Ich bin auf diesen Gedanken vor einiger Zeit auch schon gestoßen, leider kann ich nicht nicht mehr genau erinnern, wo – bei William Cavanaugh? Nun habe ich es im ersten Kapitel von Pete Rollins‘ Insurrection wiedergefunden. Rollins geht der Frage Bonhoeffers nach einem religionslosen Christentum nach und setzt ein mit der Natur menschlichen Sehnens und Begehrens:
Unsere Beziehungen zu geliebten Menschen sind deswegen so fundamental anders als die zu Gegenständen, weil wir uns nicht nur nach ihnen sehnen, sondern vor allem, weil wir von ihnen (wenn man das mal nicht primär mit sexuellen Konnotationen versieht) begehrt werden wollen. Daher leiden viele auch so schwer unter dem Verlust eines geliebten Menschen, daher leiden aber auch viele unter dem Verlust der Sehnsucht und Anziehung in bestehenden Beziehungen. Damit leben zu lernen, ist wesentlicher Bestandteil des Erwachsenwerdens – schon Kinder merken an ihren Eltern, dass sie nicht (oder nicht immer) der Nabel der Welt sind.
Rollins folgert dann weiter: Aufgrund der Brüchigkeit menschlicher Liebe und der Schwankungen im menschlichen Sehnen und Begehren liegt es nahe, sich Gott als den einen ständig präsenten Zuschauer und himmlischen Fan unseres Lebens vorzustellen, der uns immer im Blick hat und auf dessen Gesicht sich das Schauspiel unseres Lebens ununterbrochen spiegelt. Damit aber läuft man Gefahr, Gott zum Maskottchen zu machen oder zum Lückenbüßer, zur psychologischen Krücke bzw. dem Deus-ex-Machina, der immer dann ins Spiel gebracht wird, wenn wir etwas nicht erklären oder ertragen können. Bei Bonhoeffer hieß es, er taucht immer nur an den Grenzen menschlicher Existenz auf, aber nicht in der Mitte.
Glauben an diesen Gott zu wecken, sagt Rollins, ist gar nicht so schwer, weil die meisten Menschen an so einen Gott glauben wollen. Dennoch bleibt dieser Glaube eben die berühmte psychologische Krücke, die sich nicht von einer nützlichen Illusion unterscheiden lässt, mit der man sich gegen das Verzweifeln an der Sinnlosigkeit des Lebens schützen will. Rollins setzt diesen hohlen Gott mit Pascals „Gott der Philosophen“ gleich, aber der hatte das m.E. anders verstanden und gerade nicht das persönliche Gegenüber, sondern den apathischen Deistengott gemeint.
Richard Rohr würde hier vielleicht sagen, dass wahrer Glaube durchaus mit dem fragwürdigen Gottesbild und einer Portion Egozentrik und Narzissmus beginnen kann, wie das Rollins hier beschreibt, so lange er dabei nicht stehen bleibt. Aber so sind Menschen eben, und da fängt Gott notgedrungen an. Man muss diese Bilder vielleicht ja auch gar nicht widerlegen, sie zerbrechen irgendwann von selbst. Mal sehen, wie Rollins das mit dem wirklichen Gott und dem (echten?) Glauben weiter denkt. Der Untertitel (To Believe is Human, To Doubt Divine) lässt jedenfalls vermuten, dass Rollins mit „believe“ etwas anderes meint als das Neue Testament mit “Glauben“…
Wer gleich weiterlesen möchte, findet bei Daniel Ehniss schon mehr zu Insurrection.
Freue mich zu sehen, dass du »Insurrektion« liest und bin gespannt was du zum weiteren Verlauf des Buches sagen wirst.
Das verstehe ich nicht. Wieso wird Gott, wenn ich ihn mir als „einen ständig präsenten Zuschauer … unseres Lebens vorzustelle“ zum „Maskottchen“ und zum „Lückenbüßer“?
Lückenbüßer wäre doch gerade einer, der eben _nicht_ ständig präsent wäre, sondern nur Lücken füllen soll …
Und was wird mit meinem Lieblingspsalm, dem 139ten? 🙂
Abwarten. Ich denke, es läuft darauf hinaus, dass ein solcher Glaube mit Erfahrungen der Abwesenheit Gottes (es gibt ja auch den Psalm 22) nicht fertig wird, sofern er vorwiegend auf der Projektion eines psychologischen Bedürfnisses an eine himmlische Leinwand beruht.
