Glück ist überbewertet

Diese Tage stieß ich auf einen Gastbeitrag des Philosophen Wilhelm Schmid in der SZ, wo er sich kritisch mit dem Streben nach Glück auseinandersetzt, mit den Aufklärern Bentham und Locke, deren Maximen nun auch im „glückverspäteten“ (tolles Wort!) Deutschland die Ära von Pflicht und Tugend abgelöst haben. Er passt auch gut zu diesem Post von letzter Woche über die Problematik vermeintlich „negativer“ Gefühle.

Schmid bricht eine Lanze für die Melancholie, und er macht das gut, so weit das in dieser Kürze geht, finde ich. Hier ein paar Sätze aus seinem Plädoyer:

Glück an sich ist kein erstrebenswertes Ziel. Es ist schön, wenn es uns gelegentlich berührt wie ein Hauch. Aber wenn es zu lange anhält, macht es träge – und wir richten uns in einer Zufriedenheit ein, die uns auf Dauer nicht guttut.

Das Andere des Glücks, manchmal auch das andere Glück, ist das Unglücklichsein. Seine am meisten verbreitete Form ist die Melancholie. Das ist kein krankhafter Zustand, sondern eine Art und Weise des menschlichen Seins, die wesentlich zur Existenz des Menschen gehört. Melancholie – das ist ein Zustand von übergroßer Sensibilität, mit sehr bewegten Gefühlen und Gedanken. Melancholie ist die Seinsweise einer Seele, die schmerzen und sich ängstigen kann.

Melancholiker denken über alles nach, daher sind seit jeher so viele Philosophen und Künstler unter ihnen zu finden. Gerade ihr tragisches Bewusstsein entspricht dem Leben womöglich mehr als jede törichte Leugnung von Tragik.

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