Emerging Grannies?

Gestern saß ich mit einer liebenswerten älteren Dame bei einem Glas Wein und wir sprachen über Gott und die Welt. Dabei erzählte sie von dem Hauskreis in ihrer Kirchengemeinde mit einigen anderen Leuten ihres Alters und dass sie alle das Gefühl haben, sie können das, was sie seit Kindertagen glauben, nicht mehr so richtig in Worte fassen. Die alten Formulierungen passen schlicht nicht mehr. Ab und zu arbeitet einer aus der Gruppe an einem grundlegenden Glaubensthema, mit eher willkürlich ausgewählter Literatur, aber sie kommen nicht so recht weiter. Zum Beispiel in der Frage, ob Gott denn das Blut Christi gefordert oder nötig gehabt habe.

Zugleich erlebt sie bei ihren Enkeln, wie diese mit den christlichen Vorstellungen von Gott und dem Evangelium, mit dem sie groß geworden war, rein gar nichts mehr anfangen können. Der eine erklärte schon im zarten Alter von acht Jahren, Glaube spiele sich nur ihm Gehirn ab. Die andere kann einfach nicht verstehen, warum Gott an den Menschen ständig nur das Negative sieht.

Egal wie diese Vorstellungen der Jugendlichen zustande kamen, wie geht man mit solchen (Vor-?)Urteilen um? Das fragen sich diese älteren Mitchristen nun – und inzwischen haben sie auch jemanden gefunden, der ihnen theologisch unter die Arme greift.

Ich habe nur gesagt, dass ich mich die letzten Jahre mit genau denselben Themen herumgeschlagen habe und es immer noch tue. Möglicherweise ist die emerging conversation viel älter, als wir denken. Oder zumindest offen für alle Altersgruppen. Alle, die noch lernen und im Gespräch bleiben mit anderen. Und das finde ich absolut großartig.

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3 Antworten auf „Emerging Grannies?“

  1. Sehr schön – vielleicht ist das auch ein Kennzeichen dieser Bewegung, dass die Beteiligten so frei sind, sich selbst zuzugestehen, auch an den ganz elementaren Fragen immer wieder neu anfangen zu müssen.

    Wir hatten vor einer Woche im Vikarskurs die Situation, dass wir alle in einer Runde gesessen haben und keiner so richtig sagen konnte, was eigentlich in der Taufe passiert. Das finde ich bemerkenswert und zwar nicht als Armutszeugnis für die Universitäten, die uns ausgebildet haben, sondern als goldenen Moment, in dem sich keiner auf irgendetwas Gelerntes zurückzieht oder 1-2 Sätze aus dem Großen Katechismus zitiert, sondern die Gruppe sagt: Hier müssen wir nochmal ganz neu überlegen.

  2. Das ist wirklich erstaunlich. Bisher hatte ich wie Du das Gefühl, man bekommt da wie aus der Pistole geschossen vorgestanzte Antworten, die mit den übrigen theologischen Überzeugungen der Leute auch oft in keinem erkennbaren Zusammenhang mehr standen. Man wollte auf keinen Fall überlegen, weil die Unsicherheit zu groß war, ob man mit dem Resultat dann auch leben kann…

  3. Vielleicht hängt es ja auch mit einem veränderten Lehrstil zusammen, der sich in unserer Gesellschaft durchsetzt. Strenger Autoritätsglaube und Frontalunterricht sind immer mehr passé – das wirkt sich auch auf das Denken in den Gemeinden aus.

    Ich glaube, in vielen Gemeinden (egal ob Frei- oder Landeskirche) gibt es mittlerweile Menschen, die sich fragen, wie sie mit den Dingen umgehen sollen, die sie nicht „einfach glauben“ (schlucken) können – und ich hoffe, dass es genug Menschen gibt, die das Selbst- und Gottvertrauen besitzen, mit ihnen nach Antworten zu suchen…

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