„Lückenbüßer“ ist Gott dann, wenn er dafür herhalten muss, das zu erklären, was wir nicht verstehen (das „Übernatürliche“) oder mit dem wir nicht fertig werden und was wir fürchten (z.B. Einsamkeit und sinnloses Leid).
Man darf gespannt sein, ob Pete Rollins Buch den zahlreichen Vorschusslorbeeren, die von niemanden anderem als Pete Rollins selbst kamen, erfüllen wird oder ob es das literarische Äquivalent zu dem gottseidank längst vergessenen Musikstil „Poppunk“ sein wird.
Passiert in diesem Rollins-Buch etwas, das meinen Eindruck, bei ihm gehe es selten um mehr als „dialektische Theologie“ reloaded+popularized, verändern könnte?
Ich hab ja nicht den Eindruck, das Rollins außer Bonhoeffer irgendwelche klassischen Theologen gelesen hat…
So gesehen ist es ja auch wieder interessant, wenn er nach seiner philosophischen Beschäftigung mit der Postmoderne (da hat er ja wohl einiges gelesen) zu denselben Schlüssen kommt wie Barth und Bonhoeffer. Ich muss selber sehen, wie er das anstellt.
@Peter: „Projektion eines psychologischen Bedürfnisses auf eine himmlische Leinwand“ läßt mich erst mal schlucken. Wir haben ein sehr reales Bedürfnis nach Gottes Nähe, und das ist doch gut. Dass man jedes Bedürfnis „psychologisch“ (also, mit den Wissenschaften von der Seele und ihren diversen Schulen) beschreiben kann, ist logisch. Aber was ist ein spezifisch „psychologisches Bedürfnis“?? Im Gegensatz zu was für einem anderen Bedürfnis?
Ich versteh’s wirklich nicht. Selbst in der Gottesferne, wie in Ps. 22, ist doch das *Bedürfnis* nach Gottes Nähe ein ganz reales! Was also wird von wem auf den Himmel projiziert?
@Jürgen: Was ist da so schwer zu verstehen? Bloß weil Du oder jemand sich wünscht, Gott müsse so oder so sein, lässt sich eben nicht sagen, dass es sich tatsächlich so verhält. Ein solcher Gott wäre ja auch nicht frei. Und im wahren Leben ist vieles nicht so, wie man es gerne hätte…
Na, dann lese ich mal weiter fleißig, was du und depone so durchreichen. Mir ist das bis jetzt eben ein bisschen zu sehr mit „Revolutionspathos“ gewürzt, dafür habe ich einfach keine besondere Schwäche.
Das Schöne bei Barth finde ich übrigens: Hintenrum durchs Knie ist er am Ende ja dann doch auch wieder gnädig mit unseren „Bedürfnissen“. Als menschlich-allzumenschliche sicherlich, aber eben doch beim Mensch-gewordenen gut aufgehoben. (Was zu meiner Vermutung stimmen würde, dass der Unterschied zwischen ‚postmoderner‘ Philosophie und christlicher Hoffnung eben darin liegt, ob man eine Inkarnation kennt oder nicht…)
Mit dem Revolutionspathos hast Du sicher recht, da finde ich ihn auch manchmal etwas … eitel. Stimmt schon.
@Peter: Es ging, wenn ich das recht verstanden habe, ja nicht allgemein darum, dass ich mir wünsche, Gott müsse „so oder so sein“. Sondern es ging darum, dass Gott an unserem Leben teilhaben möchte. Ich denke das ist kein Wunschdenken, sondern das liegt in Gottes Vater-Natur. Das hat m. E. nichts damit zu tun, dass Gott unser „Fan“ wäre (was für ein Wort, in diesem Zusammenhang!), sondern dass „Gott uns den Geist seines Sohnes gesandt hat in unsere Herzen, der da ruft: Abba, lieber Vater!“ – Er lebt durch Seinen Geist in uns; da kriegt Er alles hautnah mit; Er ist doch hier unten, da muss doch gar nichts „an den Himmel projiziert“ werden!
Und ich denke in der Tat, dass Gott einen Teil seiner Freiheit aufgibt, indem Er sich so an seine Kinder bindet. Wie Väter das halt so tun.
