solchen Beiträgen wie dem von Michael Hampe, der sich mit dem Selbstverständnis seiner Zunft als „Wissenschaft“ mit standardisierter Methodik und verwertbaren Ergebnissen auseinandersetzt, um dann auf Sokrates zu sprechen zu kommen und einen ganz anderen Ansatz ins Auge zu fassen, der im Übrigen auch der Theologie gut zu Gesicht stünde:

Für Sokrates gleich das Führen eines Gesprächs eher dem Musizieren. Da wird mit Begriffen gespielt, werden mögliche Bedeutungen variiert und ausgetestet. Und auch eine Jazzband variiert ihr Thema nicht, um herauszufinden, wie man es „richtig“ spielt. Wer das glaubt, zeigt damit an, dass er nicht versteht, was Jazz ist. Genauso versteht man ein sokratisches Gespräch nicht, wenn man fragt: Und, wer hat denn nun Recht gehabt? Es geht bei dieser Tätigkeit nicht darum, ein Problem endgültig zu lösen oder zu einer unzweifelhaften Behauptung vorzustoßen, sondern um die Erfahrung eines Spielraums im Umgang mit Begriffen, die das Leben prägen.

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2 Antworten auf „Im Hier und Jazz“

  1. Sehr schön!
    Erinnert mich an den Klappentext von Donald Millers „Blue Like Jazz“: Ich mochte Jazz nicht, weil Jazz sich nicht auflöste. Bis ich einen Spieler sah, der (aus dem Kopf zitiert) mit Hingabe in einer Fußgängerzone sein Saxofonsolo spielte … Ich mochte früher auch Gott nicht, weil Gott sich nicht auflöste …
    Jazz, Jesus und Sokrates sind eben alle nicht deutsch.

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