Emergent-Nachlese (7): Sub- oder Gegenkultur?

In vielen kritischen, ängstlichen oder polemischen Reaktionen auf das Reizthema Emerging Church wird immer wieder unterstellt, hier finde ein Ausverkauf des Evangeliums an den Zeitgeist statt. Dass das Evangelium (oder das, was wir eben dafür halten) schon längst mit der Moderne verheiratet ist (vgl. den letzten Post) wird in der Regel nicht wahrgenommen.Das Bemühen um ein Verstehen überwiegt die Kritik an der Postmoderne bei vielen, die sich an der emerging conversation beteiligen. Das wird dann sofort als Kritiklosigkeit interpretiert – zu Unrecht. Natürlich geht es auch darum, Gegenkultur und Kontrast zu leben. Aber eben nicht in einer weitgehenden oder gar völligen Verweigerung. Gegenkultur kann man nur mit den Mitteln der jeweiligen Kultur ausdrücken, aber nicht mit den Formen und Begriffen früherer Epochen.Wer das versucht, verwechselt Gegen- mit Subkultur. Davon gibt es auch zahlreiche Varianten, fromme und andere. Hier liegt das Dilemma konservativer Christen: Luther (oder wer immer nun die Ikone der jeweiligen Bewegung ist) hat in seiner Zeit das Richtige getan (ok, es war auch nicht alles gut). Aber wenn wir heute dasselbe sagen, ist es eben nicht dasselbe. Die Welt hat sich verändert. Wer diese Veränderung ignoriert, verfälscht das Evangelium ebenso leicht wie der, der es in der veränderten Kultur auch anders ausdrückt. Aber dem Konservativen ist eben das Neue verdächtig und das Alte vertraut. Biblisch ist diese Logik nicht. Aber sie gehört zur typischen Begleitmusik jeglichen Paradigmenwechsels. Die Vertreter des alten Paradigmas, sagte Max Planck provozierend für seine Disziplin, werden in aller Regel nicht überzeugt, sondern sie sterben aus. Der Mainstream von gestern wird allmählich zur Subkultur.In der Subkultur findet kein gesellschaftlicher Diskurs auf Augenhöhe mehr statt, in dem man sich um Verstehen bemüht, selbst dazu lernt und sich auch selbst in Frage stellen lässt, sondern man will die eigene Meinung bestätigt bekommen (im Namen der “Wahrheit”), andernfalls zieht man sich schmollend, schimpfend oder resigniert zurück. Aus dem von Feinden und Verrätern umzingelten Ghetto werden (ich sag’s jetzt mal frech) nur noch sporadische Ausfälle organisiert, um in die publizistische Bredouille geratenen Seelenverwandten wie Eva Herman beizuspringen.Ich finde, wer kritisiert, sollte auch konstruktive Alternativen aufzeigen. Alles andere ist zu billig.

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8 Antworten auf „Emergent-Nachlese (7): Sub- oder Gegenkultur?“

  1. Den ersten Satz des zweiten Absatzes versteh ich irgendwie vom Satzbau nicht.

    Inhaltlich: Mir ist im Zusammenhang des Beitrags noch nicht ganz klar, wie du auf das Thema der Subkultur kommst? Meinst du, dass die Forderung der Kritiker ist, in der Postmoderne könnte man nur in Abgrenzung/als Subkultur als Christen bestehen? Oder wirfst du dem modernen Christentum oder Teilen davon vor, sie selbst wären in der Moderne nicht wirklich kritisch mit dem Geist ihrer Zeit umgegangen und hätten sich somit in eine Subkultur begeben?

  2. Beides – ich denke, das konservative Bemühen um „klare“ Abgrenzung ist schon ein Zeichen davon, dass hier Gegenkultur gefordert und de facto Subkultur praktiziert wird. In diesem Fall eine Subkultur (oder mehrere), die sich in der Moderne und mit ihren Denkmustern arrangiert hat.

  3. mir gefällt der eintrag sehr gut. den begriff „gegenkultur“ finde ich unglücklich. (oder ist das ein stehender begriff?)

  4. Im Englischen counter culture – ist tatsächlich ein stehender Begriff. Aber vielleicht wäre Kontrastkultur besser?

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