Nachtrag: Hab‘ den Bonhoeffer-Link gelesen. Ich denke, jetzt komme ich dahinter, was Du meinst. Wenn jemand im Alltag gar nicht mit Gott lebt, sondern nur in Grenzsituation in der Religion Zuflucht sucht, dann macht er Gott zum vermeintlichen „Fan“, der irgendwie froh sein muss wenn man sich ihm zuwendet, und den man danach wieder beisteite stellt, bis zur nächsten Krise. – Hab‘ ich’s jetzt begriffen?
@Jürgen: Hmpf, ich denke Du hast weder mich noch Bonhoeffer richtig verstanden. Dein Ausgangspunkt sind bestimmte biblische Aussagen und damit verknüpfte persönliche Erfahrungen. Wobei eben zum Beispiel die Erfahrung des Schweigens und der Abwesenheit Gottes für Dich scheinbar keine Rolle spielt und solche Begriffe wie „Vater“ für Dich ganz unproblematisch sind.
Bei Peter Rollins und bei Bonhoeffer geht es um die Frage, wie man Gott und die Welt quasi philosophisch in Beziehung setzt und ob das so angemessen und richtig ist. Und ob man mit Menschen, die keine (oder eine andere) religiöse Sozialisation haben und für die Bibeltexte nicht unmittelbar einleuchtend sind, über Gott reden kann.
Aber wenn es Dich interessiert, lies den Rollins ruhig mal selber.
Lieber Peter, Lieber Jürgen,
ich finde eure Diskussion doch sehr spannend und ich finde übrigens nicht, dass Jürgens Kritik an Rollins vorbeigeht. Rollins ist eins nicht und will es auch nicht sein: ausgewogen. Und dabei schüttet er so manches Kind mit dem Bade aus. Ich kann die Kritik schon verstehen, man brauch sich nur den charismatischen Worship anschauen, da hat man oft den Eindruck es geht um die Kompensation von eigentlich zwischenmenschlichen Bedürfnissen.
Erst gestern habe ich auch erlebt, wie jemand sagte Gott habe zu ihm gesprochen wegen der Wohnungssuche, nur leider habe derjenige nicht verstanden, was Gott eigentlich wollte. Ich fande das sofort komisch und mir drängte sich eben der Verdacht auf, aus Angst vor der eigenen Entscheidung wird Gott hier zum großen Bruder der alle Entscheidungen abnimmt. Aber dieses Urteil kann ich nur vor dem Hintergrund meines Weltbildes machen, in dem uns Gott nicht als Marionetten will. Das heißt auch ich habe hier Vorstellungen die ich auf Gott projiziere, nämlich Vorstellungen von Freiheit etc. Und hier würde ich es mit deiner Andeutung zu Richard Rohr halten: man muss „dialektisch“ damit umgehen, wir können nur vereinahmend von Gott sprechen, wir machen Gott immer zur Projektionsfläche, aber mit diesen Projektion kann der wahre Gott immer noch arbeiten, wenn wir zumindest diese Bilder immer wieder offen halten.
@Peter: Du könntest nicht falscher liegen mit Deiner Vermutung über meine persönliche Erfahrung. Die Erfahrung der scheinbaren Abwesenheit Gottes hatte ich zehn, fünfzehn Jahre lang. Und der Begriff Vater ist aufgrund meiner Biographie alles andere als unvorbelastet. Da hast Du die falsche Schublade erwischt!
@Jürgen: Tut mir leid. Es klang aber auch nirgends an. Trotzdem glaube ich, Bonhoeffer meint etwas anderes, als was Du herausgehört hast. Er spricht nicht von gelebter oder nicht gelebter Frömmigkeit, sondern von der Logik, nach der wir bestimmte (auch alltägliche) Ereignisse als Wirken Gottes deuten und andere nicht. Da mag es einen Zusammenhang geben, aber der scheint mir komplizierter und vieldeutiger, als es bei Dir erscheint.
@Peter: Kein Problem. Der Grund, warum mich Dein Blog-Eintrag angesprochen hat (mit Rollins und Bonhoeffer kenne ich mich nicht aus), liegt natürlich in der eigenen Erfahrung, aber die ist ganz anders als Du vermutest.
Es gibt (gefühlte) Abwesenheit Gottes, die Gott einem zeitweise zumutet. Es ist wertvoll, wenn dann andere dafür Verständnis haben und einen nicht noch mit ihrer Frömmigkeit nerven. – Es kommt aber leicht der Punkt, wo aus dem Verständnis für diese Ausnahmesituation unmerklich etwas anderes wird: Dass man nämlich die Distanz Gottes für das Normale hält. Symptomatisch ist hier, dass man die, die unbekümmert Gottes Nähe erleben, für ein bißchen naiv hält; Kinder halt, im Gegensatz zu „uns Erwachsenen, die auch Gottes dunkle Seite kennengelernt haben“.
Man fühlt sich zunehmend heimisch in diesem Zustand. Man sieht die Welt nur noch durch die Augen des Hiob. Auch wenn von Gottes Seite her die Prüfung schon längst vorbei wäre.
Ich frage mich einfach: Haben wir durch all dieses Psychologisieren etwa verlernt, dass Gott ein Vater ist, der sich nach Gemeinschaft mit seinen Kindern sehnt? Weil wir solchen Erfahrungen gar nicht mehr trauen, sondern sie nur noch als Projektionen sehen?
Für mich gab es die bittere Erkenntnis, daß ich mit dieser Haltung meine Zeit der gefühlten Gottesferne zumindest verlängert habe, in enormem Umfang. Momentan ist Neu-Lernen angesagt, wieder das unkomplizierte Kind-Verhältnis zu Gott einüben, und zu staunen wie direkt und unmittelbar Er oft antwortet. Auch die Bibel wiederzuentdecken und meinen lang gepflegten Zynismus den „Bibeltreuen“ gegenüber aufzugeben. – Und es fühlt sich gut an! 🙂
@Arnachie
Sehr schöner Beitrag, ist mir immer wieder sympathisch, wie du auch die „kritische Sicht“ noch einmal kritisierst!
Ich kann auch deine Skepsis gegenüber vermeintlich „erwachseneren“ Konzepten (der Christ als Freier statt ständig Geführter bzw. gerade in seiner Freiheit Geführter) gut nachvollziehen. Allderdings: Es müsste dann doch wohl so etwas wie eine echte und angemessene Theologie geben, wenn man sie als Gottes Selbsterkenntnis fasst, die uns je nur als regulative Idee gegeben ist, oder? Sonst würde man sich in seinen Deutungen ja nur ratlos gegenüberstehen, ohne Hoffnung auf eine Annäherung an ein „gesundes Gottesverständnis“?
Ja da sind wir wieder bei meinem Lieblingsthema: „Zweiter Naivität“ (http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-42920402.html) und damit verbunden meiner Kritik an Rollins – wie ich ich ihn bisher kennengelernt habe. Natürlich müssen solche Konstrukte des Glaubens immer wieder hinterfragt werden und das ganze auch provokant und rabiat, aber nach einiger Zeit muss zu der Kritik etwas dazukommen nämlich die Affirmation, wenn auch die gebrochene Affirmation. Oder mit Ricoeur gesprochen: in der Wüste der Kritik müssen immer wieder auch Oasen der Affirmation sein. Zu dem Lob des Zweifels sollte auch wieder ein gestottertes, gebrochenes Bekenntnis kommen. Diesen Aspekt habe ich bei Rollins bisher vermisst. Ich bin der letzte, der fordert, dass doch Leute bitte etwas „positiver“ sein sollten, aber manchmal fragt man sich nicht doch, ob auf ihn der Satz zutrifft, den letztens Thees Uhlmann gesungen hat: „Ich zieh die Punchline dem Gedanken vor.“
(Bezog sich eigentlich auf Jürgen, passt aber auch gut zu Alex ;-D)
Spannende Diskussion.
Super find ich ja, dass noch mehr Leute Rollins lesen.
Das schöne an Pete finde ich seine Gleichnisse und Storys. Seine Philosophie ist nicht wissenschaftliches Fußnoten sammeln. Das hat Vorteile, auch wenn mans dann Pop nennen kann.
Ich finde Rollins bietet Affirmation. Wie die schöpferischen Phasen seines Lebens in Belfast mit IKON und auch die Bücher und Reden etwas von einer konstruktiven Ekklesiologie vermuten lassen.
Nun ist seine Zielgruppe auch sicherlich nicht der deutsche Protestantismus, der andere Schwerpunkte hat als die christlichen Vereinigten Staaten. Dort sehe ich seine Dekonstruktion stärker angebracht.
Wir haben diese Gedanken nicht nur bei Bonhoeffer vorgedacht, sondern schon länger in Linien, die über Luther und Heidegger führen vorgeprägt (ganz zu schweigen von den Religionskritikern der Aufklärung). Ich bin gerade begeistert wie Moltmann 72 im gekreuzigten Gott aus seiner Theologie eine Theismus und Atheismus Kritik entwickelt. Gut vergleichbar mit Rollins Kapitel 3. Rollins empfiehlt den Blick auf den Schrei am Kreuz – Moltmann verbindet das mit seiner Trinitätslehre..
Viele unserer Theologien sind Idolatrie auch wenn sich Gott gnädigerweise angesprochen fühlt.
Die Gnade Gottes finde ich bei Rollins unterentwickeln.
@Arnachie: Netter Spiegel-Artikel; war überrascht welcher Jahrgang.
Ich sage jetzt etwas ganz vorsichtig, hoffentlich ohne jemandem zu nahe zu treten.
Die Suche nach einer neuen Naivität ist ein guter Schritt. Man spürt, dass man etwas verloren hat und sucht etwas wieder. Aber finden wir das, was wir suchen, solange wir uns auf dieser Meta-Ebene bewegen? Solange wir von „Naivität“ sprechen, von „Spiritualität“, von „Affirmation“ – statt von Jesus, vom Vater, von dem Gott, mit dem wir behaupten, Kontakt zu haben?
Wir brauchen nicht Spiritualität – wir brauchen Jesus. Wenn Du von Jesus sprichst, werden es andere (zutreffend!) als Spiritualität bezeichnen. Aber wenn Du etwas mit Jesus erlebst, und nennst es nur Spiritualität, dann verschenkst Du etwas.
Wir brauchen nicht Naivität – wir brauchen den himmlischen Vater, als seine Kinder. Wenn andere das als Naivität bezeichnen, ist das ok. Aber wenn wir den Vater erleben und nur von guter Naivität reden, verschenken wir etwas.
Den Begriff „Naivität“ nicht mehr nur negativ zu sehen ist m. E. erst der halbe Weg. Solange ich es noch Naivität nenne, *halte* ich „es“ selber noch für naiv, auch wenn mir dämmert, dass „es“ mir gut tun würde. Ich fürchte, solange wir im Herzen immer noch an diesem verführerischen Bultmann-Zitat festhängen und es im Grunde glauben, blockieren wir uns den Weg, trotz unserer Sehnsucht.
@Jürgen: Deine Begeisterung sei Dir unbenommen. Nur sind kritische Diskussionen auf Meta-Ebenen durchaus weiterhin legitim – und unter Theologen auch sinnvoll und notwendig. Wenn wir die hier führen, dann kannst Du gern mitreden, musst aber halt auch akzeptieren, dass wir das in anderer Form tun.
Die „zweite Naivität“ bedeutet m.E. nicht, etwas Verlorenes einfach nur wieder zu finden. Man kann auch nach Verlusterfahrungen zur ersten, vorkritischen Naivität wieder zurückgehen. Der Unterschied ist der, dass man auch die Kritik und die Distanz als etwas Positives begreifen und schätzen kann. Sogar den alten Bultmann.
@Peter: Ich glaube ich hab verstanden. Dann werde ich Schaf halt mal woanders weiterblöken, und die Hirten nicht weiter in ihren Gesprächen stören.
nochmal meta:
ich habe die diskussion mit großem interesse verfolgt und mich über die verschiedenen perspektiven gefreut, die sich zum thema aufgetan haben. dass ein nachdenken auf unterschiedlichen metaebenen sinnvoll und sehr bereichernd sein kann, wird grade hier sehr schön deutlich. dass aber jede weitere meta-reflexion in richtung eines infiniten regresses steuert, hat schon viele ins grübeln gebracht.
ich sehe jürgens vorletzten beitrag als gelungenen anstoß, diesen regress zu beenden und die verbindung zum selbst wieder herzustellen. daher danke an jürgen und überhaupt an alle, die sich hier beteiligt haben!